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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Epheserbrief 5, 1 – 8a Warum ein Geschäftsmann auf 2,5 Millionen verzichtete

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Warum ein Geschäftsmann auf 2,5 Millionen verzichtete Epheserbrief 5, 1 – 8a

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

Der Apostel Paulus beim Schreiben

Der Apostel Paulus beim Schreiben

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Epheserbrief 5, 1 – 8a

In diesem Text klingt Paulus wie ein Moralprediger. Ein Moralprediger ist jemand, der tugendhafte, sittliche Appelle verkündet, ohne sich um eine Begründung zu kümmern. Ein Moralprediger fordert das Gute mit nichtsagenden Begründungen: wie z. B. „es gehört sich so“, oder „so ist es anständig.“ Deswegen gibt es auch heutzutage einen moralischen Werteverfall, weil es für viele Menschen keinen Grund gibt, weshalb sie anständig sein sollten – außer vielleicht pragmatische Eigennützigkeit.

Die Bibel ist nicht in erster Linie an Moral und Anstand interessiert. Sondern die Bibel fängt mit Gott an und mit dem, was Gott getan hat. Die Einstellung der Bibel wird durch folgendes Beispiel deutlich.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in dem Süden der USA eine Sklaven-Versteigerung. Dabei wurde ein afrikanisches Mädchen zum Verkauf angeboten. Sie hat aber so herzzerreißend geweint, dass ein Plantagenbesitzer voller Mitleid mit ihr war. Für einen hohen Preis hat er sie gekauft und dann verschwand er. Am Ende der Versteigerung bekam das Mädchen den Verkaufsvertrag, auf dem das Wort „frei“ geschrieben stand. Während die anderen Sklaven, in Ketten gefesselt, abtransportiert wurden, ging die junge Frau zu dem Buchhalter und fragte nach dem Namen des Mannes, der sie freigesetzt hatte. Es wird berichtet, dass sie folgendes sagte: „Wo ist der Mann, der mich freigekauft hat? Ich muss ihn finden! Er hat mich freigesetzt! Ich muss ihm dienen, so lange ich lebe!“

Miriams Tanz

Dieses Ereignis veranschaulicht eine Dynamik der biblischen Geschichte. Der Ausgangspunkt für alle biblischen Gebote ist eine Befreiungstat Gottes. Die zehn Gebote z. B. beginnen mit den Worten: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe.“ Die zehn Gebote fangen also nicht mit einem Befehl an, sondern mit einer Feststellung: Gott hat Israel von einer Versklavung befreit. Die Gebote, die daraufhin folgen, sollen die gewonnene Freiheit absichern. Das Volk Israel soll die Gebote einhalten, damit der Befreiungsprozess fortgesetzt wird. Denn Götzendienst, Verachtung der Eltern, Mord, Ehebruch, Diebstahl, Meineid, Rufmord, pausenlose Arbeit ohne Ruhetag – das sind Tätigkeiten, die neue Versklavungen bewirken. Es geht hier um eine Menschenwürde, die von Gott abgeleitet ist. Denn wer das Gute tut, nur weil er eine Belohnung bekommen oder eine Strafe vermeiden will, der ist ein Sklave; wer mit einer Sklavenmentalität lebt, lebt würdelos.

Außerdem sollen die Gebote den befreiten Sklaven zeigen, wie sie Gott ihre Liebe und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen können. So wie die befreite afrikanische Sklavin ihrem Befreier freiwillig dienen wollte, so soll das befreite Volk aus Liebe und Dankbarkeit die Gebote einhalten. Denn biblische Gebote werden den Menschen nicht einfach auferlegt, sondern der Mensch entscheidet freiwillig, ob er sich nach ihnen richten will oder nicht.

In this 1768 parchment, Jekuthiel Sofer emulated decalogue at the Esnoga, this 1768 Sofer 1768, Jekuthiel Sofer

Für uns Christen ist die große Befreiungstat Gottes die Auferstehung Christi. Es gibt in diesem Zusammenhang eine Begebenheit, die veranschaulicht, welche Art Befreiung die Auferstehung Christi bewirkt. Es gibt einen Geschäftsmann mit dem Namen Johann Eckerd, der eine Kette von Verkaufsläden besitzt. Dieser Geschäftsmann hatte keine Beziehung zur Kirche oder zur Christenheit. Aber er hatte christliche Freunde und diese Freunde hatten ihm immer wieder kirchliche Zeitschriften oder theologische Schriften gegeben. Nachdem dieser Johann Eckerd ein Jahr lang diese christliche Literatur gelesen hatte, trat ein Wendepunkt ein. Auf einmal stellte dieser Geschäftsmann überraschend fest, dass er an die Auferstehung Christi glaubt. Seine Freunde beteten mit ihm und halfen ihm, seine neuen Erkenntnissen zu festigen. Danach, als er seine Verkaufsläden besuchte, stellte er fest, dass er anders geworden war. Denn zum ersten Mal störte es ihn, dass in seinen Geschäften pornographische Zeitschriften verkauft wurden. Es waren nur zwei Sorten und sie gehörten nicht zu den Schlimmsten, aber er konnte sie auf einmal nicht mehr ertragen. Nachdem er die Auferstehung Christi entdeckt hatte, entdeckte er als Folgeerscheinung, dass pornographische Zeitschriften eine Verletzung der Menschenwürde sind. Er hat daraufhin angeordnet, dass diese Zeitschriften von seinen Läden zu entfernen seien. Als er hörte, dass dieser Verzicht ihn zwischen 2,5 und 3 Millionen Euro im Jahre kosten würde, blieb er trotzdem bei seinem Entschluss.

