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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Eph. 1, 18 – 23 Die behutsame, geduldige, allgegenwärtige Allmacht Gottes

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Predigt zum Himmelfahrtsgottesdienst: Eph. 1, 18 – 23 Die behutsame, geduldige, allgegenwärtige Allmacht Gottes

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 1. Mai 2008 in der Ev.-luth. Dreikönigskirche:

'Ostermorgen'

Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwenglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat.
Durch sie (die Macht seiner Stärke) hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Es gibt in Indien einen christlichen Theologen mit dem Namen Job Anbalagan. Er arbeitet für die indische Regierung in einer Abteilung, die Korruption bekämpft. Dieser Pfarrer Anbalagan erzählte von einer unfassbaren Begebenheit, die sich im Jahre 2002 abspielte. Diese Begebenheit soll eine Tatsache sein. Es handelte sich um einen Christen mit dem Namen Solomon Baski, der aus dem Dorf Beddia im Staat Jharkand stammte. In seiner Gemeinde war dieser Solomon auch Laienprediger.

Eines Tages wurde er schwerkrank. Er bekam Malaria, und zusätzlich bekam er eine tödliche Krankheit, die Kalazar heißt, die durch Sandfliegen übertragen wird. Kein Arzt konnte ihm helfen. Als er hilflos im Bett lag, wurde er von seinen Familienangehörigen besucht. Seine Verwandten waren allerdings zornig. Sie waren davon überzeugt, dass er nur deswegen todkrank wurde, weil er und seine Frau zur Christenheit übergetreten waren. Sie forderten seine Frau dazu auf, alle Bibeln und christliche Literatur wegzuwerfen. Danach wollten die Verwandten einen Schamanen holen, um den Kranken zu heilen. Die Frau erwiderte: „Auch wenn mein Mann sterben sollte, werde ich keinem Zauberpriester erlauben, mein Haus zu betreten. Jesus wird meinen Mann sicherlich heilen. Niemand sonst kann uns im Moment helfen.“

Eine Woche später starb der Mann. Danach kam der Bestatter, um die Vorbereitungen für die Beerdigung vorzunehmen. Und während er dabei war, den Toten auf die Bestattung vorbereiten, wurde das Haus von der Verwandtschaft gestürmt. Die Frauen weinten bitterlich, aber die Männer waren wütend. Einer hielt der Frau des Verstorbenen vor: „Du hast Solomon getötet, denn du hattest dich geweigert, einen Schamanen holen zu lassen.“ Ein anderer rief: „Töte sie!“ Die Frau wurde überfallen und geschlagen. Es gelang ihr, in ein anderes Zimmer zu flüchten und die Tür zuzuriegeln. Während sie betete, versuchten ihre Verwandten, die Tür einzubrechen. Und dann gab es plötzlich eine Totenstille. Die Frau öffnete vorsichtig die Tür und sah ihren Mann, wie er am Bett saß. Der Tote war wieder am Leben.

Was ist hier passiert? War er nur scheintot? Handelt es sich um eine erfundene Geschichte? Oder hat Gott einen Toten auferweckt? Solche Fragen werden wir nie eindeutig beantworten können, denn wir waren nicht dabei, und auch wenn wir dabei gewesen wären, könnten wir vielleicht auch nicht mit Eindeutigkeit sagen, was wirklich passiert ist. Niemand von uns sollte leichtfertig glauben, dass diese Geschichte eine wahre Begebenheit ist. Gesunde Skepsis ist angemessen.

Aber die entscheidende Frage bei diesem Geschehen ist nicht, ob es tatsächlich stattgefunden hat oder nicht. Sondern die entscheidende Frage lautet: Ist es möglich, dass diese Geschichte wahr sein könnte? Ist es möglich, dass Gott in Indien einen toten Menschen auferweckte? Hat Gott tatsächlich die Macht, auch heute Tote zum Leben zu erwecken? Und die Antwort auf diese Frage ist eindeutig. Gott kann grundsätzlich alles. Mit Gott ist alles möglich. Denn die Macht Gottes, die in der Auferstehung Jesu Christi offenbart wurde, wirkt – wie es im Text heißt – „über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen“.

Aber diese Begebenheit in Indien veranschaulicht auch eine zweite Botschaft. Nämlich: was ist die größte Macht auf dieser Erde? Scheinbar gibt es keine höhere Macht als die Macht zu töten. Alle vermeintlichen Weltherrscher besaßen diese Macht. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Massenmordes: Mao Tse-Tung, Josef Stalin, Adolf Hitler haben Millionen von Menschen auf dem Gewissen. Diese unheilige Dreifaltigkeit offenbarte die größte Macht, die es auf dieser Erde gibt: die Macht, Millionen von Menschenleben auszulöschen.

