Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: Offenbarung 3, 7-13 - „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“

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'The crown of Carol I of Romania.', 1881, Angel

2. Advent

„Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Offenbarung 3, 7-13


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 8. Dezember 2013 in der Dreikönigskirche

Liebe Gemeinde!

Zeiten, in denen man Zuspruch braucht

Es gibt Zeiten, in denen braucht man einfach Zuspruch. Man ist wie umzingelt von Aufgaben, die alle noch vor Weihnachten bewältigt sein müssen. So viel zu schaffen und man weiß nicht, woher die Kraft und die Ideen dafür nehmen. Vieles klappt sofort und gut. Bei anderem müht man sich, gibt sein Bestes und stößt doch nur auf verschlossene Türen und Hindernisse, die scheinbar unüberwindlich sind.

Oder man hat sich gerade von einer Krankheit erholt, ist heilfroh, sie überstanden zu haben – da kommt sie wieder, heftet sich an einen wie eine Klette und zwingt einen erneut ins Bett. Wie wieder Vertrauen schöpfen, nachdem einen der beste Freund verraten hat oder man verlassen wurde? Woher den Mut nehmen für eine Entscheidung, die große Veränderung für einen selbst und andere bedeutet – was ist richtig, was falsch?

Woher die Hoffnung nehmen, wenn die Geschehnisse und Nachrichten im Großen und im Kleinen nicht viel Grund zu Hoffnung geben? In solchen Zeiten braucht man Zuspruch. Jemanden, der einen tröstet und ermutigt: Hab Vertrauen. Du wirst heil hindurch kommen. Du bekommst die Kraft dazu. Habe Geduld. Es wird sich eine Tür für dich öffnen.

'Statue of Roman emporer Trajan', 2010, Green Lane

Philadelphia in Bedrängnis

In einer solchen Situation war die christliche Gemeinde in Philadelphia in Kleinasien um die Zeit der ersten Jahrhundertwende nach Christus. Ein Ort im großen römischen Reich, auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Die Christen dort waren nur ein kleines Häuflein, eine verfolgte Minderheit. Philadelphia, wörtlich übersetzt „Stadt brüderlicher Liebe“, ging alles andere als geschwisterlich mit seinen Christen um. Wo Rom regiert, da sollen nur römische Götter verehrt werden.

Der römische Kaiser führt den Titel „dominus et deus“, „Herr und Gott“. Bis heute glauben manche, sie seien die „masters of the universe“, Herren des Universums, weil sie Geld und Macht haben. In Ephesus nahe Philadelphia ist in einem Tempel eine Statue vom Kaiser aufgestellt - in vierfacher Lebensgröße. Hier soll man dem Kaiser Opfer bringen. Wer das nicht tut, der bekommt die Macht des römischen Reichs zu spüren und wird grausam verfolgt.

Das Imperium schlägt zurück

Das Imperium schlägt zurück. Was kann da die kleine Gemeinde von Philadelphia ausrichten? Wie kann sie überleben? Manche Christen blieben fest, andere kamen ins Grübeln, ob sie sich nicht besser anpassen sollten, wieder andere fielen aus Sicherheitsgründen ab von ihrem Glauben. In diese Situation hinein schreibt der Seher Johannes, ein visionär begabter Mensch, das Buch der Offenbarung, das letzte Buch in unserer Bibel. Sein Brief ist ein Zuspruch an die Gemeinde von Philadelphia: „Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf:

'Statue of King David by Nicolas Cordier', 2006, Jastrow

Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.

Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!

Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Offenbarung 3, 7-13)

Brief voller Bilder

Ein Brief voller Bilder – wie ein Adventskalender, bei dem man Türchen um Türchen öffnet, um zu entdecken, was sich dahinter verbirgt. Ein Engel der Gemeinde, ein Botschafter Gottes, ist im Spiel. Christus, der Heilige, der Wahrhaftige hat den Schlüssel Davids, mit dem er Türen öffnet oder zuschließt.

