Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matt. 5, 13 – 16 Salz und Licht

« Predigten Home

'A close up of salt crystals', Mark Schellhase, 2008

8. Sonntag nach Trinitatis

Salz und Licht Matt. 5, 13 – 16

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Matt. 5, 13 – 16

Als ich 21 Jahre alt war, wurde ich in die Armee eingezogen, denn es gab damals eine allgemeine Wehrpflicht, der nicht so leicht zu entkommen war. Eingezogen zu werden bedeutet, dass es zunächst kaum noch Privatleben gibt. Man wohnt in einer Baracke, in einem großen Raum mit etwa 20 oder 30 Personen zusammen. In solch einer Situation kann man die eigene Glaubenshaltung nicht verstecken. Als gläubiger Mensch fiel ich auf, und es kam deshalb öfters vor, dass ich herausgefordert wurde, meine Glaubenseinstellung zu erläutern oder zu verteidigen.

Ich erinnere mich an ein Gespräch, als jemand zu mir sagte: „Für mich kommt christlicher Glaube nicht in Frage, denn ich will das Denken nicht aufgeben.“ Heute wäre es für mich kein Problem, auf eine solche Aussage zu reagieren. Aber damals wusste ich nicht, was ich erwidern sollte. Ich erinnere mich noch deutlich daran, dass die Atmosphäre im Raum für mich bedrückend wurde, weil dieser Skeptiker eine negative Ausstrahlung hatte, und ich hatte nichts dagegen zu setzen. Aber dann kam einer, der auch in dieser Baracke wohnte, den ich als bewusst gläubiger Christ kannte. Er wurde sofort in die Diskussion einbezogen und von dem Skeptiker herausgefordert. Der Neudazugekommene hat nicht viel gesagt, aber trotzdem veränderte sich die Atmosphäre im Raum. Dieser Christ strahlte eine gelassene Besonnenheit aus, die viel aussagekräftiger war als alle Argumente. Ich werde nie vergessen, wie wohltuend seine Anwesenheit war. Es war, als ob Christus selber in den Raum gekommen wäre. Es kam überhaupt nicht darauf an, ob er etwas Schlaues gesagt hätte oder nicht. Sein Intaktsein war sein Glaubenszeugnis. Und ganz gewiss hat er selber nicht gemerkt, wie er in dieser Situation gewirkt hatte. Wahrscheinlich dachte er, dass er nicht sonderlich hilfreich gewesen war.

Diese Begebenheit veranschaulicht, was der Matthäustext verkündet, der für heute vorgesehen ist. Jesus sagte: Ihr seid das Salz der Erde; ihr seid das Licht der Welt. Er sagte nicht: Ihr sollt gefälligst Salz und Licht sein. Er sagte nicht: strengt euch an, arbeit an euch selbst, damit ihr Salz und Licht werdet. Und er sagte nicht: ihr werdet eines Tages Salz und Licht sein, nachdem ihr euch verbessert habt. Sondern seine Aussage ist rein indikativ: Ihr seid schon jetzt Salz der Erde und Licht der Welt. Wer zu Jesus gehört, kann das einfach nicht verstecken. Besonders da, wo Menschen etwas Negatives, etwas Finsteres oder etwas Steriles ausstrahlen, wird die Helligkeit oder die würzende Wirkung eines Christen auf irgendeine Weise zur Geltung kommen.

'The wooden cross outside the East end of Guildford Cathedral', Vox Humana 8', 2007