Aber die Macht zu töten, steckt in jedem von uns. Mit Blicken und mit Worten kann man töten. Es gibt eine jüdische Auslegungstradition, dass Blutvergießen mit Worten möglich ist. Denn wenn eine Person etwas Anklagendes oder Beleidigendes sagt, was dazu führt, dass eine andere Person bleich im Gesicht wird, dann hat man Blut vergossen. Und der 1. Johannesbrief stellt fest: „Wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger.“

Aber es gibt eine noch größere Macht als die Macht zu töten. Es ist die Macht, Tote zum Leben zu erwecken. Diese Macht besitzt Gott allein. Niemand kann diese Macht überbieten.
Und in dem Haus in Indien, wo ein Mann mit dem Namen Solomon Baski auf seiner Bestattung vorbereitet wurde, gab es einen Kampf zwischen menschlicher und göttlicher Macht: die Macht zu töten kämpfte gegen die Macht, Tote aufzuerwecken. Es spielt keine Rolle, ob die Totenauferweckung eine Tatsache oder eine ausgeschmückte Erzählung ist. Diese Erzählung ist auf jeden Fall eine Veranschaulichung, dass die Macht Gottes unermesslich größer ist, als die Macht zu töten. Denn es ist tatsächlich möglich, dass die indische Geschichte wahr ist.
Und die Macht, die sich in einem Haus in Indien offenbart wurde, ist auch hier unter uns heute anwesend. Wie es in dem Text heißt, den wir vorhin gehört haben:

Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwenglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat. Durch sie (die Macht seiner Stärke) hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Dieser Text bringt folgendes zum Ausdruck: wenn es um rohe Macht geht, ist Gott nicht zu übertrumpfen. Es gibt keine größere Macht als die Macht Gottes, die Toten zu erwecken. Und dieser Epheserbrieftext bezeugt auch, dass diese überwältigende Macht hier unter uns in der Gemeinde anwesend ist.

Und das ist es, was die Christenheit an Himmelfahrt feiert. Die Himmelfahrt Christi bedeutet nicht, dass Christus nicht mehr auf Erde anwesend ist, sondern im Gegenteil: seit der Himmelfahrt ist Jesus Christus allgegenwärtig. Seine Anwesenheit beschränkt sich nicht mehr auf einen einzigen Punkt – nämlich da, wo die Füße von Jesus von Nazareth die Erde berühren -, sondern Jesus Christus ist überall anwesend – an allen Orten und zu allen Zeiten– und besonders da, wo die Christenheit sich versammelt, um das Altarsakrament zu feiern. Wie er sagte: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
Wenn wir also die Anwesenheit Jesu Christi unter uns feiern, wenn wir Brot und Kelch in die Hände nehmen, dann sind wir mit der größten Macht verbunden, die es geben kann: die Macht der Auferstehung. Wir brauchen deshalb keine Angst zu haben, egal was eintreten mag.

Aber diese Macht, an der wir Anteilnahme haben, bedeutet nicht, dass wir als Kirche automatisch erfolgreich sein werden – erfolgreich nach menschlichen Maßstäben. Jesus Christus hatte alle Macht im Himmel und auf Erden, aber auch er kannte Misserfolg. Gegen Unglauben und gegen eine Trägheit des Herzens konnte er nichts ausrichten. Da, wo Unglaube vorkam, konnte er keine Heilungen bewirken. Da, wo Herzen verhärtet waren, konnte er keine Umkehr einleiten. Da, wo Gewalt gegen ihn gerichtet war, war seine Macht zunächst verborgen. Denn die Macht der Auferstehung, - auch wenn sie die größte Macht ist, die es gibt, - ist eine behutsame und eine geduldige Macht. Diese Macht tötet nicht, sondern respektiert die Entscheidungswürde der Menschen. Diese Macht schaltet den menschlichen Verstand nicht aus, sondern will mit ihm zusammenarbeiten. Diese Macht setzt sich nicht um jeden Preis durch, sondern diese Macht ist bereit abzuwarten, bis der optimale Moment da ist, um einzugreifen.

Und durch die Erkenntnis, dass wir zu der Macht der Auferstehung gehören, sollen wir verwandelt werden. Möge Gott uns helfen, dass wir – im Herzen erleuchtet - besonnen, geduldig, dankbar, versöhnungsbereit und selbstlos liebevoll sind.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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