Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matthäus 15, 21 – 28 Was wir von Hunden lernen können

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Kanaanäische Frau,  Musée Condé, Chantilly

17. Sonntag nach Trinitatis

Was wir von Hunden lernen können Matthäus 15, 21 – 28

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

Und Jesus ging weg von dort und zog sich zurück in die Gegend von Tyrus und Sidon. Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt. Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brotsamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde. Matthäus 15, 21 – 28

In der Stadt Sobrado in Portugal gibt es eine treue Gottesdienstbesucherin, die drei Jahre lang jeden Sonntag zur Kirche gelaufen ist. Ihr Name ist Preta. Es gibt drei Auffälligkeiten bei diesem treuen Gottesdienstbesuch: Erstens, der Gang zur Kirche beginnt um 5 Uhr morgens; zweitens, die Kirche ist 26 Kilometer entfernt; diese Preta läuft also mehr als 50 Kilometer jeden Sonntag; und drittens, diese pflichtbewusste Gottesdienstbesucherin ist ein Hund. Eine Zeitung in Lissabon berichtete, dass dieser Hund sogar mit der Gemeinde aufsteht und sich hinsetzt – so wie der Gottesdienstablauf es vorschreibt. Falls es Hunde gibt, die in den Himmel kommen, dann ist diese Preta eine Spitzenkandidatin.

Offensichtlich können Hunde für uns Menschen als Vorbilder dienen. Denn abgesehen von dem konsequenten Gottesdienstbesuch des portugiesischen Haustiers haben Hunde tatsächlich eine theologische Bedeutung, denn sie veranschaulichen die Gnade Gottes. Es klingt etwas frivol, so zu reden, aber Hunde sind tatsächlich ein Gleichnis der Gnade, weil ihre Liebe vorbedingungslos ist.

Denn wenn ein Hundebesitzer nach Hause kommt, wird er von seinem Haustier mit vorbehaltloser Liebe empfangen. Dieser Mensch könnte hässlich, arrogant, oder unkultiviert sein, er könnte ein Neonazi, ein Fußballhooligan, ein Umweltverschmutzer oder ein Sozialhilfebetrüger sein. Sein Hund wird ihn annehmen und lieben, so wie er ist, und veranschaulicht damit die Gnade Gottes.

Jesus erzählte die Begebenheit von einem Armen mit Namen Lazarus, der vor dem Haus eines reichen Mannes saß. Es hieß von diesem Lazarus: er „begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel“. Das heißt: Lazarus wartete vor der Tür wie ein Hund. Und er hatte keinen Beistand außer Hunden, die seine Wunden leckten.

Dieser Lazarus erinnert mich an Wohnsitzlose, die auf der Straße sitzen und betteln, die offenbar nur noch einen einzigen Beistand haben, nämlich einen Hund, der treu daneben sitzt, der den Mann nicht allein lässt. Diese Treue erinnert an einen Begriff im Alten Testament, der eine Eigenschaft Gottes bezeichnet. Luther übersetzte diesen Begriff mit dem Wort „Gnade“, aber gemeint ist kompromisslose Treue, bedingungslose Liebe.

Aber es gibt in dieser Begebenheit mit Lazarus eine weitere Dimension: die Tatsache, dass Lazarus nur Hunde als Begleiter hat, soll auch darstellen, wie tief er gesunken ist. Denn Hunde waren für Juden unreine Tiere. Von Hunden geleckt zu werden, war eine Erniedrigung. Tiefer kann man nicht absinken. Etwas Vergleichbares gab es bei dem sogenannten „verlorenen Sohn“, von dem Jesus erzählte, der zuletzt darauf angewiesen war, dass er Schweinefutter ausgehändigt bekam. Unter Hunden und Schweinen zu sein war für Juden eine tiefe Demütigung.

Für Jesus waren Hunde keine niedlichen Haustiere, sondern ein Inbegriff der Unreinheit und der Wildheit. Denn in der Bergpredigt sagte er: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.“

Von diesem Hintergrund gesehen, ist das Evangelium des heutigen Sonntags um so schwieriger zu begreifen. Eine heidnische Frau kam zu Jesus und bat um Hilfe für ihre gestörte Tochter. Zuerst antwortete er wie ein überkorrekter Beamter, indem er sagte: Ich bin für dich nicht zuständig, denn du gehörst nicht zu meinem Zuständigkeitsbereich. Dann heißt es: „Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“

„Hund“ war in der damaligen Zeit ein jüdischer Begriff für einen Nicht-Juden. Von der heutigen Perspektive wirkt diese Aussage Jesu wie Chauvinismus, oder – noch schlimmer – wie Rassismus. Einen Menschen mit einem Hund zu vergleichen ist zu allen Zeiten geschmacklos. Aber in der damaligen Zeit war dieser Vergleich menschenverachtend.

