Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Buß- und Bettag: Matt. 22, 34–40 Warum man Gott lieben kann

« Predigten Home

Buß- und Bettag: Matt. 22, 34–40 Warum man Gott lieben kann

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

'Marietta_Jaeger'

Als aber die Pharisäer hörten, dass er den Sadduzäern das Maul gestopft hatte, versammelten sie sich. Und einer von ihnen, ein Schriftgelehrter, versuchte ihn und fragte: Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz? Jesus aber antwortete ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« (5. Mose 6,5). Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Matt. 22, 34 – 40

Es gibt eine Frau mit dem Namen Marietta Jaeger. Im Jahre 1973 wurde ihre 7-jährige Tochter entführt und ermordet. Ihre erste Reaktion war eine maßlose Wut: sie hätte am liebsten den Täter eigenhändig umgebracht. Als der Täter gefasst wurde, wurde noch deutlicher, wie unmenschlich seine Handlung war, als er die Einzelheiten erzählte. Aber es gab ein Gespräch zwischen ihm und der Mutter, und er hat dabei geweint und gesagt: „Ich wünschte nur, dass diese Last von mir genommen werden könnte.“

Die Mutter des Opfers fand eine neue Einstellung zu ihm. Sie sagte: „In den Augen Gottes ist der Entführer genau so kostbar wie meine Tochter...Ich arbeitete hart daran, mich daran zu erinnern, dass er ein Mitglied der menschlichen Familie ist, und ich versuche, jeden Tag für ihn zu beten.“

Sie sagte auch folgendes: „Mein Hauptanliegen ist, wie ich das Leben meiner Tochter würdigen kann. Ist es eine Würdigung meiner Tochter, wenn ich den Tod eines anderen Menschen wünsche? Oder würdige ich sie nicht besser, wenn ich bezeuge, dass das Leben grundsätzlich heilig ist, sogar das Leben jener, die grausame Verbrechen begehen.“

Hier sehen wir, wie es aussehen kann, wenn ein Mensch das Doppelgebot der Liebe verwirklicht: Liebe zu Gott und Liebe zu dem Nächsten. Diese Frau veranschaulicht, wie es aussehen kann, wenn man Gott mit dem ganzen Herzen und den Nächsten wie sich selbst liebt. Diese Art Liebe sieht Menschen mit den Augen Gottes. Wie die Frau sagte: „In den Augen Gottes ist der Entführer genau so kostbar wie meine Tochter...Ich arbeitete hart daran, mich daran zu erinnern, dass er ein Mitglied der menschlichen Familie ist, und ich versuche, jeden Tag für ihn zu beten.“ Diese Frau verkörpert eine vorbehaltlose Liebe zu Gott.

Aber wie kommt man dazu? Was diese Frau hier vorführt, scheint überirdisch zu sein. Es gibt hier eine Reihenfolge, die zu beachten ist. Zuerst muss man etwas empfangen. Liebe zu Gott ist nicht etwas, was man in sich selbst produzieren kann, indem man an sich arbeitet. Man kann nicht geben, was man nicht empfangen hat. Wer Gott lieben will, muss sich zuerst die Liebe Gottes aneignen.

Um sich die Liebe Gottes anzueignen, kann es eine große Hilfe sein, sich in die biblische Geschichte hineinzuversetzen, in der diese Liebe offenbart wird.

Dazu kann es hilfreich sein, auf Zusammenhänge zu achten. Der Text von dem Doppelgebot der Liebe, der für heute vorgesehen ist, hat einen bestimmten Kontext. Er beginnt mit den Worten:

„Als aber die Pharisäer hörten, dass er den Sadduzäern das Maul gestopft hatte,...“

Die Sadduzäer waren eine Gruppierung innerhalb des Judentums, die nicht an eine Auferstehung der Toten glaubten. Diese Weigerung hing damit zusammen, dass sie nur die ersten fünf Bücher Mose als heilige Schrift anerkannten. Und nach ihrer Einschätzung gab es in diesen 5 Büchern Mose keinen Hinweis auf eine Auferstehung der Toten. In einem Gespräch mit Jesus versuchten sie, die Vorstellung einer Totenauferstehung lächerlich zu machen. Aber Jesus führte vor, dass ihre Schriftkenntnisse mangelhaft waren. Er zitierte eine Stelle aus dem 2. Buch Mose, die bezeugt, dass Abraham, Isaak und Jakob zu den Auferstandenen gehörten. In diesem Zusammenhang sagte Jesus:

„Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“

Und hier ist die tiefste Grundlage der Liebe zu Gott. Ob wir leben oder sterben, ist Gott nicht egal. Unser ewiges Schicksal ist Gott nicht egal. Gott will mit jedem einzelnen Menschen eine ewige Gemeinschaft herstellen. Er will uns aus den Gräbern herausholen, damit wir in ihm ewige Geborgenheit genießen können.

Gott bietet uns das größte Geschenk, das man sich vorstellen kann: die Überwindung des Todes, so dass wir von unseren Geliebten nicht ewig getrennt bleiben müssen. Kann es ein größeres Geschenk geben, als diese Verheißung, dass die Trennung zwischen Lebenden und Verstorbenen nur etwas Vorläufiges ist? Dieses Geschenk ist so absolut ungeheuerlich, dass es nur eine Reaktion darauf geben kann: Liebe und Ehrfurcht Gott gegenüber.

'Statue of C.S. Lewis looking into a wardrobe', Genvessel

Wenn eine Mutter weiß, dass sie eines Tages ihre verstorbene Tochter in der ewigen Herrlichkeit Gottes wieder sehen wird, wird sie befreit, die Menschen so zu sehen, wie Gott sie sieht: als etwas Heiliges. Jeder Mensch ist deswegen heilig, weil wir alle Gott geweiht sind – in dem Sinne dass wir alle dazu bestimmt sind, Gott zu gehören in Ewigkeit. Wir Menschen gehören zuletzt alle zusammen, auch wenn es im Moment nicht so aussieht. Diese überwältigende Verheißung ist die tiefste Grundlage für das Doppelgebot der Liebe.

Es gab einen christlichen Schriftsteller mit dem Namen C. S. Lewis. Im Jahre 1943 schrieb er folgendes: „Wenn ich in mir eine Sehnsucht spüre, die keine Erfahrung dieser Welt erfüllen kann, so ist sie ein Hinweis, dass ich für eine andere Welt vorgesehen bin.“ Eine Sehnsucht, die in uns steckt, die keine Erfahrung dieser Welt erfüllen kann, ist die Sehnsucht nach einer unvergänglichen Gemeinschaft mit denen, die wir lieben. Die tiefste Trauer entsteht, wenn eine geliebte Person stirbt. Dementsprechend besteht die tiefste Sehnsucht darin, dass die abgrundtiefe Trennung zwischen Lebenden und Verstorbenen überwunden wird. Diese Sehnsucht wird Gott erfüllen. Deswegen ist Liebe nie umsonst und geht nie verloren. Deshalb lautet das höchste Gebot, Gott und den Mitmenschen zu lieben. Denn „die Liebe hört niemals auf“.

Die Abbildung 'Statue of C.S. Lewis looking into a wardrobe', Genvessel, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

^ Zum Seitenanfang

PSch