Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Johannes 3, 2 Identitätsfindung eines 13-Jährigen

« Predigten Home

Konfirmation: 1. Johannes 3, 2 Identitätsfindung eines 13-Jährigen

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 24.05.2009

Gummibärchen, 2006, Michael Frey

Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

1. Johannes 3, 2

Für Euch Konfirmanden ist es unvorstellbar, aber ich war auch einmal im Konfirmandenunterricht, und ich war auch einmal 13 und 14 Jahre alt. Und Einiges aus dieser Zeit ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben. Denn 13 oder 14 Jahre alt zu sein ist nicht so sehr ein Lebensalter, sondern eher eine Krankheit. Denn in diesem Altar ist man supersensibel. Als ich 13 war, war mir alles peinlich. Ich fand meine Eltern peinlich. Ich fand meinen Körper peinlich, ich fand meine Kleidung peinlich. Meine Eltern kauften mir einmal ein kariertes Hemd, das furchtbar auffällig und altmodisch war. An den Tagen, als ich dieses Hemd in der Schule tragen musste, ließ ich den ganzen Tag meine Jacke an, egal wie warm es war; das war auch peinlich.

Denn als 13-/14-Jähriger will man nicht auffallen, sondern dazu gehören. Aber gleichzeitig will man doch auffallend sein: man will etwas Außergewöhnliches darstellen. Und wie macht man das als 13-Jähriger? Die Antwort lautet: entweder durch Begabungen oder durch Blödsinn. Als ich Konfirmand war hatte ich keine besonderen Begabungen, also habe ich meine Eigentümlichkeit als Person durch Albernheiten dokumentiert.

Zum Beispiel: es war nicht erlaubt, im Konfirmandenunterricht zu essen. Obwohl ich ansonsten superbrav war, habe ich heimlich Gummibärchen im Konfirmandenunterricht gegessen, denn auf diese Weise kam ich mir außergewöhnlich vor. Als Einziger, der heimlich das Verbotene tat, habe ich mich von der Konfirmandengruppe abgehoben und war auf diese Weise etwas Besonderes.

Aber das war nicht meine größte Dummheit. Es gab jemanden in meiner Schulklasse, von dem ich dachte: so wie er möchte ich sein. Denn er war cool. Es fiel mir auf, dass er fast immer ein sauberes, weißes Hemd und staubige Hosen trug. Also habe ich ihn nachgeahmt: ich habe Staub auf meine Hosen gerieben und schaffte mir ein weißes Hemd an.

Warum tut man so etwas? Es hängt damit zusammen, dass man mit 13/14 noch keine ausgereifte Identität hat. Im Konfirmandenalter ist man auf der Suche nach der eigenen Identität. Deswegen ist man in diesem Alter so sensibel, so albern und so nachahmend.

Das Konfirmandenjahr sollte euch helfen, eure Identität zu finden; das war auch das Thema des letzten Konfirmandenseminars im Haus Heliand. Durch die Gemeinde, durch Gottesdienste – besonders durch die Jugendgottesdienste -, durch Taufe und Abendmahl, durch biblische Geschichten, durch christliche Gemeinschaft sollt ihr die eigene Identität entdecken. Die ehrenamtlichen Jugendlichen, die euch bei den Freizeiten, bei den Jugendgottesdiensten und manchmal auch im Unterricht begleitet hatten, spielten dabei eine unentbehrliche Rolle. Leute wie Katharina, Jakob, Basti, Laura, Julia, Malina, Samir, Annina, zwei Daniels, Felix, Manuel haben euch gezeigt, dass es möglich ist, als Jugendliche eine bewusst christliche Identität zu haben und trotzdem normal/cool zu sein.

Das Wort „Identität“ klingt zunächst etwas abstrakt, aber was dahinter steckt ist nicht abstrakt, sondern lebensnotwendig. Wer keine gesunde Identität hat ist innerlich steril. Warum gibt es Jugendliche, die sich in ein Koma saufen, gewalttätig sind, saubere Wände mit Spraydosen verunstalten, Amoklaufdrohungen ins Internet setzen, Kaufhausdiebstähle begehen, oder sich die Zeit mit Computerspielen totschlagen? Es hängt damit zusammen, dass ihnen eine Identität fehlt. Sie können sich selbst nur negativ definieren.

