Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Johannes 6, 1 – 15 Geld ist manchmal nebensächlich

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'Vermehrung der Brote und Fische', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Vermehrung der Brote und Fische', 1979
Walter Habdank. © Galerie Habdank

7. Sonntag nach Trinitatis

Geld ist manchmal nebensächlich Johannes 6, 1 – 15

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt. Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrigblieben, die gespeist worden waren. Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein. Johannes 6, 1 – 15

Es gibt in Memphis im Bundesstaat Tennessee ein Autohaus mit dem Namen Hull und Dobbs. Einer der Besitzer dieses Autohauses musste einmal eine Geschäftsreise nach Georgia unternehmen. Er nahm seine Familie und ein Dienstmädchen mit. Unterwegs sah er eine Familie, die neben der Landstraße lief. Er hielt an und fragte, ob sie Hilfe brauchten. Er erfuhr, dass ihr Haus in der vorigen Nacht abgebrannt war und dass die Familie alles verloren hatte, was sie besaß; sie waren unterwegs zu einem Nachbarn, der sie aufnehmen würde. Der Autohändler nahm $10 aus seinem Portemonnaie und gab es der Mutter der Familie, um sein Mitgefühl zu zeigen. Ihm wurde dafür herzlich gedankt. Dann fuhr er weiter. Aber unterwegs hatte er das Gefühl, dass Gott mit ihm redete. Er dachte daran, wie gut sein Geschäft lief, wie groß sein Haus und sein Bankkonto waren. Er hielt plötzlich an, nahm alles Geld aus seiner Portemonnaie und warf es in seinen Hut. Er sammelte alles Geld, das sich im Auto befand: von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Dienstmädchen; alles ging in den Hut. Danach drehte der Autohändler sein Auto um und fuhr zurück, bis er die obdachlose Familie wieder erreichte. Er sprach die Mutter an: „Legen Sie die $10 in den Hut, die ich Ihnen vorhin gab.“ Die Frau war etwas verwirrt und gekränkt, aber sie warf auch diese $10 in den Hut. Dann fordert er sie dazu auf, ihre Hände vorzustrecken. Das tat sie. Daraufhin drehte er den Hut um und kippte mehrere Hundert Dollar in ihre Hände.

Es gibt in dieser merkwürdigen Begebenheit einen rätselhaften Moment: warum hat der Autohändler das gesammelte Geld der obdachlosen Familie nicht einfach ausgehändigt? Warum musste die Frau vorher die 10$ zurückgeben, die sie von ihm bekommen hatte? Aus irgendeinem Grund war es für den Autohändler wichtig, diese Frau an seiner Wohltätigkeit zu beteiligen. Seine Aufforderung, die 10$ zurückzugeben, war eine Aufforderung, ihm zu vertrauen. Er wollte mit dieser Frau eine kleines Vertrauensverhältnis spüren. Wenn sie sich geweigert hätte, ihm ihr geschenktes Geld anzuvertrauen, wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen.

'Holzschnitt aus 'Die Bibel in Bildern', Julius Schnorr von Carolsfeld, 1851-1860

Und es gibt in der Speisung der 5000 einen vergleichbaren Moment. Die Schlüsselfigur in der Speisung der 5000 war das Kind, das 5 Brote und 2 kleine Fische hatte. Es war bereit, seine Vorräte vertrauensvoll Jesus zu geben, obwohl es zu diesem Zeitpunkt nicht klar war, wie es weiter gehen würde. Es kann gut sein, dass es kein Wunder gegeben hätte, wenn das Kind sich geweigert hätte, seine Vorräte Jesus auszuhändigen.

Natürlich hätte Jesus Brote aus Steinen schaffen können. Aber das war nicht seine Art. Er produzierte nicht Dinge aus einem luftleeren Raum heraus. Es gab für seine Wunder immer konkrete Anhaltspunkte: Wein hat er aus Wasser geschaffen; eine Blindenheilung vollzog er mit Speichel und Erde. Und bei seinen Wundern wurde immer wieder eine Tat des Vertrauens erwartet: zu einem Lahmen sagte er: „Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause.“ Oder seine zwei Fischfangwunder wurden eingeleitet mit der Aufforderung: fahrt noch einmal heraus auf den See und werft die Netze aus.

Unter den 5000 Männern gab es sicherlich versteckte Vorräte an Nahrungsmittel. Kein Mensch der damaligen Zeit begibt sich auf eine Wanderung, ohne Essensvorräte in seinen Kleidern unterzubringen. Aber unter diesen 5000 gab es nur eine einzige Person, die bereit war, zuzugeben, dass es Nahrung bei sich hatte. Und das war ein Kind.

Es war Andreas, der dieses Kind entdeckte. Andreas ist der Patron von Schottland. Die Bewohner von Schottland haben den Ruf, geizig zu sein. In diesem Zusammenhang gibt es eine Predigt aus Schottland, in der es heißt: „Hier sieht man, warum Andreas der Heilige Patron Schottlands geworden ist. Im Gegensatz zu Philippus, der ausrechnet, wie viel es kosten könnte, 5000 Männer zu speisen, will Andreas kein Geld ausgeben, um diese Horde zu füttern.“ Deswegen sucht er in der Menge nach vorhandenen Speisen.