'Wyżeł_niemiecki_długowłosy na Światowej Wystawie Psów Rasowych w Poznaniu', 2006, Pleple2000

Wir werden nie dahinterkommen, wie diese Erwiderung wirklich gemeint war, als Jesus diese heidnische Frau mit einem Hund verglich. Vielleicht war dieser Vergleich als ironischer Humor gemeint; denn Ironie kommt bei Jesus vor. Aber auf jeden Fall kommt es hier auf die Erwiderung der Frau an, die sagte: „Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brotsamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!“

Die Tatsache, dass diese Frau bereit war, sich mit einem Hund vergleichen zu lassen, ist ein Glaubenszeugnis. Diese Frau hatte erkannt, wie sie vor Gott steht. Diese Frau erkannte, dass wir Menschen vor Gott vergleichbar sind mit Hunden, die von Krümeln der Gnade leben; d.h. wir sind absolut auf Gnade angewiesen. Wir können die Gnade Gottes nicht beanspruchen. Wir sitzen wie Hunde unter dem Tisch ihres Herrn und warten geduldig auf gnädige Zuwendung, wie Bettler. Diese Haltung erinnert an die letzten geschriebenen Worte Martin Luthers. Als er starb fand man einen Zettel, auf dem er geschrieben hatte: „Wir sind Bettler, das ist wahr“. Das heißt: wir sind total auf das Geschenk der Gnade angewiesen.

Dieser Vergleich ist alles andere als schmeichelhaft. Der menschliche Stolz ist nicht ohne weiteres bereit, einen solchen Vergleich zu akzeptieren. Deswegen war die kanaanäische Frau eine Ausnahmeerscheinung. Aber ehe wir unsere gekränkte Eitelkeit pflegen, sollten wir auf Jesus schauen.

Denn Jesus war die Selbsterniedrigung Gottes. Dementsprechend ist Jesus mit einem Hund verglichen worden.

'7 weeks old hovawart puppy
', 2006, Bodlina

Es gibt auf der Westseite der Stadt Chicago eine kleine Kirche. Ein Mitglied dieser Kirche ist eine schwarze Frau, die etwas sagte, was mich seit Jahren begleitet und was ich immer wieder zitiert habe; sie sagte: „Ich danke Gott, dass mein Heiland ein Hund war wie ich: er war ein Nichts, und ich bin ein Nichts. Und auf dieser Weise haben wir zueinander gefunden.“ Wenn diese Frau sagt: „Jesus war ein Nichts“, dann meint sie, dass er die Nichtigkeit unseres Lebens auf sich genommen hatte. Nichtigkeit wird in dem 1. Timotheusbrief definiert, wo es heißt. „Wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen“. Oder wie Hiob sagte: „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.“ Nichtigkeit ist ein anderer Ausdruck für Vergänglichkeit. Unsere Vergänglichkeit hat Jesus auf sich genommen.

Aber die Selbsterniedrigung Gottes ging noch weiter. Gott in Jesus ist hinabgestiegen zu der tiefsten Ebene menschlicher Existenz, so tief wie die Lazarusse dieser Welt, die unter Hunden leben. Auch Jesus befand sich zuletzt – nach der Sprache der Bibel – unter Hunden.

Denn die tiefste Erniedrigung war die Kreuzigung. Die Urchristenheit sah einen engen Zusammenhang zwischen der Kreuzigung Jesu und Psalm 22. An einer Stelle dieses Psalms heißt es: „Denn Hunde haben mich umgeben, und der Bösen Rotte hat mich umringt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben.“

Durch diesen Abstieg zu der tiefsten Demütigung, die es geben kann, hat Gott den Abgrund überbrückt, der zwischen ihm und uns Menschen bestand. Wegen dieser Selbsterniedrigung Gottes kann jeder Mensch fest damit rechnen, dass Gott unsere Schmerzen versteht, und dass er mit uns ist in allem, was wir erleiden. Wie eine christliche Zeugin sagte, als sie ein traumatisches Leiden durchmachen musste: „Ich habe die Anwesenheit des Gekreuzigten gespürt.“ Ein anderer Zeuge sagte: „Mitten im Leiden wurde mir bewusst, dass Gott mit mir ist, dass er alles im Griff hat, dass er weiß, was passiert.“

Wegen dieser kompromisslosen Treue Gottes zu uns Menschen, die er am Kreuz demonstriert hat und die immer wieder von christlichen Zeugen erlebt wurde, brauchen wir zuletzt keine Angst zu haben, egal was eintreten mag. Denn Gott ist mit uns und bleibt bei uns – heute und in Ewigkeit. Wie Lazarus sind wir für den Schoß Abrahams vorgesehen – d. h. für ewige Geborgenheit.

Das Kunstwerk 'Kanaanäische Frau', Musée Condé, Chantilly, gehört zum public domain, weil das copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Wyżeł_niemiecki_długowłosy na Światowej Wystawie Psów Rasowych w Poznaniu', 2006, Pleple2000, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie '7 weeks old hovawart puppy', 2006, Bodlina, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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