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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Thess. 4, 1 – 8 Warum Heiligung wichtig ist

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20. Sonntag nach Trinitatis: 1. Thess. 4, 1 – 8 Warum Heiligung wichtig ist

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

'Launch of Apollo 15', Evil Monkey, 2005

Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist in euch gibt.

1. Thess. 4, 1 – 8

Im Jahre 1962 wurde eine Weltallrakete gebaut, die den Planeten Venus erforschen sollte. 13 Minuten nach dem Start sollte sie eine Geschwindigkeit von 40.000 KM/Stunde erreichen. Nach 44 Minuten sollten sich 9.800 Solarenergiezellen entfalten; nach 80 Tagen würde ein Computer feine Korrekturen im Kurs einleiten und nach 100 Tagen sollte die Sonde den Planeten Venus umkreisen. Aber der ganze Aufwand war umsonst, denn 4 Minuten nach dem Start stürzte die Sonde in den Atlantik. Bei der Überprüfung stellte es sich heraus, dass das Unglück von einem kleinen menschlichen Fehler abhing: irgendjemand hat in dem Computerprogramm ein einziges Minuszeichen weggelassen. Dieses fehlendes Minuszeichen kostete in der damaligen Währung umgerechnet 17 Millionen Mark.

Dieses Ereignis kann als Gleichnis dienen. In unserem Text für heute steht ein Wort, das leicht zu übersehen ist. Es ist das Wort „Heiligung“. Und zweimal wird betont, dass Christusanhänger für Heiligung bestimmt sind. Es heißt: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung“; und es heißt: „Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung“.

'image of the planet Venus from the NASA', Yarl, 2006

Dieses Wort „Heiligung“ ist leicht zu übersehen, denn es handelt sich hier um einen Begriff, der in der heutigen Zeit als nicht sonderlich aktuell erscheint. Und Heiligung ist auch deswegen leicht zu übersehen, weil sie verwirklicht wird durch kleine Handlungen, die vergleichbar sind mit Minuszeichen. Ein Minuszeichen ist anscheinend eine Kleinigkeit; etwas, was man leicht vergessen kann. Aber ein Minuszeichen kehrt alles um. Durch ein Minuszeichen wird die Perspektive völlig umgekehrt. Und Heiligung ist wie der Einsatz eines Minuszeichens, denn sie kehrt alles um.

Was bedeutet das konkret? Heiligung kann z. B. durch Dankgebet vollzogen werden. Denn es heißt in dem 1. Timotheusbrief: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ Ein Dankgebet vor einer Mahlzeit ist scheinbar eine winzige Kleinigkeit, wie ein Minuszeichen. Aber durch ein Dankgebet wird die Nahrung, die man zu sich nimmt und die Lebenskraft, die sich daraus ergibt, Gott geweiht. Und das ist Heiligung. Heiligung heißt: etwas wird Gott geweiht. Und durch solche kleinen Weihehandlungen – wie Tischgebet oder durch spontane Dankgebete – wird das ganze Leben Gott geweiht.

Auch das Abendmahl ist eine scheinbar kleine Handlung: eine kleine Hostie wird gegessen, ein kleiner Schluck Wein wird getrunken; durch diesen kleinen Vorgang wird die Gnade Gottes empfangen, aber diese bescheidene Handlung ist auch wie ein Minuszeichen, das die Perspektive eines Lebens völlig umkehrt. Durch die Danksagung einer Abendmahlsfeier wird ein Leben Gott geweiht. Und das ist Heiligung.

Dieser Begriff „Heiligung“ gehört normalerweise nicht zu dem Wortschatz eines evangelischen Christen. Aber für die Bibel ist dieser Begriff zentral. Im 3. Buch Mose heißt es: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der HERR, euer Gott.“ (3. Mose 19, 2). Und in dem 1. Petrusbrief wird diese alttestamentliche Stelle zitiert und als Anliegen der Christenheit bestätigt, denn es heißt: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«

Heilig sein bedeutet nicht moralisch einwandfrei sein, sondern heilig sein bedeutet, dass das eigene Leben immer wieder Gott gewidmet wird. Und Dankgebet oder die Danksagung der Abendmahlsfeier sind zwei Möglichkeiten, wie man Heiligung vollziehen kann.

'Das Abendmahl', Leonardo da Vinci, 1495-1497

Aber Heiligung setzt voraus, dass Gott im Mittelpunkt eines Lebens bleibt. Heiligung ist nicht bloß eine technische Handlung, sondern eine Haltung, eine Einstellung. Als Beispiel für diese Haltung der Heiligung könnte man Leonardo da Vinci nehmen. Eines seiner berühmtesten Bilder ist das Abendmahlsbild. Als dieses Bild zum ersten Mal veröffentlicht wurde, gab es in einer Ecke des Bildes ein kleines Schiff. Und fast alle Betrachter waren von diesem kleinen Schiff fasziniert, denn da Vinci hatte drei Wochen gebraucht, um das Schiff zu malen und er hat viel liebevolle Kleinarbeit in das Schiff gesteckt. Aber als er merkte, wie viel Aufmerksamkeit dieses Schiff auf sich zog, übermalte er das Schiff. Denn Jesus sollte den Mittelpunkt des Bildes darstellen und nichts sollte die Betrachter vom Blick auf Jesus ablenken. Und diese Haltung, die da Vinci hier zeigt, könnte man die Haltung der Heiligung nennen. Denn für einen Christusanhänger ist Jesus der Brennpunkt des Lebens, und alles, was im Leben vorkommt, sollte auf diesen Brennpunkt bezogen sein. Wenn etwas von Jesus ablenkt, dann soll es ausgeblendet werden. Das ist Heiligung.

