Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: 13. Sonntag nach Trinitatis - Matthäus 6, 1-4 Wie kann ich spenden?

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'Essen, bettelnder Invalide', 1948, Lerche, Ernst

13. Sonntag nach Trinitatis

Wie kann ich spenden? Matthäus 6, 1-4


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 25. August 2013 in der Bergkirche

„Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.“ Matthäus 6, 1-4

Liebe Gemeinde!

Namentlich spenden?

Flutopfer, Erdbeben, Hungersnöte, Kriegsdrama: Auf Katastrophen folgen Fernsehsendungen, in denen Hunderttausende Euro für Menschen in Not gesammelt werden. Prominente motivieren zum Geben. Man ruft beim Sender an und nennt die Summe, die man spenden will. Die Namen hilfsbereiter Frauen und Männer, von Schulklassen und Firmen, die großen und kleinen Summen ziehen am unteren Rand des Bildschirms entlang. Wer sich wie großzügig zeigt, wird auf diesem Weg der ganzen Nation bekannt gegeben. Man ist gerührt über fünf Euro Taschengeld eines Kindes und wundert sich angesichts der recht bescheidenen 1000 Euro, die aus einem Weltkonzern kommen. Aber abgesehen vom guten Zweck: Sollten Spenden eigentlich so öffentlich von Hand zu Hand gehen?

Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut

In markigen Worten sagt Jesus:

„Wenn du Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten“.

Die linke soll nicht wissen, was die rechte tut. Das kann doch nicht funktionieren, denkt man beim ersten Hören. Normalerweise endet es im Chaos, wenn im Haushalt, im Büro, in Unternehmen, Kirche oder Behörden die linke nicht weiß, was die rechte tut.

'Junge Frau beim Orgelspiel', Georg von Hoesslin (1851–1923)

Tippen, Stricken, Orgel spielen

Tatsächlich aber gibt es viele Tätigkeiten, die am besten funktionieren, wenn beide Hände unabhängig voneinander arbeiten. Besonders die Abläufe, die mir durch Übung wie in Fleisch und Blut übergegangen sind. Tippen am Computer zum Beispiel. Solange ich nachdenken muss, was die Linke und was die Rechte tut, ich mit dem Adler-Such-System über den Tasten kreise, geht es nur langsam und mühsam vorwärts. Wenn ich nicht mehr suchen muss, welcher Finger welche Taste drückt, bekommt die Sache Tempo. So ist es bei vielen Handarbeiten wie Stricken oder Häkeln. Herr Stähle an der Orgel dürfte das bestätigen. Man ist am Instrument über das manchmal Nerven strapazierende Üben hinaus, wenn man nicht mehr nachdenkt, was die einzelnen Finger tun. Wenn die Linke, musizierend, nicht weiß, was die Rechte tut, ereignet sich Kunst. Die Musik fließt gleichsam aus ihnen heraus. Eine klingende Wohltat.

Wie in Fleisch und Blut übergegangen

Eine solche Haltung beim Almosengeben beschreibt Jesus: Teilen, Geben, das in Fleisch und Blut übergegangen ist, das selbstverständlich fließt wie Musik. Herzenstöne. In der Körpersymbolik der Bibel waren die Zuständigkeiten der rechten und der linken Hand klar getrennt wie zwei Reiche. Die rechte Hand tut Gutes wie Salben, Heilen, Segnen. Die linke Hand war eher suspekt. Linkshändertum hatten die Menschen der Bibel noch nicht im Blick. (Die Linkshänder unter uns bitte ich um Nachsicht!)

Keine Überweisung auf ein Konto im Himmel

Die Linke soll nicht wissen, was die Rechte tut. In der Körpersymbolik der Bibel bedeutet das: Meine Absicht soll rein auf das Gute gerichtet sein, das ich tue. Ich soll damit keine anderen, sozusagen linken Absichten verfolgen. Die Worte Jesu sind deutlich: Almosen geben ist nicht zum Herausposaunenen und Heucheln da. „Schaut her, was für ein guter Mensch ich bin!“ Almosen sind keine Überweisung auf ein himmlisches Konto. Man erwirbt sich damit keinen Schatz in der Ewigkeit.

Almosen

Das Wort Almosen im Griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, kommt wie im Deutschen von Erbarmen, Barmherzigkeit. Ich lasse mir zu Herzen gehen, wie es dem anderen geht. Es geht nicht um mich, sondern um den anderen.