Hier sehen wir wieder die Dynamik der Bibel: zuerst kommt eine Befreiungstat Gottes, danach kommt als Folge eine freiwillige Umkehr der Lebensrichtung. Das Auslösende war nicht eine Moralpredigt. Durch Vorhaltungen wäre dieser Geschäftsmann nicht zu verändern gewesen. Sondern das Auslösende war, dass er in der Auferstehung Jesu ein neues Bild von Menschenwürde erkannt hat. Er hat in der Auferstehung Christi erkannt, wozu der Mensch bestimmt ist, nämlich für ewige Herrlichkeit. Und daraufhin hat er gleichzeitig erkannt, was Sünde ist. Sünde ist das, was die Menschwürde erniedrigt oder beschädigt.

Von diesem Hintergrund aus ist der Epheserbrieftext zu verstehen, der für heute vorgesehen ist. Paulus fängt an – wie es in der Bibel üblich ist – nicht mit einer Moralpredigt, sondern mit einer Feststellung:

Christus hat uns geliebt und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer.

Gemeint ist der Kreuzestod Jesu, der gedeutet wird als ein Ausdruck der Selbsthingabe Gottes für die Menschen. Und dann schildert Paulus die Folgerung für die Christen, die diese Liebestat Gottes annehmen:

'Icon of The Ressurection', 2009, Ranosonar

Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.

Vielleicht sind diese Worte für uns heute nicht hundertprozentig nachvollziehbar. Wenn Paulus zum Beispiel närrische Reden verurteilt, dann klingt es so, als ob er ein Fastnachts-muffel wäre. Aber sinngemäß ist es erkennbar, was Paulus meint: Christusanhänger sollen durch ihr Verhalten bezeugen, dass sie zu dem Licht einer kommenden Welt gehören. Andere Menschen gehören zu der Finsternis einer vergehenden Welt. Deshalb schreibt Paulus:

ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Wer keine Hoffnung hat, die über das Grab hinausgeht, wird dadurch unweigerlich hektischer, ungeduldiger, ichbezogener, oder zynischer sein als Christen, die wegen der Auferstehung Christi in Ewigkeit geborgen sind.

Wenn Paulus heute schreiben würde, würde er andere Punkte herausstellen als in dem Epheserbrief. Er würde Verhaltensweise nennen, an denen erkennbar wird, wer zu der kommenden Welt und wer noch zu der Vergänglichkeit gehört. Er würde zum Beispiel eine Redeweise ablehnen, die zynisch, verächtlich, höhnisch, schadenfroh, herabwürdigend ist. Er würde ein Verhalten ablehnen, das eigensüchtig, geltungssüchtig und rücksichtslos ist. Es geht hier nicht bloß um Moral und Anstand, sondern es geht um eine Menschenwürde, die von einer Befreiungstat Gottes abgeleitet ist, und es geht deshalb auch um Zeugnis: Christen sollen durch ihr Verhalten die Auferstehung Christi bezeugen, damit möglichst viele Menschen neugierig gemacht werden und nach dem Grund der christlichen Hoffnung fragen.

In Afrika gibt es Christen, die zum Islam übertreten - unter anderem deswegen, weil der Islam überschaubarer ist: Was man tun sollte ist klar definiert. Ein Christ hat mehr Freiheit, aber auch mehr Ungewissheit. Aber es gibt einen Muslimen, der Christ wurde. Und seine Freunde fragten ihn, warum er Christusanhänger wurde. Er antwortete folgendermaßen: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen eine Landstraße entlang, und dann gabelt sich der Weg. Die Landstraße geht jetzt in zwei Richtungen und Sie wissen nicht, wohin Sie gehen sollen. An dieser Gabelung sind zwei Personen: einer ist tot, der andere lebt. Wen würden Sie nach dem Weg fragen?“ Diese Antwort veranschaulicht unsere Situation als Christusanhänger. Was wir tun sollen, ist nicht immer eindeutig. Aber der Ausgangspunkt ist eindeutig: Jesus lebt. Und alles, was wir tun und sagen, soll diese Wahrheit bezeugen.

Und eine Möglichkeit, wie wir die Auferstehung Christi feiern und bezeugen können ist durch das Abendmahl, das auch Eucharistie heißt. Und Eucharistie bedeutet: Danksagen.

Dementsprechend beginnt die Abendmahlsliturgie mit den Worten: Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott. Danksagung erwähnt Paulus ausdrücklich in unserem Epheserbrieftext für heute. Durch unsere Danksagung können wir Gott dienen, der uns von der Versklavung der Vergänglichkeit befreit hat. Amen.

Das Kunstwerk 'Der Apostel Paulus beim Schreiben' ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Aus einer Handschrift der Paulusbriefe, frühes 9. Jahrhundert. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, HB II 54 (Bibliothekarische Beschreibung). Die Abbildung, die dem St. Galler Skriptorium unter dem Schreiber Wolfcoz zugeordnet wird, folgt der frühmittelalterlichen Tradition des Autorenporträts. Sie gilt als eine der ältesten Darstellungen von Paulus in der europäischen Kunst. Die beigegebene Inschrift lautet: "S(AN)C(TU)S PAULUS" und "sedet hic scripsit" ("Er sitzt hier und schreibt").
Die Abbildung 'Miriams Tanz', Miniatur aus dem bulgarischen Tomić Psalter, 1360/63 gehört zum "Public Domain", weil ihr Copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'decalogue at the Esnoga', 1768, Jekuthiel Sofer', ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Ikone 'Icon of The Ressurection', 2009, Ranosonar, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.

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