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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Johannes 14, 23 – 27 Kann Gott Milliarden von Menschen gleichzeitig lieben?

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Pfingsten

Kann Gott Milliarden von Menschen gleichzeitig lieben? Johannes 14, 23 – 27

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

'Baby eating baby food', 2007, Ravedave

Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Johannes 14, 23 – 27

Im Jahre 1975 im Bundesstaat New York kam ein Kind zur Welt namens Raymond Dunn. Die Geburt war katastrophal, denn es gab dabei eine Schädelfraktur und Sauerstoffmangel. Das Ergebnis war, dass der Körper des Kindes nicht normal wachsen konnte. Sein Körper war verdreht und er bekam täglich Anfälle – bis 20 Mal am Tag. Außerdem war er blind, taub und unbeweglich. Er hatte auch noch Allergien, die so radikal waren, dass er nur eine einzige Nahrung zu sich nehmen konnte – und zwar eine bestimmte Sorte von Baby-Nahrung, die eine fleischliche Basis hatte. Im Jahre 1985 wurde diese Sorte Baby-Nahrung eingestellt und nicht mehr produziert. Die Mutter des behinderten Kindes reiste von einem Lebensmittelgeschäft zum anderen und kaufte alle Baby-Nahrung von der Sorte auf, die ihr Kind brauchte. Zu Hause wurde diese Speise kistenweise gestapelt. Der Vorrat reichte fünf Jahre lang, aber war im Jahre 1990 aufgebraucht. Ohne diese spezifische Form der Nahrung würde das Kind verhungern. Die Mutter war verzweifelt und wandte sich an die Firma Gerber, die diese Speise früher produziert hatte; sie bat darum, das eingestellte Produkt wieder herzustellen.

Was ist passiert? Normalerweise müsste man damit rechnen, dass die Situation absolut aussichtslos war. Denn es ist nach menschlichen Ermessen ausgeschlossen, dass eine große Firma, die an drei Kontinente Produkte verkauft, für ein einziges behindertes Kind mit geringer Lebenserwartung etwas produziert. Aber die Mitarbeitenden dieser Firma reagierten auf den Hilferuf der Mutter. Sie setzten Hunderte von Freizeit-Stunden ein. Alte Geräte, die seit Jahren nicht mehr in Betrieb waren, wurden aktiviert, ein Produktionsvorgang wurde eingerichtet, von der Regierung wurde eine Genehmigung beantragt, damit ein überholtes Produkt wiederhergestellt werden durfte. Diese Freiwilligen haben den Jungen fünf weitere Jahre am Leben erhalten, bis er 1995 starb.

Es war ein riesiger Aufwand für ein einziges, behindertes Kind, das weder sehen, hören, noch sich bewegen konnte. Es gibt Leute, die sagen würden, dass dieser Aufwand sinnlos war, denn das Leben des Kindes war scheinbar nicht lebenswert. Und trotzdem haben Menschen, die dieses Kind nicht persönlich kannten, Hunderte von Freizeit-Stunden eingesetzt, um dieses stark eingeschränkte Menschenleben am Leben zu erhalten.

In dieser Aktion schimmert etwas durch, das wir die Liebe Gottes nennen dürfen, denn Gott ist der Ursprung aller Liebe. Für Gott ist jedes Menschenleben unermesslich kostbar. Und für Gott spielt es keine Rolle, ob ein Menschenleben stark behindert ist oder nicht: die volle Wertschätzung Gottes gilt jedem einzelnen Menschen. Gott ist vergleichbar mit diesen Firmenarbeitern: er ist bereit, einen riesigen Aufwand zu betreiben, nur damit eine einzige Person seine Fürsorge erlebt. Er will in jedem einzelnen Menschen zur Geltung kommen.

Das ist auch das Thema des Textes aus dem Johannesevangelium, der für heute vorgesehen ist. Jesus beschreibt einen Vorgang, der eigentlich unfassbar ist. Er sagt:

Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen

Diese Worte klingen heute für unsere Ohren harmlos. Aber was Jesus hier beschreibt, ist ungeheuerlich. Denn zur Zeit Jesu gab es die Vorstellung, dass Gott nur in einem Innenraum des Tempels wohnte, und dass es lebensnotwendig war, diesen Raum von der Öffentlich abzuschirmen.

'The Sun', NASA Goddard Laboratory for Atmospheres

Wenn Jesus davon spricht, dass Gott in einem Menschen wohnen wird, der Jesus liebt, dann ist es, als ob er gesagt hätte: die Sonne, die Mitte unseres Planetensystems, die uns alle am Leben erhält, wird in jedem Menschen wohnen.

Es ist absolut unmöglich, dass die Sonne uns unmittelbar nahe kommen kann, denn sie würde alles Leben auslöschen: alles würde in Flammen aufgehen. Aber genauso haben sich die Menschen zur Zeit Jesu Gott vorgestellt, dass er vergleichbar ist mit der Gewalt der Sonne. Damals herrschte die Vorstellung: wer Gott zu nahe kommt, wird entweder ausgelöscht oder es entsteht Chaos. Wenn Jesus davon spricht, dass Gott in jedem Menschen wohnen könnte, dann redet er von etwas, was absolut unmöglich ist – nach damaliger Auffassung.