„Dein Vater im Himmel, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“ (Matthäus 6, 4)

Vergelt’s Gott! Das ist nicht nur eine Floskel. Das beschreibt das Wissen: Es geht um mehr als Geben und Nehmen. Um mehr als „Do, ut des“ – ich gebe, damit du gibst. Ich lade dich ein, weil vorher du mich eingeladen hast. Es lässt sich im Leben nicht alles verrechnen. Geben, ohne zu kalkulieren, was ich dafür zurückbekomme, öffnet ein Stück Himmel auf Erden. Vergelt’s Gott…

Mister Zehn Prozent


Deine Linke soll nicht wissen, was die Rechte tut.

Das wird bis heute in die Tat umgesetzt. Der so genannte „Mister Zehn-Prozent“ etwa bleibt seit Jahrzehnten im Dunklen. Seinen richtigen Namen wollte weder der Begründer der Aktion noch derjenige, der inzwischen in seine Fußstapfen getreten ist, nennen. Er wünscht keine Aufmerksamkeit für die eigene Person, sondern will sie auf die lenken, die sie wirklich brauchen. Er spendet zehn Prozent seines Einkommens dann, wenn sich genügend Menschen finden, die wie er bereit sind, gut biblisch den „zehnten Teil“ dessen, was sie an Verdienst, Taschen-, Haushaltsgeld oder Rente besitzen, an Bedürftige weiter zu geben.

'Gemeindesommerfest 2013', AB

Gott lieb

Ob ein oder zehn Prozent, ob Freude über einen flüchtigen namentlichen „Fernsehauftritt“ oder dezente Zurückhaltung - gemeinsam haben öffentliche und anonyme Spender und Spenderinnen offensichtlich eines: Die Freude daran zu helfen und die Lust, mit ihren Gaben andere so anzustiften, dass sie sich auch zum Spenden bewegen lassen. Und das ist gut so, denn

„einen fröhlichen (!) Geber hat Gott lieb“, wusste schon werbewirksam der Apostel Paulus. (2. Korinther 9, 7)

Paulus sammelte in den von ihm gegründeten Gemeinden in Ephesus, Thessaloniki, Korinth Geld für die Gemeinde in Jerusalem. Paulus wusste, dass es dabei nicht nur um Materielles, um den schnöden Mammon geht. Das Spendensammeln schafft Verbundenheit. Es setzt Ideen und Kräfte frei. Man beteiligt sich, teilt und wird Teil.

Spendenbescheinigung? Stuhlpatenschaft?

Was ist mit den Spendenbescheinigungen, die man in unserer Gemeinde für die Kollekte bekommen kann? Jesus warnt davor, das Almosengeben auszuposaunen. Ohne Herumposaunen, einfach selbstverständlich geben kann ich beim Klingelbeutel genauso wie mit Kollektenumschlag. Was ist mit den Stuhlpatenschaften, für die unsere Gemeinde derzeit wirbt? Man spendet für einen neuen Stuhl im dann renovierten Gemeindezentrum. Der Name des Spenders, der Spenderin, wenn er bzw. sie das will, wird auf einem kleinen Schild am Stuhl angebracht. Widerspricht das nicht dem Jesus-Wort, das man im Verborgenen geben soll?

Natürlich könnte jemand mit dem Schild auf dem Stuhl prahlen: Schaut her, den Stuhl habe ich gespendet. Gemeint ist aber eine andere Absicht: Als Stuhlpate kann ich mich darüber freuen, zu einem Haus beizutragen, das für viele offen steht. Ein Haus, in dem man sich angesprochen und willkommen fühlt. Schwester Johanna Achenbach, Oberin der Diakonissen im Sachsenhäuser Krankenhaus, die leider diesen Juli verstorben ist, lag neben Krankenpflege und Seelsorge die Gestaltung der Räume sehr am Herzen. Sie sagte: „Wo Menschen zusammen sind, soll man sich wohl fühlen.“ Eine stille oder laute Freude wird es, im dann fertigen Gemeindezentrum zu sehen, wie viele Stühle für Menschen bereit stehen und noch mehr, wie viele Stühle besetzt sind – und unter den vielen der, für den ich Pate bin.