Kreuzweg der Konfirmandinnen und Konfirmanden am 31. März 2009

Auch hier kann ich mich genau daran erinnern, wie es war, als ich in eurem Alter war. Als ich noch keine Identität hatte, war ich kraftlos, unsicher und ängstlich. Aber es gab einen Ort, wo ich zu Hause war, wo ich das Gefühl hatte: hier gehöre ich hin. Hier weiß ich, wer ich bin. Dieser Ort hieß Kirchengemeinde; und besonders wenn Abendmahl gefeiert wurde. Das gilt bis heute. Jedes mal, wenn ich Teil einer Abendmahlsgemeinschaft bin, habe ich das Gefühl: hier weiß ich, wer ich bin. Hier erlebe ich meine wahre Identität.

In dem 1. Johannesbrief heißt es:

Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Dieser Text bezeugt, dass die Suche nach Identität nie aufhört. Erst wenn wir jenseits des Todes vor Gott stehen, werden wir wirklich wissen, wer wir sind. Aber diese Begegnung mit Gott kann man vorwegnehmen. Denn wenn wir Abendmahl feiern, nehmen wir den Tag vorweg, an dem wir unmittelbar in der Anwesenheit Gottes stehen. Bei einer Abendmahlsfeier könnt ihr immer wieder eure wahre Identität erleben.

Als ich 13 war, saß ich häufig vor dem Fernsehapparat. Und eine meiner Lieblingssendungen war eine lustige Serie von einem Ehepaar, die George und Gracie hießen. Die Frau war ein liebenswürdiger Dummkopf. In einer Episode ging es um eine Wanduhr. In der heutigen Zeit sind alle Uhren mit Batterie betrieben. Aber damals funktionierten fast alle Wanduhren durch Elektrizität aus der Steckdose. In der Fernsehserie hat diese strohdumme Frau festgestellt, dass ihre Wanduhr nicht richtig ging, und sie bestellte einen Elektriker. Der Elektriker war zuerst verlegen, weil er keinen Schaden feststellen konnte. Aber dann merkte er auf einmal, was los war. Er sagte zu der Frau: „Die Uhr ist vollkommen in Ordnung. Sie hatten vergessen, den Stecker in die Steckdose zu tun.“ Und die Frau erwiderte:
„Nein, ich habe es nicht vergessen, sondern ich wollte Strom sparen, deswegen stecke ich die Uhr nur dann ein, wenn ich wissen will, welche Uhrzeit es ist.“

Konfirmation am 24.05.2009

Vielleicht ist es möglich, auch Christsein so zu leben, wie diese Frau ihre Uhr benutzt, nämlich dass man nur ab und zu „den Stecker einsteckt“, d. h. in einem übertragenen Sinne, dass man nur in Notfällen betet, nur ab und zu in der Bibel liest, oder einmal in zehn Jahren an einem Abendmahlsgottesdienst teilnimmt.

Auf der einen Seite: niemand darf euch vorschreiben, wie ihr Christsein leben sollt. Weil Gott keinen Zwang ausübt, darf kein Mensch euch aufzwingen, wie oft ihr zu beten habt, wie oft ihr in der Bibel lesen sollt, wie oft ihr Nächstenliebe praktizieren, Feinden vergeben oder am Abendmahl teilnehmen sollt. Das sind eure ureigenen Entscheidungen.

Aber auf der anderen Seite: wir laden euch herzlich dazu ein, in unserer Gemeinde regelmäßig dabei zu sein und bei uns eure Identität in der christlichen Gemeinschaft zu suchen. Denn wenn ihr nur ab und zu das Christsein einschaltet, werdet ihr nie dazu kommen, die eigene Identität so zu entfalten, wie es von eurem Schöpfer und Erlöser vorgesehen ist. Ohne Gott gibt es keine dauerhafte Identität. Möge Gott euch helfen, dass ihr in unserer Gemeinde und bei jeder Abendmahlsfeier erfahrt: hier weiß ich, wer ich bin; hier erlebe ich meine wahre Identität.

Die Photographie der Gummibärchen, 2006, MichaelFrey, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

^ Zum Seitenanfang

PSch