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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Petrus 5, 5c – 11 Verschwörungstheorien

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'World conspiracies pyramid. New World Order', 2008, DieScreamie

15. Sonntag nach Trinitatis

Verschwörungstheorien 1. Petrus 5, 5c – 11

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 1. Petrus 5, 5c – 11

Der Schriftsteller G. K. Chesterton, der die Pater Brown Detektiv-Geschichten schrieb, war ein frommer Katholik. Und vor etwa 100 Jahren sagte er folgendes: „Wenn Menschen nicht mehr an Gott glauben, werden sie nicht an Nichts glauben, sondern sie werden alles glauben.“ Diese Behauptung scheint zutreffend zu sein. Denn wir leben in einem Zeitalter, in dem der Glaube an Gott offenbar abnimmt. Das Ergebnis dieser zunehmenden Gottlosigkeit aber ist nicht eine Glaubensskepsis, die an nichts glaubt, sondern eine naive Glaubensanfälligkeit, die alles glauben kann. Denn die Menschen heute sind dazu fähig, den verrücktesten Schwachsinn zu glauben. Und es gibt einen Namen für diese neue Religiosität, die fähig ist, an alles zu glauben. Diese neue Religiosität heißt „Verschwörungstheorien“.

'Princess Diana', 1987, Rick

Anhänger von Verschwörungstheorien meinen, dass sie ein Geheimwissen besitzen, das in der Öffentlichkeit unterdrückt wird. Dieses Geheimwissen besteht fast unweigerlich aus einer zynischen Erklärung für öffentliche Vorgänge.

Es gibt in der heutigen Zeit so viele Verschwörungstheorien, dass sie ganze Bücher füllen. Wenn man im Internet nach Verschwörungstheorien sucht, kann man mehr als eine Million Websites zu diesem Thema finden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

  • Die Terroranschläge des 11. Septembers waren angeblich nicht nur von islamistischen Terroristen durchgeführt, sondern die Bush-Regierung hat angeblich die Situation schnell ausgenutzt und das Pentagon mit einer Cruise-Rakete angegriffen, und hat behauptet, dass dieser Angriff auf das Pentagon zu den Terroranschlägen des 11. Septembers gehörte. Denn Bush wollte unbedingt Afghanistan angreifen und hat eine Rechtfertigung dazu inszeniert. Diese Verschwörungstheorie war in einem Buch nachzulesen, das in Frankreich 6 Monate nach den Anschlägen erschien. Das Buch wurde sofort ein Bestseller, es gab eine Zeit als 100.000 Ausgaben pro Woche verkauft wurden.
  • Princess Diana war angeblich nicht das Opfer eines zufälligen Autounfalls, sondern der britische Geheimdienst hat ihren Unfall inszeniert, damit sie Enthüllungen über die königliche Familie nicht veröffentlichen könnte.
  • 'Diana's coffin borne through the streets of London', 2005, PaddyBriggs
  • Die erste Mondlandung am 21. Juli 1969 hat angeblich niemals stattgefunden. Die Landung wurde in Wirklichkeit in einem amerikanischen Filmstudio in Hollywood vorgetäuscht.
  • Rheinland-Pfalz ist komplett untertunnelt und dient als geheime Ufo-Basis für Außerirdische.

Bei Verschwörungstheorien gibt es zwei Instanzen, die besonders beliebt sind, denen scheinbar alles zuzutrauen ist, nämlich die CIA und die katholische Kirche. Zum Beispiel: Der Aids-Erreger HIV ist angeblich nicht durch zufällige Mutation entstanden - sondern das Ergebnis gezielter Experimente in geheimen Laboren in den USA. Von der CIA wurde und wird das Virus gezielt zur Bevölkerungskontrolle eingesetzt.

