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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: 6. Sonntag nach Trinitatis - Jesaja 43, 1-7 Was sagt mein Name über mich?

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'The Afon Glaslyn at Aberglaslyn', 2009, mattbuck

6. Sonntag nach Trinitatis

Was sagt mein Name über mich?
Jesaja 43, 1-7


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 7. Juli 2013 in der Bergkirche

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.

Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,

weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,

ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,

alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe. Jesaja 43, 1-7

Namen geben


„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“

Der US-amerikanische Sänger und Songwriter Bob Dylan brachte 1979 einen Titel heraus, in dem er davon singt, wie der erste Mensch Adam allen Tieren einen Namen gibt. Bob Dylan hatte sich zum Verdruss mancher Kritiker und Fans zum Christentum bekehrt und machte auch keinen Hehl daraus.

Bär, Kuh, Schwein, Schaf

'brown bear in Alaska.', 2006, Jim Chapman

Bob Dylan beschreibt, wie der Mensch nacheinander die verschiedensten Geschöpfe trifft, sie sich ansieht und ihnen dann – entsprechend ihrem Aussehen und Benehmen – einen Namen gibt. Er sieht zum Beispiel ein Tier, das gerne brummt, pelzige Tatzen hat und überhaupt reichlich behaart ist: Ein Bär! Er trifft eines auf dem Hügel, das gerne Gras frisst und aus dem unerklärlicherweise Milch fließt – eine Kuh!

Eines, das man an den langen Hörnern ziehen kann, aber besser nicht sollte, und das er Bulle nennt. Dann trifft er noch eines mit schmutzigem Gesicht und Ringelschwänzchen, das er beschließt, Schwein zu nennen. Eines mit Wolle auf dem Rücken und Hufen an den Füßen – ein Schaf!

Die Welt beim Namen nennen

Geschöpfen, auch den Dingen einen Namen zu geben – das heißt, sie sich zueigen machen. Durch den Namen setzt der Mensch sich selbst in Bezug zu den Dingen und Lebewesen um ihn herum. Kleine Kinder können begeistert in Bilderbüchern blättern und auf die dargestellten Tiere deuten: Wau, wau! Miau! Oink-oink! Eine frühe Form, die Welt auf einen Begriff zu bringen und zu begreifen.

Jede richtige Zuordnung der Kleinen löst Begeisterung aus – bei den Kindern selbst und fast noch mehr bei den Eltern: „Toll hast du das gemacht!“ Die Kinder entdecken mit der Benennung Stück für Stück die Welt.

Spuk genannt, Spuk gebannt

Auch für einen Erwachsenen bedeutet es Erleichterung, eine Sache beim Namen nennen zu können. Manchmal liege ich nachts wach und kann nicht sagen, was mich so schlafraubend umtreibt. Sobald ich benennen kann, was meine Sorgen sind, ist meist schon ein erster innerer Schritt zur Ruhe oder zur Veränderung getan.

Wie im Märchen, wo das kleine böse Männchen ums Feuer hüpft und sich teuflisch freut:
„Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“ Sobald die Königin den Finsterling beim Namen nennen kann, ist der Spuk vorbei.

Der eigene Name

In der Kindheit gibt es irgendwann die Phase, in der man großen Wert auf den eigenen vollständigen Namen legt. Ich war vier oder fünf Jahre alt, da antwortete ich immer mit wichtiger Miene, wenn ich nach meinem Namen gefragt wurde: „Ich heiße Martin Daniel Vorländer.“ Dass ich zwei Vornamen habe, sollte mein Gegenüber unbedingt zur Kenntnis nehmen, meinen Nachnamen sowieso.

Vornamen und Kosenamen konnte ich allerdings noch nicht recht auseinanderhalten. Im Kindergarten bekam jedes Kind ein Bonbon, das den Vornamen seiner Eltern wusste. Ich sagte: „Meine Eltern heißen beide Mäusi.“ Die Antwort scheint mehr als richtig gewesen zu sein, denn ich bekam dafür zwei Bonbons.

Namen bezeichnen nicht nur die Identität, sagen, wer man ist, sondern beschreiben auch die Beziehung untereinander und die Situation. Den anderen bei seinem Namen rufen, kann sich ganz unterschiedlich anhören. „Carlotta, hör sofort auf!“ klingt entschieden anders als „Gute Nacht, Lottchen, schlaf gut!“

Name als Segenswunsch

Wer einem Kind einen Namen gibt, will sich diesen Menschen nicht zueigen machen. Eltern wünschen sich ja, dass ihre Tochter, ihr Sohn zu einem eigenständigen, selbstbewussten Jungen bzw. Mädchen und später zu einer Frau, einem Mann heranwächst, der weiß, was er kann und was er will. Der Name für das eigene Kind ist wie ein Segenswunsch. Ein schöner Klang soll das Kind von Geburt an begleiten. Die Eltern wollen dem neuen Erdenbürger eine gute Bedeutung mit dem Namen in die Wiege legen.