Aber dann geschah das Pfingstwunder: das Unmögliche ist möglich geworden. Das Pfingstwunder verkündet: ab heute kann Gott in jedem Menschenherzen wohnen. Und das Ergebnis wird nicht Zerstörung oder Chaos sein, sondern ein Friede, der nicht von dieser Welt ist. Jesus beschrieb diesen Frieden mit den Worten:

Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Menschen, in denen Gott wohnt, machen irgendwann die Erfahrung, dass Gott bereit ist, einen großen Aufwand zu betreiben, damit dieser Friede in jede einzelne Person einkehrt.
Wer von Gott gesegnet worden ist, kann auf das eigene Leben zurückschauen und eine Kette von scheinbar zufälligen Begebenheiten sehen, die Zeichen sind, dass Gott die ganze Zeit am Wirken war.

Marilyn Monroe, 2007, Carlos Botelho

Es ist nicht leicht, Worte zu finden, die beschreiben, was hier gemeint ist. Eine der besten Aussagen in diesem Zusammenhang stammte von Marilyn Monroe. Als ich 1974 ordiniert wurde, zitierte ich diese Schauspielerin, weil sie in einem einzigen Satz etwas zusammengefasst hatte, wozu man sonst Hunderte von Worten braucht. Der Anlass dieser Aussage war die Eheschließung mit dem Schriftsteller Arthur Miller im Jahre 1956 - ihre dritte Ehe. Unmittelbar nach der Hochzeit haben Journalisten Fragen an sie gerichtet. Eine der Fragen lautete: „Wenn Sie ihr Leben wieder von Anfang an leben könnten, was würden Sie anders machen?“ Es war bekannt, dass das Leben dieser prominenten Frau verworren und voller unerfüllter Sehnsucht war. Und die Antwort lautete: „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich alles noch einmal genau so machen, denn eine Änderung in meiner Vergangenheit würde bedeuten, dass ich heute irgendwo anders wäre, als hier, wo ich jetzt bin.“ Sie hat auf ihr unbeständiges Leben zurückgeschaut und hat alles, was sie erlebte, als ein Geschenk angenommen; denn alles – das Gute und das Böse – hat sie zu diesem jetzigen Moment gebracht, von dem sie feststellte: ich möchte nirgendwo anders sein, als hier wo ich jetzt bin.

Ich kann nicht beurteilen, inwieweit Gott in dem Herzen dieser Frau gewohnt hat oder nicht, aber was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass jeder Mensch, der die segensreiche Wirkung Gottes in dem eigenen Leben erfahren hat, genau dieselbe Aussage machen könnte, wie diese Schauspielerin. Wer den unendlichen Segen Gottes erfahren hat, weiß, dass Gott im Verborgenen gearbeitet hat und dass deshalb alles, was im Leben vorkommt, zuletzt als eine Gnade Gottes angenommen werden kann.

Für jede einzelne Person ist Gott bereit, einen riesigen Aufwand zu betreiben. Gott ist vergleichbar mit den Arbeitern der Babynahrungsfirma, die vorhin erwähnt wurde: er setzt Welten in Bewegung, er arbeitet Hunderte von Stunden – Millionen von Stunden -, er arbeitet jahrelang geduldig im Hintergrund, damit jede einzelne Person dieser Erde eines Tages sagen kann: ich möchte nirgendwo anders sein, als hier, wo ich jetzt bin, denn mein ganzes Leben war eine unermessliche Gnade Gottes.

Einmal haben Jugendliche einer Kirchengemeinde eine Umfrage gemacht. Mit Mikrofonen und Kassettenrekordern ausgestattet, zogen sie in die Stadtmitte und zum Bahnhof und haben wildfremde Menschen gefragt: „Wie stellen Sie sich Gott vor?“ Die meisten Passanten waren verlegen und antworteten meistens mit Floskeln. Ein Dreizehnjähriger aber sagte folgendes:
„Gott stelle ich mir als Person vor, und zwar als jemand, der es schafft, viereinhalb Milliarden Menschen und noch mehr so lieb zu haben, als wären es seine Einzelkinder.“

Galileo hat etwas Vergleichbares gesagt; er hat Gott mit der Sonne verglichen und folgendes gesagt: „Die Sonne, um die alle Planeten kreisen, ist dazu fähig, eine einzelne Traube zum Reifen zu bringen, als ob sie nichts anders in diesem Universum zu tun hätte.“

Dass Gott sich um jede einzelne Person kümmert, ist das, was wir heute feiern. Pfingsten offenbarte die ungeheuerliche Wahrheit, dass Gott vorhat, in jedem Menschen zu wohnen und in jedem Herzen seine Liebe und seinen Frieden zu verwirklichen. Auch wenn es momentan mehr als 6 Milliarden Menschen auf dieser Erde gibt, ist jeder einzelne Mensch für Gott unendlich kostbar.

Möge Gott uns helfen, das Wirken Gottes im eigenen Leben zu erkennen und nie zu vergessen, dass jeder einzelne Mensch für Gott unermesslich wertvoll ist. Deswegen sind wir dazu beauftragt, jeder Person mit Behutsamkeit, mit Geduld und mit Besonnenheit zu begegnen.

Die Photographie 'Baby eating baby food', 2007, Ravedave, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'The Sun', NASA Goddard Laboratory for Atmospheres, ist gemeinfrei (public domain), da sie von der NASA erstellt worden ist. Die NASA-Urheberrechtsrichtlinie besagt, dass „NASA-Material nicht durch Urheberrecht geschützt ist wenn es nicht anders angegeben ist“.
Die Abbildung von Marilyn Monroe, 2007, Carlos Botelho, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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