Und im Vatikan gibt es angeblich Geheimkellerräume, wo sensationelle Dokumente versteckt sind. Zum Beispiel sollen dort echte, ursprüngliche Evangelien, Qumranschriften, oder geheime Dokumente begraben sein, welche die wahre Geschichte Jesu Christi darstellen, und wenn sie an die Öffentlichkeit kämen, würde die katholische Kirche wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Verschwörungstheorien sind im Moment zwar sehr viel verbreiteter als jemals zuvor, aber es hat sie immer gegeben, sie sind so alt wie die Christenheit und das Judentum. Denn Christen und Juden sind beliebte Objekte von Verschwörungstheorien. Es gibt eine Reihe von Büchern, die z. B. behaupten, dass Jesus nach seiner Kreuzigung nur Scheintot war, dass er von seinen Jüngern wiederbelebt wurde und dass sie seine Auferstehung und seine Göttlichkeit erfanden, weil sie machtbesessen waren und mit einer neuen Religion ihre Machtgelüste auskosten wollten. Einmal in einer Jugendgruppe habe ich diese Theorie erwähnt, für die es keine historischen Anhaltspunkte gibt, und musste erschrocken feststellen, dass manche in der Gruppe bereit waren, zu glauben, dass eine solche Theorie möglicherweise wahr sein könnte. Und sie waren bereit, diese Theorie zu glauben, weil sie so zynisch ist. Angeblich ist jede Theorie glaubhaft, die eine verächtliche, boshafte Darstellung bietet.

'Dan Brown', Philip Scalia

Im Bereich des christlichen Glaubens ist es erschreckend, wie leicht es ist, mit Verschwörungstheorien Menschen zu verführen. Das jüngste Beispiel ist ein Kriminal-Roman, der weltweit eine religiöse Kulterscheinung geworden ist. Der Roman heißt auf Deutsch: „Das Sakrileg“ und schätzungsweise 10 Millionen Ausgaben sind verkauft worden. In diesem Roman geht es um eine Verschwörung der Christenheit. Angeblich gibt es Dokumente, die beweisen, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war, dass Jesus diese Maria als Leiterein der Urgemeinde eingesetzt hatte, dass aber Petrus und die Jünger sich selbst als Kirchenleitung durchgesetzt hatten – weil sie machtbesessen und frauenfeindlich waren - und die Bibel dementsprechend verfälscht hatten, indem sie die ursprünglichen Evangelien unterdrückten und Lügengeschichten erfanden. Außerdem war die Göttlichkeit Jesu angeblich eine Erfindung der konstantinischen Christenheit, mit der seine wahre Menschlichkeit geleugnet werden sollte, damit niemand auf die Idee kommen könnte, dass er Kinder hatte, was aber – nach diesem Roman – doch eingetreten ist. Denn die Geburt der Tochter Jesu geschah heimlich in Frankreich. Und die Nachkommen von Jesus und Maria leben dort bis heute. Die katholische Kirche weiß das alles natürlich und versucht um jeden Preis, diese verborgenen Wahrheiten zu unterdrücken, weil sie natürlich nicht wahrheitsliebend ist, sondern kaltblütig und machtbesessen. Der Autor dieses Romans bietet eine Fülle von angeblich historischen Informationen und behauptet, dass alle historischen Angaben des Romans echt sind, das sie das Ergebnis seiner sorgfältigen Forschung sind.

Dieser Roman, der eine fiktive Geschichte erzählt, wird von vielen Menschen für eine Enthüllung der Wahrheit gehalten. Dieser Roman ist für viele eine neue Bibel, die offenbar Bekehrungserlebnisse auslöst. Sie vertrauen blind, dass alles, was hier über die Christenheit erzählt wird, zutreffend ist. Sogar Redakteure, die Kritiken dieses Bestsellers für ihre Zeitungen geschrieben haben, preisen die historische Genauigkeit dieses Romans. Es ist erschreckend, wie leichtfertig eine absurde Geschichte, die eine reine Erfindung ist, für historisch zutreffend gehalten wird.

