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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Lukas 11, 5 – 13 Dankgebet schließt das Leben in seiner Fülle auf

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'Parable of the Friend at Night
', 1864 - John Everett Millais

Rogate

Dankgebet schließt das Leben in seiner Fülle auf Lukas 11, 5 – 13

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! Lukas 11, 5 – 13

Im Jahre 1992 gab es einen Mann, der in eine Lebenskrise geraten war. In dieser Notsituation betete er eindringlich. Als Konzentrationshilfe schrieb er seine Gebetsanliegen auf ein DINA 4 Blatt. Er nannte 6 dringende Anliegen, die er vor Gott im Gebet vorbringen wollte und hat eine Zeitlang intensiv gebetet. Nach einer Weile geriet dieses Blatt in Vergessenheit und wurde unter einem Papierstapel begraben. Etwa 10 Jahre später kam dieses Blatt zufällig zum Vorschein. Der Mann schaute auf diese Gebetsliste und stellte fest, dass er völlig vergessen hatte, dass er jemals diese Gebetsanliegen aufgeschrieben und gebetet hatte. Und dann machte er eine überraschende Feststellung: alles, wofür er damals gebetet hatte, wurde von Gott beantwortet. Er schrieb dazu folgendes: „Dieses Blatt Papier versetzte mich in die damalige Zeit. Ich erlebte wieder die quälende Sorge und erinnerte mich daran, wie verzweifelt ich war, als ich meine Gebetsanliegen vor Gott brachte. In seiner Barmherzigkeit hat er auf jedes einzelne Anliegen reagiert. Er hatte für mich gesorgt und ich hatte es vergessen....Ich hatte die Antworten auf meine Gebete gedankenlos als eine Selbstverständlichkeit angenommen.“

In dieser Begebenheit kommen zwei typische menschliche Erfahrungen zum Vorschein. Erstens: wir Menschen merken oft nicht, wie fürsorglich Gott auf unsere Gebete reagiert. Zweitens: wir Menschen sind erfahrungsgemäß undankbar.

Die Undankbarkeit der Menschen lässt sich mit unzähligen Beispielen dokumentieren. Zum Beispiel: vor einigen Jahren ist in dem Michigan See, einem großer See im Mittelwesten der USA, ein Schiff untergegangen. In solch einer Situation kann man sich gut vorstellen, dass alle Schiffbrüchigen verzweifelt gebetet haben. Es gibt keine Atheisten, wenn akute Lebensgefahr eintritt. Am Ufer waren Studenten der Northwestern Universität, die den Schiffbruch beobachtet hatten und in das Wasser sprangen, um die Menschen in Not zu retten. Ein Student mit dem Namen Edward Spenser rettete 17 Personen vor dem Ertrinken an diesem Tag. Jahrzehnte später wurde dieser Student von einem Journalisten aufgesucht, der herausfinden wollte, was aus den Menschen geworden war, die diese Katastrophe miterlebt hatten. Und der ehemalige Student wurde gefragt, was ihm am meisten in Erinnerung geblieben war. Und er antwortete: „Ich erinnere mich, dass ich 17 Personen an dem Tag rettete, und nicht ein einziger hat mir jemals dafür gedankt.“ Diese Erfahrung der gedankenlosen Undankbarkeit kommt öfters vor. Jesus machte eine ähnliche Erfahrung mit 10 Aussätzigen, die er heilte. Nur einer kehrte um, „um Gott die Ehre zu geben“, wie Jesus feststellte.

Die meisten von uns haben zwar keine dramatische Rettung erlebt – wir sind nicht vor dem Ertrinken gerettet oder von Aussatz geheilt worden, - aber es gibt genügend Anhaltspunkte jeden Tag für unzählige Dankgebete. Es gibt täglich so viele kleine Barmherzigkeiten, dass es sehr leicht ist, sie aus Gewohnheit gedankenlos hinzunehmen.

Außerdem war das ganze Leben Jesu eine Rettungsaktion: er wollte die Menschheit von der tödlichen Entfremdung befreien, die zwischen Gott und Mensch besteht. Wegen Jesus sind wir zu einem unvergänglichen Leben befreit worden. Es wäre angemessen, jeden Tag Jesus für seine Rettungsaktion zu danken. Aber wie viele tun es?

In dem Lukastext, den wir vorhin gehört haben, erinnert Jesus daran, wie gütig und gebefreudig Gott ist:

Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Dieser Text ist indirekt eine Aufforderung, das Dankgebet nicht zu vernachlässigen. Denn unsere Gebete werden auf jeden Fall auf eine Weise beantwortet werden, die für uns gut ist. – so lautet die Verheißung hier. Es gibt deshalb immer Grund zum Danken.