Es gibt einen Universitätsprofessor, der anfing, regelmäßig die Gottesdienste einer Gemeinde zu besuchen. Als der Pfarrer das merkte, versuchte er, die Qualität seiner Predigten zu steigern, um diesen Akademiker für eine dauerhafte Zugehörigkeit zur Gemeinde zu gewinnen. Eines Tages kam er ins Gespräch mit diesem Professor. Er versuchte, indirekt und unauffällig herauszufinden, warum dieser Gelehrte so regelmäßig im Gottesdienst war. Er hatte gehofft zu erfahren, dass der regelmäßige Gottesdienstbesuch mit der Qualität seiner Predigten zu tun hatte. Aber dieser Professor nannte einen anderen Grund, warum er Teil dieser Gemeinde sein wollte. Was ihn fast unwiderstehlich angezogen hatte, waren nicht so sehr die Predigten, sondern eine ältere Frau in der Gemeinde, die ihm vermittelte, dass er herzlich willkommen und dass seine Anwesenheit wichtig war. Wahrscheinlich hat diese Frau gar nicht gemerkt, wie sie auf den Akademiker gewirkt hatte. Aber solche Menschen sind Salz und Licht dieser Erde.

Jesus sagte:

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? ...Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

Jesus beschreibt hier Begebenheiten, die einfach vorkommen. Wir brauchen als Gemeinde nichts besonderes zu tun, außer unsere Identität zu bewahren. Denn es ist möglich, die Identität zu verlieren. Deswegen spricht Jesus von Salz, das geschmacklos geworden ist. Unsere Identität hängt mit dem Kreuz zusammen. Ohne Kreuz ist unser Glaube wie Salz ohne Geschmack.

'The Hollywood Sign', Oreos, 2006

Es gibt in Hollywood eine lutherische Kirche mit dem Namen Hope Lutheran Church. 47 Jahre lang war ein Mann Namens Hubert Rasbach Pfarrer an dieser Gemeinde. Seinen Sohn hatte ich kennen gelernt, als ich Theologie studierte. Dieser Pfarrer Rasbach war mit Hollywood Regisseuren befreundet und diente als religiöser Berater, wenn biblische Spielfilme produziert wurden. Er hatte z. B. eine beratende Mitwirkung in dem Spielfilm „Ben Hur“. In diesem Film wird die Kreuzigung Jesu dargestellt. Für seine hilfreiche Beratung bekam er als Dankgeschenk das Kreuz, das in diesem Film als Kreuz Jesu verwendet wurde. Dieses Kreuz war überdimensional groß: es war 3 Meter hoch. Es passte nicht in die Kirche hinein und wurde im Freien vor der Kirche aufgestellt. Im Laufe der Zeit entstand ein Protest aus der Nachbarschaft. Für die Nachbarn war dieses Kreuz, das unübersehbar war, ein Dorn im Auge. Es gab eine Unterschriftaktion und eine Bürgerinitiative: schließlich musste die Gemeinde das Kreuz entfernen.

Es ergibt sich die Frage: warum konnten die Menschen, die in der Nachbarschaft dieser lutherischen Kirche wohnten, es nicht ertragen, dieses große Kreuz in ihrer Nähe zu haben? Warum nicht einfach akzeptieren, dass eine christliche Gemeinde das Recht hat, ein Symbol ihres Glaubens öffentlich zu zeigen? Offensichtlich hängt es damit zusammen, dass dieses Kreuz einfach unübersehbar war. Und das war das Ärgernis. In der Sprache Jesu, dieses Kreuz war wie eine Stadt, die auf einem Berge liegt, die nicht verborgen sein kann.

Aber das eigentliche Ärgernis ist die Botschaft des Kreuzes. Das Kreuz steht im Widerspruch zu dem, was Menschen sonst glauben wollen.