Schlüssel Davids

Christus hat den Schlüssel Davids. In Jesus Christus hat sich kein neuer Gott offenbart. Es ist der Gott Israels, der Gott Abrahams und Davids und Marias. An diesen Grund der Hoffnung erinnert der Seher Johannes die Gemeinde von Philadelphia. Das ist wichtig im Ohr zu haben bei den Versen, in denen von der „Synagoge des Satans“ die Rede ist und von Juden, die keine sind, sondern lügen. Hier schreibt nicht ein Christ gegen Juden. Die ersten Christen waren Juden und haben sich auch als solche verstanden. Als Juden, die an Jesus als den Messias glauben.

Die Bezeichnung „Christen“ taucht im Neuen Testament relativ spät und selten auf. Die ersten Christen nannten ihren Glauben „den neuen Weg“ innerhalb des jüdischen Glaubens. Der Seher Johannes schreibt als Judenchrist über andere, die nach seiner Auffassung keine Juden sind. Christus hat den Schlüssel Davids. Er tut auf und niemand schließt zu. Er schließt zu und niemand tut auf. Bei jeder Tür kommt es darauf an, auf welcher Seite man steht, ob drinnen oder draußen – und ob das positiv oder negativ für mich ist.

'Former studio and home for Clas Grüner Sterner', 2011, Jopparn

Geschlossene Türen

Geschlossene Gesellschaft. Wir feiern hier ne Party und du bist nicht dabei. Hinter verschlossenen Türen wird zelebriert, dass man vermeintlich besser ist als andere, dass man hat, was andere nicht haben, dass man über andere bestimmen kann.

Geschlossene Tür kann Abschottung bedeuten. Wir hören im Advent viel über offene Türen an Adventskalendern und die Herbergssuche von Josef und Maria. Zugleich treibt unsere Stadt, unser Land, ganz Europa das Schicksal der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer um.

Eine Lösung für das hochkomplexe Problem der weltweiten Fluchtbewegungen vor Krieg oder Elend ist schmerzlich nicht in Sicht. Wer schon mit und für Flüchtlinge gearbeitet hat, weiß, dass Hilfe alles andere als einfach ist.

Grenzzäune um Europa aus Stacheldraht mit messerscharfen Klingen und Patrouillenboote sind eine Reaktion der Hilflosigkeit, aber keine Lösung. Auch in Frankfurt haben Kirchengemeinden ihre Türen für Flüchtlinge geöffnet. Wir alle wissen: Das sind nur Gesten. Aber immerhin Gesten.

'Berlin, Rumänische Asylanten', 1990, German Federal Archives

Offene Türen

Auch offene Türen begeistern nicht jeden. „Es zieht!“, hat eine Kollegin in München immer gerufen, wenn ich wieder mal die Tür offen gelassen habe. Offene Tür kann bedeuten: Ich bin allem ausgesetzt, was von draußen einfällt. Anders betrachtet signalisiert eine offene Tür Aufgeschlossenheit und Gastfreundschaft. Reinhard Mey singt: „Gute Nacht, Freunde! Habt Dank für die stets offene Tür, in der ich jetzt steh‘.“

Eine Tür, die sich innerlich öffnet, ist ein kleines Advents- und Weihnachtswunder. Etwas in mir war lange verschlossen, in den tiefsten Keller und in die Dunkelkammern meines Lebenshauses weggesperrt. Mit einem Mal tut sich die Tür auf. Ich kann Tränen laufen lassen. Ich kann endlich all die Dinge aussprechen, die mir eine solche Last waren. Davon erzählen, wie viel Kraft ich all die Jahre gelassen habe dafür, nach außen hin Optimismus und Lebensfreude verbreiten zu wollen, dafür sorgen zu wollen, dass die Dinge schön sind.

„Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige: Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie zuschließen.“

Das ist eindeutig: Die Tür steht offen. Keine Macht der Welt kann sie zuschließen. Das steht für Zukunft, für einen Weg aus Enge und Bedrängnis hinein in ein erlöstes Leben.