In dem ersten Teil des Textes, geht es auch um diese Bereitschaft Gottes, auf Gebete mit Güte zu reagieren. Diese Gebefreudigkeit wird mit einer Anti-Geschichte veranschaulicht. Dieses Gleichnis von dem Freunde, der um Mitternacht angesprochen wird und der nur widerwillig hilft, enthält Sitten, die damals bekannt waren und die uns heute fremd sind. Z. B. wieso kommt ein Freund um Mitternacht zu Besuch? So etwas kam tatsachlich vor, denn tagsüber in Palästina war es oft zu heiß, um Reisen zu unternehmen. Reisen wurden oft nach Sonnenuntergang angetreten und Reisende kamen öfters mitten in der Nacht ans Ziel. Und es war eine heilige Pflicht, Gäste großzügig zu bewirten, auch mitten in der Nacht. Deswegen wagt es der Gastgeber, den Nachbarn um Mitternacht anzusprechen. Die Erwiderung des Nachbars klingt für unsere Ohren vielleicht fadenscheinig. Er sagt: „Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.“ Man muss sich das so vorstellen, dass die ganze Familie in einem Raum eng zusammen auf dem Boden liegt und schläft. Wenn einer aufsteht, um drei Brote zu holen, wird er unweigerlich die ganze Familie in ihrem Schlaf stören. Es ist verständlich, dass der Nachbar der Bitte um drei Brote nicht nachkommen will. Aber er wird diese Bitte trotzdem widerwillig erfüllen, weil der Nachbar in diesem Fall so hartnäckig ist. Und Jesus argumentiert: Gott ist der genaue Gegensatz zu diesem widerspenstigen Nachbar. Jesus verwendet die Redewendung „wie viel mehr“. Denn wenn Menschen fähig sind, Gutes zu tun für ihre Freunde oder ihre Kinder, wie viel mehr gilt das für Gott. Denn Gott muss nicht mit unverschämtem Drängen genötigt werden, sondern er gibt freiwillig und er gibt gern. Aber dass Gott freigiebig ist, fällt vielen Leuten nicht auf, weil sie gedankenlos und undankbar sind.

Aber ist Gott wirklich so gütig? Es gibt Menschen, die den Eindruck haben, dass Gott nicht so auf Gebet reagiert, wie hier in dem Lukastext behauptet wird. Wenn man um Brot bittet, bekommt man tatsächlich manchmal nur Steine. Wenn man um Heilung bittet, bekommt man manchmal noch eine Krankheit dazu. Wenn man um Frieden bittet, kommt manchmal eine Steigerung der Aggressivität.

Aber Jesus verspricht nicht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen werden, sondern er verspricht den heiligen Geist. Wie der Theologe Helmut Gollwitzer in einem Kommentar zu dieser Stelle feststellt: „Heiliger Geist“ ist „die eine Gabe, die alle anderen in sich begreift und ersetzt.“ Heiliger Geist ist ein anderer Ausdruck für die unmittelbare Nähe Gottes. Wenn Gott bei uns ist, dann haben wir alles, was wir brauchen. Die Nähe Gottes ist die Antwort auf Gebet, mit der man auf jeden Fall rechnen kann. Und diese Nähe Gottes ändert die Perspektive völlig. Wenn ein Mensch fest damit rechnen kann, dass Gott bei ihm ist in allem, was er erlebt und erleidet, dann kann er alles mit Dankgebet annehmen.

In diesem Zusammenhang gibt es eine jiddische Volkserzählung von einem wohlhabenden Mann, der sich sehr für die hebräische Bibel interessierte. Aber mit einer Sache kam er nicht klar. Er besuchte seinen Rabbi und sagte: „Ich bilde mir ein, dass ich die Bibel einigermaßen verstanden habe. Aber ich verstehe nicht, wieso es von uns erwartet wird, dass wir Gott für die Sorgen und Belastungen des Lebens danken sollten.“ Der Rabbi wusste sofort, dass er diese Frage nicht mit bloßen Worten verständlich beantworten konnte. Er sagte zu dem Fragesteller: „Wenn Sie diese Sache verstehen möchten, müssen Sie Isaak den Wasser-Träger besuchen.“ Der Fragesteller konnte nicht verstehen, warum er einen einfachen Arbeiter aufsuchen sollte, aber er wusste, dass der Rabbi weise war und folgte seiner Anweisung. Er ging in das ärmste Viertel der Stadt und fand dort diesen Jakob, einen alten Mann, der 50 Jahre lang zermürbende und stumpfe Arbeit geleistet hatte, um ein Existenzminimum zu schaffen. Der Wohlhabende erklärte, warum er gekommen war. Jakob unterbrach seine Arbeit und dachte nach. Einige Minuten lang sagte er kein Wort und er sah verwirrt aus. Schließlich sagte er: „Ich weiß, dass der Rabbi zu den Weisesten gehört. Aber ich verstehe nicht, warum er Sie zu mir mit dieser Frage geschickt hat. Ich kann die Frage nicht beantworten, denn ich kenne keine Sorgen und Belastungen. Ich kenne nur Segen, denn ich habe Wunderbares erlebt und empfangen. Jeden Morgen und jeden Abend danke ich Gott, dass er mich und meine Familie so reich gesegnet hat.“ Das sagte ein Mensch, der täglich – 50 Jahre lang - am Rande der Armut und am Rande eines gesundheitlichen Zusammenbruchs gelebt hatte.

Der Schlüssel hier ist Dankgebet. Wie Paulus in seinem Epheserbrief schrieb: Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Allezeit für alles, heißt es hier. Jeder Mensch kennt Bittgebete, bei denen wir unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse vor Gott bringen. Und das ist richtig so. Wir sollen Gott um alles bitten. Aber es ist Dankgebet, was das Leben in seiner Fülle aufschließt. Ein Mensch, der für eine karge Mahlzeit danken kann, ist fröhlicher, erfüllter und gütiger als ein Mensch, der für eine reichhaltige Mahlzeit kein Dankgebet spricht.

Möge Gott uns helfen, Bittgebete und Dankgebete in allen Situationen einzusetzen, damit wir wahrnehmen, wie gütig und gebefreudig Gott ist.

Das Bild 'Parable of the Friend at Night', 1864 - John Everett Millais, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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