Spenden fängt mit Wollen an

Spenden fängt nicht mit Müssen, sondern mit Wollen an. Es ist die Erfahrung, selbst beschenkt zu sein, und die Idee zu teilen. Wer weiß, dass er nicht einfach alles verdient, was er bekommt, ist weise. Wer immer nur aufrechnet, Errungenes besorgt zusammenhält, wird nur ungern etwas hergeben. Schade, dieses verkrampfte Lebensgefühl – das etwas ganz Anderes ist, als sparen und sich sehr genau überlegen zu müssen, wofür man was ausgibt. Wer spendet, kann das in dem Bewusstsein tun, dass es ein Segen ist, spenden zu können. Martin Luther stellte pragmatisch fest: Wer geben will, muss vorher haben. Er kann auch nicht heute alles geben, will er morgen und übermorgen noch etwas zu geben haben. Man darf sich selbst nicht vergessen. Wer in der Lage ist, sich etwas zu gönnen, wird auch mit anderen großherzig umgehen können. Zur Barmherzigkeit gehört, auch mit mir selbst barmherzig umzugehen.

Teilen ist das neue Haben

„Teilen ist das neue Haben“ – so ist derzeit verschiedentlich zu lesen und zu hören. Ein großer Verlag hat im Juli zu dem Thema sogar eine eigene Zeitschrift mit dem Namen „Share“ entwickelt. Teilen als Lifestyle mit dem Motto „Gemeinsam erreichen, was alleine unmöglich ist“. Teilen statt besitzen – ein neuer Trend, der an die alte christliche Vision vom Teilen und Geben anschließt? Vielleicht.

Car sharing und Couch surfing

Teilen wird wieder populär. Zum Beispiel Autos – Car sharing. Mehr und mehr Menschen merken, dass sie mit einem geteilten Auto besser – und das heißt auch: günstiger – fahren, als wenn sie sich ein eigenes vor die Tür stellen. Beliebt ist auch das „Couchsurfing“: Ein inzwischen riesiges, weltweites Netzwerk von Menschen, die sich gegenseitig zum Übernachten auf der eigenen Couch einladen. Mit ihrer Gastfreundschaft auf Zeit teilen sie, was sie haben: eine Wohnung, eine Waschgelegenheit und eben eine Couch. Solches Teilen unterscheidet sich natürlich vom Almosengeben, denn man hat ja durchaus einen eigenen Nutzen davon. Aber es hat mit dem Geben gemeinsam, dass sich mehr ereignet als bloßer Warenaustausch.

'Engel mit Laute', 2010, HeinzLW

Haben und nicht brauchen ist Diebstahl

Eine Freundin in meiner Studienzeit nahm sich immer ungefragt ein Fahrrad, das unabgeschlossen im Keller ihres Wohnblocks parkte. Sie fuhr damit und stellte es anschließend wieder ordentlich an seinen Platz. Man kann das ein wenig – sagen wir mal - moralisch eigenwillig finden. Eines Tages fand sie an dem Fahrrad einen Zettel angebracht: „Hallo Mr. oder Mrs Unbekannt, du kannst mein Fahrrad gerne benutzen. Ich brauche es dann und dann. Es wäre schön, wenn es in dieser Zeit da wäre. Die Zahlenkombination für das Fahrradschloss ist übrigens folgende. Wäre nett, wenn du es unterwegs abschließt.“

Ein altehrwürdiger Pfarrer schenkte einer jungen Vikarin, einer Freundin von mir, die wertvolle Gesamtausgabe eines großen Theologen. Er sagte dazu: „Haben und nicht brauchen ist Diebstahl.“ Sie hat den Satz nicht vergessen. Für jedes neue Kleidungsstück, das sie sich heute kauft, sortiert sie ein anderes aus und gibt es an Menschen, die es brauchen.

Selig

Es gibt viele Formen und Möglichkeiten des Gebens und Teilens. Sie werden Ihre eigene Weise haben, das, was Ihnen am Herzen liegt, das, was Sie spontan rührt, gerne zu unterstützen. In aller christlicher Freiheit: Nicht gezwungen, sondern fröhlich - in aller Stille, mit Spendenbescheinigung, als Patenschaft für eine gute Sache, als Spendendauerauftrag oder spontan. Wenn einer oder eine gibt und der andere bekommt, passiert unendlich viel mehr als dass etwas den Besitzer wechselt.

„Wenn du gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Dein Vater im Himmel, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“

Geben mit Händen, aus denen himmlische Musik fließt. Herzenstöne. Das macht richtig selig schon auf Erden. Amen.

Die Photographie 'Essen, bettelnder Invalide', 1948, Lerche, Ernst, ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland lizenziert.
Das Bild 'Engel mit Laute', 2010, HeinzLW, ist unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license lizenziert.
Das Gemälde 'Junge Frau beim Orgelspiel', Georg von Hoesslin (1851–1923), ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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