Wie ist so etwas möglich? Es gibt verschiedene Erklärungen dafür. Aber die Haupterklärung liegt darin, dass solche Verschwörungsgeschichten, die absolut zynisch sind, einen Religionsersatz bieten. Wir leben in einem zynischen Zeitalter, in dem es erlaubt ist, jedes Thema mit Spott und Hohn zu behandeln. Es kommt gut an, wenn traditionelles Christentum – besonders katholisches Christentum - bissig, verächtlich, und herabwürdigend behandelt wird. So wie man im Mittelalter den Juden alles zugetraut hatte – z. B. dass sie Brunnenvergifter und Hostienschänder waren, dass sie heidnisches Säuglingsblut für ihren Mazzabackteig brauchten – so wird heute dem historischen Christentum alles zugetraut, denn angeblich ist nur kaltblütiger Zynismus in der Lage, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen.

Und diese menschenverachtende Haltung hat etwas mit unserem Text für heute zu tun. In dem ersten Petrusbrief wird vor dem Teufel gewarnt. Wie es heißt, er „geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ Eine zeitgemäße Erscheinungsform des Teufels sind die giftigen Verschwörungstheorien, die menschenverachtend sind, die eine schädliche Wirkung auf den menschlichen Geist haben. Sie finden Anhänger, denn sie sprechen die menschliche Eitelkeit an. Man kann das Gefühl haben, zu einer Elitenminderheit zu gehören, die den schlauen Durchblick hat. Es ist wie in dem Kinderspiel: „Ich weiß etwas, was du nicht weiß“, man kommt sich stark und wichtig vor, wenn man etwas weiß, was die unaufgeklärte Menschheit angeblich nicht weiß.

Der Petrusbrief macht Vorschläge, wie ein Christusanhänger Widerstand leisten kann gegen die Angriffe des Teufels. Es heißt:

„So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht.“

Sich demütigen heißt konkret, sich mit dem „gewöhnlichen“ christlichen Glauben zufriedenzugeben, sich mit „gewöhnlichem“ Gottvertrauen zufriedenzugeben. Denn schon damals im 1. Jahrhundert gab es Gruppierungen, die sagten: der überlieferte christliche Glaube ist zu gewöhnlich und ist außerdem eine Verfälschung. Das waren die Gnostiker, die Verschwörungstheoristen der damaligen Zeit, die behaupteten, dass es eine Geheimlehre Jesu gab, die nur an besonders Eingeweihte überliefert wurde. Diese Gnostiker wollten nicht zu der gewöhnlichen Christenheit gehören, sondern sie haben eine Elitenminderheit gebildet und ihre eigenen Evangelien geschrieben. Sie haben sich selbst erhöht. Und der Petrusbrief schreibt dementsprechend:

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes.

Und sich demütigen heißt auch, sich Disziplin zu unterziehen. Eine Disziplin, die in der heutigen Zeit unentbehrlich ist, ist das ständige Lernen. Man darf nie aufhören, zuverlässige Geschichte zu lernen. Dass der Roman „Das Sakrileg“ so verführerisch wirken kann, ist nur deswegen möglich, weil zu viele Menschen zu wenig Geschichte wissen. In der heutigen Zeit brauchen wir Christen eine zuverlässige historische Grundlage. Denn der Angriff des Teufels besteht heutzutage darin, absurde Theorien über die Entstehung der Christenheit zu verbreiten, die den christlichen Glauben untergraben. Dazu sagt unser Text:

Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben.

Möge Gott uns dazu helfen. Möge Gott uns helfen, den sogenannten gewöhnlichen christlichen Glauben anzunehmen, und das Wissen anzueignen, das notwendig ist, um diesen Glauben zu verteidigen. Amen.

Die Abbildung 'World conspiracies pyramid. New World Order', 2008, DieScreamie, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.
Die Photographie 'Princess Diana', 1987, Rick ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.
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