Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Eph.5, 8b – 14 Ein „Arbeiterparadies“ in Schottland

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'Interior of the Cathedral of Holy Resurrection in Stanisławów', Gryffindor, 2009

8. Sonntag nach Trinitatis

Ein „Arbeiterparadies“ in Schottland Eph.5, 8b – 14

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Eph.5, 8b – 14

In den Ruinen einer alten Fabrik in Schottland wurde ein Dokument entdeckt: es ging um Vorschriften für Büroarbeiter aus dem Jahre 1852. Es gab folgende Regelungen:

„Die Firma hat die Arbeitsstunden reduziert. Die Mitarbeiter müssen nur noch von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr arbeiten. Tägliches Gebet gibt es jeden Morgen im Hauptbüro; die Mitarbeiter werden anwesend sein. Die Kleidung der Mitarbeiter muss nüchtern sein: helle Farben sind nicht erlaubt. Ein Ofen steht den Mitarbeitern zur Verfügung; es wird jedem Mitarbeiter empfohlen, während der kalten Jahreszeit täglich vier Pfund Kohlen mitzubringen. Ohne Erlaubnis darf niemand das Arbeitszimmer verlassen. Das Verlangen nach Tabak, Wein und Schnaps ist eine menschliche Schwäche und solche Laster sind deshalb den Mitarbeitern verboten. Weil die Arbeitszeit so drastisch reduziert worden ist, darf zwischen 11.30 und 12.00 Uhr zu Mittag gegessen, aber die Arbeit darf auf gar keinen Fall unterbrochen werden. Diese neuen Arbeitsvorschriften sind großzügig; unter solch paradiesischen Zuständen wird mit einer enormen Steigerung der Arbeitsleistung gerechnet.“

Diese Arbeitsbedingungen wurden im Jahre 1852 als „paradiesisch“ bezeichnet. Wenn eine Firma heute versuchen würde, solche „paradiesischen Zustände“ einzuführen, würden die Mitarbeiter streiken; Gewerkschaften würden von Ausbeutung und Unterdrückung reden.

Stellen Sie sich folgendes vor: ein Arbeiter von dieser schottischen Firma damals steigt in eine Zeitmaschine und erlebt die Arbeitswelt heute. Vorausgesetzt, dass er alle Eindrücke unserer Zivilisation verkraftet, würde er irgendwann merken, dass er im Jahre 1852 wie ein Sklave behandelt wurde. Der Wechsel von damals zu heute wäre für ihn wie eine Befreiung von Finsternis, von Knechtschaft, von Unmündigkeit. Es wäre für ihn so, als ob er entdeckt hätte, was Leben wirklich bedeutet.

Mit diesem Beispiel als Gleichnis können wir vielleicht nachvollziehen, was Paulus in unserem Epheserbrief-Text für heute vermitteln will. In diesem Text geht es um den Gegensatz zwischen Licht und Finsternis. Licht und Finsternis sind hier absolute Gegensätze: zwischen ihnen gibt es keine Abstufungen. Entweder man gehört zu dem Licht, was erkennbar wird durch sogenannte Früchte des Lichtes – wie z. B. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Oder man gehört zu der Finsternis, und Finsternis hat keine Früchte, sondern Werke, denn Finsternis erzeugt eine sterile Lebensweise. Denn Finsternis ist wie ein Schlaf, wie Todsein, wie Versklavung. Paulus redet deshalb von den „unfruchtbaren Werken der Finsternis“. Ein Bibelausleger, Hans Conzelmann, kommentiert zu dieser Stelle: „Wir sind nicht leblose Objekte; wir vollziehen in eigener Aktivität, was wir sind (in unserem „Wandel“). Das Licht trägt seine Früchte...auf der anderen Seite gibt es nicht „Früchte“, sondern „Werke“ der Finsternis; denn diese sind zwar Aktionen; aber sie bleiben steril.“

'Shade and Darkness - the Evening of the Deluge', 1843

Das Problem ist, dass Menschen, die zu der Finsternis gehören, gar nicht merken, dass sie in der Finsternis sind. Sie sind vergleichbar mit den Arbeitern jener Firma in Schottland im Jahre 1852. Sie meinen, dass es ihnen gut geht, dass es Ihnen nicht besser gehen könnte, dass es nichts Besseres geben kann als das Leben, so wie sie das Leben jetzt erleben. Sie merken nicht, dass ihnen etwas Grundsätzliches fehlt.

Es gab vor einigen Jahren im amerikanischen Fernsehen eine berühmt gewordene Werbeserie. Es ging um Bier. Und in dieser Werbung sah man Männer in verschiedenen Situationen, die man als paradiesisch bezeichnen könnte. Zum Beispiel in einer Szene saßen Angler in einem Boot – es gab strahlenden Sonnenschein, die Landschaft war malerisch. Die Angler waren gut gelaunt. Dann hat einer eine Bierdose aus einer Eiskiste geholt, - der Zuschauer sah dabei deutlich, um welche Biermarke es sich handelt; der Angler hat die Dose geöffnet, trank genussvoll einen Schluck Bier und sagte: „Es kann im Leben nichts Besseres geben als diesen Moment“. Diese Werbung entspricht auch der Denkweise unserer Bevölkerung: es gibt scheinbar nichts Besseres im Leben als Genuss: die Natur genießen, Essen und Trinken genießen, menschliche Wärme und Gemeinschaft genießen. Was könnte besser sein? Scheinbar fehlt nichts.