  • Für Menschen, die bequem und unbekümmert leben wollen, ist das Kreuz ein Stachel.
  • Für Menschen, die nicht wahrhaben wollen, dass sie verwundbar und vergänglich sind, ist das Kreuz eine Erinnerung an die Vergänglichkeit aller Dinge.
  • Für Menschen, die das Leiden der Welt verdrängen wollen, ist das Kreuz eine Erinnerung an unschuldiges Leiden.
  • Für Menschen, die unversöhnlich sind, steht das Kreuz für die Worte Jesu: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
  • Für Menschen, die es ablehnen, ein Kreuz zu tragen, ist das Kreuz ein Symbol für geduldiges Ertragen des Unzumutbaren.
  • Für Menschen, die nur Arbeit, Konsum und Genuss als Lebensinhalt kennen, ist das Kreuz ein Auferstehungssymbol, das verkündet: du lebst nicht bloß für dich selbst, sondern Du wirst eines Tages vor Gott stehen und erleben, wozu du geschaffen bist.
  • Für Menschen, die ein ungeklärtes Verhältnis zu Gott haben, verkündet das Kreuz die Botschaft: in Jesus am Kreuz hat sich Gott ein für allemal offenbart; hier ist der Weg zu Gott; hier ist der Weg Gottes zu uns Menschen.
'Martin Luther als Prediger Predella des Cranach Altars in der Stadtkirche St. Marien der Lutherstadt Wittenberg 1547', 2006, Torsten Schleese

Es ist unsere Aufgabe als Christen, alles zu verinnerlichen, wozu das Kreuz steht. Ein Christsein ohne Kreuz ist wie Salz ohne Geschmack.

Der Gottesdienst spielt dabei eine unentbehrliche Rolle. Der Gottesdienst bewahrt unsere Identität als Salz und Licht. Eine Gemeinde, die Gottesdienst unter dem Zeichen des Kreuzes feiert, zündet ein Licht an, das die ganze Welt erleuchtet. Eine Gemeinde, die Gott in dem gekreuzigten Jesus anbetet, ist das Salz der Erde.

Die nicht-christliche Welt wird nicht verstehen können, warum der Gottesdienst so ausschlaggebend ist. In diesem Zusammenhang gibt es ein Gleichnis, das von dem Philosophen Platon stammte. Er erzählte von einem Schiffskapitän, der anhand der Sterne versucht hatte, seine Position am Meer zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt war es nicht allgemein bekannt, dass die Sterne als Orientierungspunkte dienen können. Die Mannschaft beobachtete den Kapitän, wie er andauernd nach den Sternen schaute, und wurde misstrauisch. Die Matrosen fragten sich, warum schaut er andauernd zum Himmel? Jeder vernünftige Mensch weiß, dass ein Schiff am Wasser segelt, und dass man anhand von Wind, Strömungen und Gehzeiten die Position ermittelt. Schließlich kam die Mannschaft zu der Schlussfolgerung, dass der Kapitän geisteskrank sein musste. Sie nahm ihn fest und schloss ihn in eine Kabine ein. Und es kam zu einem Schiffbruch.

Wenn wir Christen Gottesdienst feiern, schauen wir in eine himmlische Welt, um uns zu orientieren. Wir schauen dorthin, wo Himmel und Erde sich berühren, in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus. Für Menschen, die nur das Sichtbare, das Vergängliche und das Vorläufige kennen, wirkt ein Gottesdienst wie Weltflucht, fast wie Geisteskrankheit. Der Gottesdienst ist wie das Kreuz Jesu: er steht im Widerspruch zu den gängigen Denkweisen dieser Welt. Deshalb ist der Gottesdienst so wertvoll. Deshalb ist er Salz und Licht. Der Gottesdienst gibt uns eine Ausstrahlung, die wir selber nicht merken können. Aber diejenigen, die sich in irgendeiner Finsternis befinden, werden diese Ausstrahlung sehen. Möge Gott uns helfen, unsere Identität zu bewahren und zu pflegen, damit wir die Rollen erfüllen, für die wir von Gott vorgesehen sind: Salz der Erde und Licht der Welt zu sein.

Das Bild 'A close up of salt crystals', Mark Schellhase, 2008, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.
Die Photographien 'The Hollywood Sign', Oreos, 2006, sowie'The wooden cross outside the East end of Guildford Cathedral', Vox Humana 8', 2007, wurden unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Dateien unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Das Bild 'Martin Luther als Prediger Predella des Cranach Altars in der Stadtkirche St. Marien der Lutherstadt Wittenberg 1547', 2006, Torsten Schleese, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

^ Zum Seitenanfang

PSch