Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Markus 16, 1 - 8 Auferstehung: entsetzlich und tröstlich

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Aus 'Die Bibel in Bildern', 1851-1860, Julius Schnorr von Carolsfeld

Ostermontag

Auferstehung: entsetzlich und tröstlich Markus 16, 1 - 8

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2007

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. Markus 16, 1 - 8

Es gibt einen Mann, der in ein Taxi stieg; er setzte sich auf den Rücksitz. Nach einer Weile wollte er den Fahrer etwas fragen und weil der Straßenlärm etwas laut war, hat er ihn leicht an der Schulter berührt. Sofort schrie der Taxifahrer und rastete aus; er verlor die Kontrolle über sein Taxi, ist beinahe gegen einen Bus gestoßen, er fuhr auf den Bürgersteig und brachte das Taxi gerade rechtzeitig zum Stoppen – ehe er in ein Schaufenster fuhr. Für einige Momente war es still im Auto. Dann drehte sich der Fahrer um und sagte zu seinem Kunden: „Hören Sie, so etwas dürfen Sie nie wieder tun. Sie haben mich zu Tode erschreckt!“ Der Mitfahrer entschuldigte sich und erwiderte, dass er nicht geahnt hatte, dass eine leichte Berührung an der Schulter eine solche dramatische Reaktion auslösen könnte. Der Fahrer antwortete: „Sie müssen mich entschuldigen, denn es ist nicht ihre Schuld. Heute fahre ich zum ersten Mal Taxi. Aber in den letzten 25 Jahren habe ich Leichenwagen gefahren.

Diese Begebenheit macht etwas deutlich, was in den Auferstehungsberichten vorkommt. Auf der einen Seite ist es etwas Entsetzliches, wenn ein Mensch stirbt. Aber noch entsetzlicher ist es, wenn Tote plötzlich leben. Es ist erschütternd, sich von einem geliebten Menschen am Grab zu verabschieden. Aber es ist noch erschütternder, wenn Verstorbene nicht verstorben bleiben.

Das Markusevangelium berichtet am deutlichsten, wie entsetzlich eine Auferstehung ist. Das Wort Entsetzen kommt drei Mal in unserem Text vor – nach der Lutherübersetzung, obwohl es korrekter wäre, das dritte Entsetzen wortwörtlich als Ekstase oder Außer-Sich-Sein zu übersetzen. Es wird berichtet, dass die Frauen vom Grab geflohen sind. Außerdem wird berichtet, dass sie sich so fürchteten, dass sie niemandem etwas sagen konnten.

Le Marie al sepolcro, 1613, Bartolomeo Schedoni

Wie ist diese Erschütterung der Frauen zu verstehen? Normalerweise würde man denken, dass sie sich freuen müssten. Aber es ist ganz offensichtlich, dass sie etwas erlebt hatten, was sie in panische Angst versetzt hat. Sie sind – wie Markus wortwörtlich berichtet – außer sich, denn sie zittern vor Angst, sie können nicht reden, weil sie von entsetzlicher Angst ergriffen sind.

Diese Erschütterung ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass sie Jesus nicht gesehen hatten. Wenn sie plötzlich vor dem Auferstandenen gestanden hätten, wäre ihre Reaktion mehr oder weniger verständlich. Aber sie hatten nur das leere Grab gesehen und einen jungen Mann, der erklärte, dass der Gekreuzigte auferstanden ist. Vordergründig gesehen, haben sie nichts erlebt, was ihre Erschütterung erklären könnte.

Aber es gibt doch eine Erklärung für diese Vorgänge am leeren Grab. In diesem Zusammenhang gilt das Prinzip: die Bibel legt sich selbst aus. Wer die Bibel kennt, wird hier drei Signale sehen, die alle in eine Richtung deuten.

Das erste Signal ist das Wort „Entsetzen“. „Entsetzen“ ist ein Lieblingswort von Markus. Jesus hat im Laufe seines öffentlichen Wirkens mehrmals Entsetzen ausgelöst. Z. B. als Jesus zum ersten Mal als Prediger in einer Synagoge auftrat, hieß es: „sie entsetzten sich über seine Lehre; denn er lehrte mit Vollmacht“. Die erste Dämonenaustreibung Jesu löste Entsetzen aus. Als er einen Gelähmten heilte, „entsetzten sich alle“. Bei der Totenauferweckung eines 12-jährigen Mädchens entsetzten sich die Zuschauer. Als Jesus einen Sturm stillte, waren die Jünger entsetzt. Die bloße Anwesenheit Jesu konnte Entsetzen auslösen: „als die Menge ihn sah, entsetzten sich alle“ (dasselbe Wort, das in 16, 5 vorkommt). Dieses Entsetzen, das Jesus durch seine Worte, Taten und Anwesenheit auslöste, bezeugt eine Wahrheit, die Markus immer wieder verkündet, nämlich, dass Jesus die Verkörperung der Anwesenheit Gottes ist. Es handelt sich hier um eine grundlegende biblische Wahrheit: dass die unmittelbare Nähe Gottes Entsetzen auslöst, denn die Heiligkeit Gottes ist für sterbliche Menschen nicht zu verkraften. Diese grundlegende Erfahrung wurde am Berg Sinai gemacht, als das ganze Volk von Terror und Panik überwältigt war, als es die Nähe Gottes erlebte.