Heilig sein ist nicht dasselbe wie asketisch leben. Ein Christ darf und soll die Freuden des Lebens genießen. Aber der Prüfstein dabei ist immer wieder Dankgebet. Alles, was mit Dankgebet empfangen wird, wird dadurch geheiligt. Aber nicht alles lässt sich mit Dankgebet empfangen. Kein Drogensüchtiger z.B. könnte vor einer Heroinspritze ein Dankgebet aussprechen. Oder wenn man betrunken ist, wird man kein aufrichtiges Dankgebet vor dem nächsten Glas aussprechen können. Wenn ein Mensch seine Autorität missbraucht und einen anderen Menschen durch Machtmissbrauch erniedrigt, wird man dabei kein Dankgebet an Gott richten können, dass man so mächtig ist. Wenn ein Mensch völlig disziplinlos oder genusssüchtig lebt, wird man kein Dankgebet an Gott richten können für diesen Freiheitsmissbrauch.

Biblische Gebote können in dieser Hinsicht Orientierung bieten. Es heißt z. B. in unserem Text für heute: „Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel.“ Dementsprechend ist es undenkbar, dass ich z. B. an der Kasse eines Supermarkts aus Versehen zu viel Rückzahlung bekomme und daraufhin ein Dankgebet an Gott für das zusätzliche Geld richte.

Und wenn ein Mensch verbittert ist und meint, dass das Schicksal ihn ungerecht behandelt hat, ist trotzdem Dankgebet vorgesehen. Denn auch in der dunkelsten Situation wird Dankgebet von Christen erwartet, damit das Leben immer wieder Gott geweiht wird, auch wenn nicht alles so läuft, wie man sich das wünscht. Wie es in dem 1. Thessalonicherbrief heißt:

'Das Abendmahl, Detail', Leonardo da Vinci, 1495-1497

„Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.“

Es ist tatsächlich möglich, in allen Situationen Dank zu sagen – auch in einer unzumutbaren Situation – denn wir sind durch die Gnade Gottes in Ewigkeit geborgen; Dankbarkeit ist die einzige angemessen Reaktion auf dieses große Geschenk. Auch die Sorgen und Belastungen des Lebens sollen zu der Herrlichkeit beitragen, für die wir vorgesehen sind.

Deswegen ist Dankgebet in einer düsteren Situation etwas Urchristliches. Denken Sie z. B. an das Lied „Nun danket alle Gott“, ein strahlendes Dankgebet, das in einer finsteren Pest- und Kriegszeit entstanden ist, als es scheinbar keinen Grund gab, Gott zu danken. Oder es gab einen lutherischen Pfarrer in Rumänien, der während der Zeit des kommunistischen Regimes 14 Jahre im Gefängnis verbrachte, wo er ständig misshandelt wurde. Er verbrachte 3 Jahre in Einzelhaft, 7 Meter unter der Erdoberfläche. Als er in dieser finsteren Einzelhaft war, ist er fast wahnsinnig geworden. Aber er traf dabei eine Willensentscheidung. Er entschied sich dafür, Gott zu loben – als Akt des Gehorsams, nicht weil er Lobgesang in seinem Herzen empfand. Und als er in seinem Lob ausharrte, entdeckte er – wie er berichtete – eine Schönheit des Lebens in Christus, die er vorher nicht für möglich gehalten hätte. Er erlebte himmlische Visionen. Und er erlebte, dass er nicht allein war in der Einzelhaft, sondern dass Gott mit ihm war. So kann Heiligung aussehen. Sie fängt mit einer Willensentscheidung an, die manchmal gegen das eigene Herz gerichtet ist.

Es gab einen holländischen Rabbi, der 48 Jahre lang die jüdische Gemeinde in Haarlem betreut hatte. Zum Thema Heiligung schrieb er etwas, was nicht nur für Juden, sondern auch für Christen gilt. Er zitierte die Stelle aus dem dritten Buch Mose, die vorhin erwähnt wurde: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott“ und schrieb dann folgendes dazu:

Diesem Aufruf soll das Leben gewidmet sein. Zu leben, das Leben zu akzeptieren, es zu genießen und es voll zu nutzen – aber es zu heiligen. Mit all seiner Liebe und seinen Sorgen, mit all seinen Segnungen und Gefahren, mit all seinem Glück und Kummer. In schweren Zeiten und in Zeiten des Wohlstands. Heiligung all unserer Handlungen und unseres Verhaltens, alles, dessen wir uns erfreuen dürfen, ob wichtig oder unwichtig, ob groß oder klein. Zu allen Zeiten und für immer.“

Möge Gott uns helfen, seine Gnade in Dankbarkeit anzunehmen, damit alles, was im Leben vorkommt, geheiligt wird. Amen.

Die Photographien 'Launch of Apollo 15', Evil Monkey, 2005 sowie 'image of the planet Venus from the NASA', Yarl, 2006, sind gemeinfrei (public domain), da sie von der NASA erstellt worden sind. Die NASA-Urheberrechtsrichtlinie besagt, dass „NASA-Material nicht durch Urheberrecht geschützt ist, wenn es nicht anders angegeben ist“.
Das Gemälde 'Das Abendmahl', Leonardo da Vinci, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Gemälde 'Das Abendmahl, Detail', Leonardo da Vinci, 1495-1497, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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