Kleine Kraft

Du hast eine kleine Kraft, schreibt der Seher Johannes der Gemeinde in Philadelphia. Klingt bescheiden, nach einem Lob mit Handbremse. Für gewöhnlich will man möglichst Großes leisten und dafür auch groß gelobt werden. Nicht nur gut, sondern jeden Tag ein bisschen besser, Stärke zeigen, Durchsetzungsvermögen an den Tag legen, selbst in der Liebe beim Anschnitt der Hochzeitstorte die Hand oben behalten.

Mensch Gernegroß, Gott gerne klein

'The Adoration of the Shepherds', 1622, Gerard Honthorst

Was hilft eine kleine Kraft gegen einen vierfach aufgeblasenen Kaiser? Das Lob der kleinen Kraft entspricht dem Erlöser, dessen Geburtstag wir an Weihnachten wieder feiern werden. Menschen sind Gernegroß. Gott macht sich gerne klein, zum Kind in der Krippe. Ein Kind als Offenbarung Gottes – das verlangt als wahrhaft menschliche Antwort die Achtsamkeit auf und die Sorge um jede Form von Leben, auch die allerkleinste und ursprünglichste, überall auf dieser Welt. Das verlangt alle Achtung für unsere kleine Kraft.

Geduld

Nichts gegen große Pläne und hohe Ziele. Doch auch dafür braucht es unsere kleine Kraft, die beständig wirkt. „Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast“, schreibt der Seher Johannes der Gemeinde. Geduld heißt in der griechischen Sprachwelt, darunter bleiben, aushalten können, bleiben, wo andere gehen. Jemand bleibt bei mir, bleibt dran, steht zu mir. Das ist manchmal unendlich viel mehr als Großtaten. Vergangene Woche ist Nelson Mandela gestorben. Er war 26 Jahre seines Lebens im Gefängnis, bevor er entscheidend zur Versöhnung in seinem Land Südafrika beitrug. Ich kann es mir nicht anders vorstellen: So etwas kann man nur mit der kleinen Kraft der Geduld.

Krönchen richten

Und obwohl du unten bist, trägst du eine Krone. Obwohl du zu den Verlierern gezählt wirst, trägst du den Siegeskranz. „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“, steht im Brief an den Engel der Gemeinde in Philadelphia. Viele kennen diesen Vers als Tauf- oder Konfirmationsspruch. „Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen“, steht auf einer Karte am Küchentisch einer Freundin. Das ist ganz im christlichen Sinne, sich ab und zu vergewissern: Ich habe mein Krönchen. Weil Gott mich an diesen Platz im Leben gestellt hat und mir, so wie ich bin, dieses Leben zutraut. Heißt nicht, dass ich alles perfekt mache. Ich liege oft genug daneben, verrenne mich oder falle hin. Gerade deshalb der Zuspruch: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.

Säule im Tempel Gottes

Der Zuspruch aus dem Brief an Philadelphia gilt für ein Leben, ja bis zum Ende der Welt. „Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes.“ Nun findet es nicht jeder erstrebenswert, Säule zu werden. Das ist ein Bild für die himmlische Nähe zu Gott. Die Gemeinde, wir selbst werden ein tragender Teil im Haus Gottes. Das erwarten wir im Advent und feiern es an Weihnachten: Gott kommt in unsere Welt. Und wir gehören zu Gottes Welt. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsre Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Der Urheberrechtsinhaber dieses Werkes ('Wooden doors in the old city of Jerusalem.', 2011, User:Mattes), veröffentliche es als gemeinfrei. Dies gilt weltweit.
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Das Gemälde 'The Adoration of the Shepherds', 1622, Gerard Honthorst, ist im the public domain in den United States, und den Ländern mit einem copyright Hinweis des Lebens des Authors plus 100 Jahre oder weniger.
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