Das zweite Signal ist der junge Mann im Grab, der ein langes, weißes Gewand anhat. Markus bezeichnet ihn nicht als Engel. Denn der Leser soll hier offensichtlich an den Hohepriester denken. Wenn der Hohepriester in das Allerheiligste ging – d. h. in den Raum, der als Wohnstätte Gottes galt – musste er sein Obergewand ausziehen. Er trat in die unmittelbare Anwesenheit Gottes, gekleidet mit einem weißen Leinengewand. Was Markus hier andeutet, ist, dass das leere Grab das neue Allerheiligste ist.

Dazu passt es, dass der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste abgeschirmt hat, von oben bis unten zerriss, als Jesus starb. Das Allerheiligste war damit entweiht. Es ergibt sich die Frage: wenn Gott nicht mehr im Tempel wohnt, wo wohnt er dann? Und das Markusevangelium macht dabei eine Andeutung: das leere Grab, in dem die Auferstehung des Gekreuzigten verkündet wird, ist momentan die neue Wohnstätte Gottes, das neue Allerheiligste.

Und dass diese Vermutung richtig ist, wird durch das dritte Signal bezeugt, nämlich das Schweigen der Frauen. Denn wo Gott erscheint, wird der Mensch zum Schweigen gebracht. In Psalmen und in den Propheten kann man folgendes nachlesen:

  • Ps 37,7 Sei stille dem HERRN und warte auf ihn.
  • Ps 46,11 Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!
  • Hab 2,20 Der HERR ist in seinem heiligen Tempel. Es sei vor ihm stille alle Welt!
  • Zef 1,7 Seid stille vor Gott dem HERRN, denn des HERRN Tag ist nahe.
  • Sach 2,17 Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!

Dass die Frauen nicht reden können von dem, was sie am Grab erlebten, ist ein Hinweis, dass sie eine Begegnung mit der Heiligkeit Gottes hatten. Denn sie sind von Zittern und Entsetzen überwältigt

Und die Botschaft, die dieser Osterbericht verkündet, lautet: Gott ist ab jetzt dort anwesend, wo die Auferstehung verkündet wird. Es ist die Auferstehung eines Gekreuzigten, die ab jetzt definiert, wer Gott ist und wo Gott zu finden ist. Ab jetzt gilt, dass da, wo Jesus anwesend ist – in Wort und Sakrament – Gott unmittelbar und dauerhaft anwesend ist.

Diese Wahrheit ist kein abstraktes Dogma, sondern eine Erfahrung, die Millionen von Christen gemacht haben. Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: Martin Luther King hatte am Anfang seiner Tätigkeit Morddrohungen bekommen. Er bekam einen anonymen Anruf, bei dem der Sprecher sagte: „Wenn du die Stadt nicht innerhalb von drei Tagen verlässt, werden wir dein Haus in die Luft sprengen.“ Martin Luther King war voller Angst und Unsicherheit. Er überlegte, ob er aufgeben sollte. Aber kurz nach dem Anruf, als er in seiner Küche saß und eine Tasse Kaffee trank, war es, als ob die Stimme Jesu ihn direkt angesprochen hätte und sagte: „Du darfst nicht aufgeben. Denn siehe, ich bin bei dir bis an das Ende der Welt. Ich werde dich nie verlassen, nie allein lassen. Niemals. Du wirst nie wieder allein sein. Ich werde dich nie verlassen. Ich werde dich nie allein lassen.“

Diese Botschaft kommt direkt aus dem leeren Grab. Denn das Allerheiligste ist da, wo Jesus als der Auferstandene anwesend ist. Die Verheißung, die aus dem leeren Grab kommt, lautet: "Ich bin immer bei dir für immer. Du wirst nie wieder allein sein. Ich werde dich nie verlassen." Was die Frauen entsetzt hatte, ist für uns Trost. Gott ist nicht mehr an einem heiligen Ort zu suchen, sondern er ist da, wo eine Gemeinde sich im Namen Jesu Christi versammelt, um Auferstehung zu feiern.

Das Kunstwerk aus 'Die Bibel in Bildern', 1851-1860, Julius Schnorr von Carolsfeld, sowie das Kunstwerk 'Le Marie al sepolcro, 1613, Bartolomeo Schedoni' befinden sich im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.

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