'Gerste', Carport, 2009

Das Wunder wird dadurch gesteigert, weil es sich um Gerstenbrote handelte: das Brot der Armen, denn Gerste diente auch als Vierhfutter. Und der Urtext berichtet, dass die Fische klein waren: „Fischlein“. Aber das war genug für Jesus.

Es heißt: er „nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten, desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten.“ Was genau passiert ist, wird nicht berichtet.

War die Speisung der 5000 ein physikalisches, materielles Wunder? Oder bestand sie darin, dass Jesu Dankgebet und seine vertrauensvolle Austeilung die Herzen der 5000 verwandelte, so dass sie ihre versteckten Vorräte preisgaben? Diese Frage muss offen bleiben, denn sie wird nicht beantwortet.

Aber die Vorgehensweise dieses Wunders ist zweitrangig. Auf das Ergebnis kam es an: mindestens 5000 Menschen waren hinterher vollkommen satt, und es gab 12 Körbe voller Überreste.

Was dieses Wunder so aktuell macht, ist, dass die Situation der Jünger vor dem Wunder unserer Situation als Kirchengemeinde entspricht. Die Jünger bekamen eine Aufgabe gestellt und sie hatten nicht genug Geld, um diese Aufgabe zu bewältigen. Die Jünger hatten eine Kasse, und in dieser Kasse waren 200 Silbergroschen, das war ungefähr so viel, wie ein Tagelöhner in einem halben Jahr verdient. Dieses Geld reichte nicht aus, um 5000 Menschen zu versorgen. Das ist auch unsere Situation als Kirche und als Gemeinde. Das Geld reicht nicht aus für alle Aufgaben und Ausgaben, die wir mit unseren 6000 Gemeindegliedern haben. Deswegen sind unsere Ausgaben höher als unsere Einnahmen.

Aber Jesus hat eine andere Perspektive: fehlendes Geld ist nicht etwas, was ihn beeindruckt. Seine Frage an uns lautet: „Was habt ihr? Welche Ressourcen sind vorhanden?“ Und wenn wir bereit sind, unsere Ressourcen vertrauensvoll in seine Hände zu geben, - auch wenn diese Ressourcen lächerlich klein aussehen - dann ist alles möglich. Das ist die Botschaft dieser Begebenheit.

Der Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte sind die Fragen: "Was habt ihr?" und "seid ihr bereit, das, was ihr habt, Jesus anzuvertrauen?"

Es gibt einen Buchhalter, der in ein Kontobuch eine ungewöhnliche Eintragung vornahm. Er hatte sich vorgenommen, alles einzutragen, was er von Gott bekommen hatte – das waren die „Einnahmen“ - und alle Handlungen, die Gott geweiht waren, wurden als „Ausgaben“ vermerkt. Unter den Einnahmen ergab sich eine endlos lange Liste: wenn er z. B. eine Freundlichkeit erlebte, trug er das als Geschenk Gottes ein. Dinge wie Sonnenschein, Nahrung, gute Gesundheit, Freunde, Familienangehörige, u. s. w. wurden als Segen Gottes eingetragen. Und unter „Ausgaben“ trug er ein, was er für Gott tat. Zuletzt hat er es aufgegeben, dieses Kontobuch zu führen. Er sagte dazu folgendes: „Es ist absolut unmöglich, die Konten auszugleichen. Was Gott für mich tut, steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich für ihn tue. Im Vergleich zu seinem Segen ist das, was ich für Gott tue, so gut wie nichts.“ Offenbar ist die Erfahrung dieses Buchhalters allgemeingültig.

Als Gemeinde könnte es hilfreich sein, auch Bilanz zu ziehen – einmal feststellen, was uns als Gemeinde gegeben ist - das tun, was Andreas tat, nämlich, nachzuschauen, was an Ressourcen vorhanden ist. Es kann gut sein, dass wir viel mehr Ressourcen, Begabungen, Geistesgaben, Fähigkeiten und Talente haben, als wir ahnen. Es kann sein, dass wir noch nicht richtig angefangen haben zu entdecken, was wir Jesus anvertrauen könnten. Schon jetzt gilt: das, was bei uns ehrenamtlich geleistet wird, ist nicht mit Geld zu bezahlen. Wenn wir ehrenamtliche Tätigkeit bezahlen müssten, wären wir schnell Pleite. Die wundersame Brotvermehrung ist – in einem übertragenen Sinne – schon bei uns teilweise eingetreten.

Möge Gott uns helfen, zu sehen, was wir für Gott tun können und die Ressourcen zu entdecken, die uns gegeben sind. Und möge er uns helfen, einzusehen, dass nicht alles von Geld abhängt. Und möge Gott uns helfen, zufrieden zu sein, wenn das, was wir haben, scheinbar gering ist oder weniger wird. Denn solange wir Gottes Gnade haben, haben wir alles, was wir brauchen.

Der Holzschnitt aus 'Die Bibel in Bildern', Julius Schnorr von Carolsfeld, 1851-1860, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photograohie 'Gerste', Carport, 2009, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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