Aber es fehlt doch etwas. Es gibt eine Lücke, die nicht zu füllen ist. Dass diese Lücke da ist, merkt man an der Raffgier der Menschen. Zum Beispiel: in der letzten Woche gab es in einer Tageszeitung einen Bericht über sinnlosen Diebstahl am Hauptbahnhof in Frankfurt. Dort werden sogenannte Kofferkulis gestohlen. In den vergangenen Jahren sind etwa 1200 solcher Transportwagen für Koffer gestohlen worden. Im Januar gab es noch 90; jetzt gibt es nur noch 40. Die Frage ist: wozu klaut man einen mobilen Gepäckträger? In dem Zeitungsartikel wurde gefragt: „Was macht man zu Hause mit einem Transportgerät aus Metall, das für die Fortbewegung von Babys auf Anhieb ebenso wenig geeignet erscheint wie für die Bewältigung komplexer Wohnungsumzüge oder die tägliche Pendelei zur Arbeit? Nicht jeder verspürt schließlich regelmäßig den Wunsch, einen oder mehrere Koffer etwa von seinem Schlafzimmer ins Wohnzimmer zu transportieren.“ Es wurde weiter gefragt: Will man darauf Blumen pflanzen, seine Kinder damit zur Schule fahren, die Picknickausrüstung samt Decke und Sonnenschirm auf den Lohrberg karren, oder regelmäßig seine Wasserkisten damit holen? Mit anderen Worten: scheinbar werden diese Kofferkulis geklaut - einfach weil es so leicht ist, sie zu klauen; es spielt keine Rolle, ob man sie wirklich braucht oder nicht – und es spielt erst recht keine Rolle, dass Reisende mit schwerem Gepäck sie brauchen.

Und dies ist ein typisches Merkmal unserer heutigen Welt. Unsere Bevölkerung ist raffgierig. Fast aller Diebstahl, der heute vorkommt, ist unnötig. Man könnte ihn Wohlstandsdiebstahl nennen. Denn man klaut nicht, weil man etwas unbedingt braucht, sondern weil man habgierig ist, weil man nicht genug kriegen kann.

Dazu gehört auch Diebstahl, der von Drogensüchtigen begangen wird. Ein Drogensüchtiger hat irgendwann eine Lücke gespürt, die durch das normale Leben nicht zu füllen war. Essen und Trinken, Arbeit, Familie, die Schönheit der Natur, die täglichen Unterhaltungsmöglichkeiten – das ist für einen Drogensüchtigen alles nicht genug. Und deshalb kann er nicht aufhören, zu stehlen. Diese Art Diebstahl gehört auch zu der Kategorie Wohlstandsdiebstahl. Denn dahinter steckt eine unersättliche Gier. Und unsere Bevölkerung ist im Allgemeinen gierig und süchtig: egal wie viel wir haben, ist es nie genug. Und je mehr man hat, um so mehr will man haben.

'Auferstehung der Toten', sailko, 2009

Auferstehung der Toten

Ein britischer Theologe hat diese Situation mit den folgenden Worten gedeutet: „Raffgier ist die logische Folgerung, wenn man glaubt, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Deswegen erbeuten wir, was wir nur können, so lange wir können, egal wie, und dann lassen wir nicht los.“ Paulus hat etwas Ähnliches geschrieben, als er von Menschen sprach, die an eine Auferstehung der Toten nicht glauben. Er schrieb: Wenn die Toten nicht auferstehen, dann »lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!« Und gemeint ist: Wer keine Auferstehungshoffnung hat, der hat keinen anderen Lebensinhalt als möglichst viel zu konsumieren, möglichst viel zu ergreifen, so lange er kann und so viel er kann.

Dies ist also die Finsternis: ein Leben ohne Auferstehungshoffnung. Das Licht, das Jesus Christus darstellt, ist die Auferstehung. Dementsprechend heißt es in unserem Epheserbrieftext: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Es wird von Bibelauslegern vermutet, dass dieser Satz aus einem uralten Tauflied oder aus einer Taufliturgie stammte. Denn in der Taufe wurde der Übergang vollzogen aus der Todesfinsternis in das Licht des ewigen Lebens. Und der Begriff „Erleuchtung“ war in der Urchristenheit eine Umschreibung für die Taufe. Dazu gehört auch die Sitte der Taufkerze, die bei der Taufe angezündet wird.

Wer zu dem Licht gehört, das Jesus Christus heißt, hat die Fülle des Lebens. Was diese Fülle ausmacht, sind Dinge wie Dankbarkeit Gott gegenüber, Lob und Anbetung, selbstlose, spontane Liebe, Genügsamkeit und Bescheidenheit. Wir, die wir hier versammelt sind, bezeugen durch unsere Anwesenheit in diesem Gottesdienst, dass wir zu dem Licht gehören, denn wir sind versammelt an einem Sonntag um die Auferstehung Christi zu feiern und zu bezeugen. Die zwei Kerzen am Altar sind ein Hinweis auf Christus, das Licht der Welt, wahrer Mensch und wahrer Gott, der hier unter uns anwesend ist. Wir brauchen also keine außergewöhnlichen Anstrengungen zu unternehmen, damit wir das Licht ergreifen, sondern wir gehören schon jetzt zu dem Licht. Wir brauchen nur so zu leben, wie wir sind. Das Licht trägt seine Früchte. Möge Gott uns helfen, auszuleben, was wir sind, Kinder des Lichtes. Wie Paulus schreibt: „Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

Das Gemälde 'Shade and Darkness - the Evening of the Deluge', 1843, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Interior of the Cathedral of Holy Resurrection in Stanisławów', Gryffindor, 2009, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.
Das Glasfenster 'Auferstehung der Toten'(sailko, 2009) wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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