Schall und Rauch?

Was sagt mein Name über mich? „Name ist Schall und Rauch“, sagt Faust zu Margarete. Bezeichnenderweise, als sie ihm die Gretchen-Frage stellt: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Faust will sich nicht festlegen und betätigt sich als Nebelwerfer. Im Umkehrschluss kann das heißen: Worauf ich meine Hoffnung setze, was ich glaube, was ich beim Namen nenne, kann ein Bekenntnis sein.

'Taufe als Nachahmung der Auferstehung', Christian arts

Wäre ich ein anderer, wenn ich anders hieße? Vielleicht kennen Sie den Gedanken, wie es wäre, wenn man unter einem anderen Namen in einem anderen Land, wo niemand die eigene bisherige Biographie kennt, ganz neu anfangen würde.

Christian name

Neuer Name, neues Leben. Bei Taufen in der frühen Christenheit war das so. Mit der Taufe bekam der bis dahin heidnische Täufling einen neuen Namen, seinen Taufnamen. Im Englischen heißt das Wort für „Vorname“ mitunter heute noch „christian name“, der christliche Name, der Taufname.

Der Name bezeichnet dann nicht nur, wer ich bin. Er zeigt vor allem, zu wem ich gehöre: Durch die Taufe zu Jesus Christus. Mein Name verbindet sich mit Gottes Namen. So beschreiben es schon die Worte des Propheten Jesaja:

„So spricht Gott: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (…)Bring wieder alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.“

Feuer und Wasser

Gott verbindet seinen Namen mit meinem Namen, mit Ihrem Namen. Gott und wir gehören zusammen. Das ist eine unauflösliche Beziehung, die hält, auch wenn alles andere um uns herum ins Wanken gerät, auch wenn unser Weg durch Extreme führt.

Beim Propheten Jesaja heißt es:

„Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“

Wasser und Feuer, das sind die beiden extrem entgegengesetzten Elemente, die je für sich lebensbedrohlich werden können.

'Baptism of Christ. Jesus is baptized in the Jordan River by John.', 2005, Davezelenka

Ich will bei dir sein

Der Glaube an den Gott Israels, die Taufe auf den dreieinigen Gott ist keine Glücksgarantie und keine Schutzimpfung. Auch denen, die Gott beim Namen ruft, bleiben Erschütterungen, Ängste, Bedrohungen nicht erspart. Durch Wasser und Feuer hindurch gilt Gottes Verheißung:

„Ich will bei dir sein. Du gehörst zu mir.“

Gott zieht uns durch – so wie der Täufling in der frühen Christenheit richtig durchs Wasser hindurch gezogen wurde. Aus den Strömen heraus hinein in das neue Leben mit Gott.

Grunderfahrung Israels


Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.

Gottes Worte richten sich zuerst an das Volk Israel. Wasserströme, Feuer und Flamme, das rührt an die Grunderfahrung im kollektiven Gedächtnis des Volkes Israel. Die Israeliten sind durchs Wasser gegangen, ohne zu ertrinken, als das rote Meer grüne Welle hatte. Sie konnten trockenen Fußes zwischen den geteilten Fluten aus der Sklaverei in die Freiheit ziehen.

Ich habe dich bei deinem Namen gerufen,

spricht Gott zu seinem Volk. Nicht weil sich das Volk selbst einen großen Namen gemacht hätte. Zur Zeit des Propheten Jesaja im 6. Jahrhundert vor Christus ist Israel alles andere als groß und mächtig. Dass es von Gott erwählt ist, kann man nicht an seinem Reichtum oder seiner Stärke ablesen.

Am Boden

Im Gegenteil: Israel damals liegt am Boden. Es ist besiegt. Sein Herzstück Jerusalem schlägt nicht mehr, sondern ist geschlagen. Die Menschen sind in alle Winde zerstreut, die Elite des Volkes in die Kriegsgefangenschaft verschleppt. Nur noch ein kläglicher Rest fristet sein Leben im einstmals gelobten Land. Kein Funken Hoffnung, nirgends.

Zu diesem elenden Häuflein Menschen, das mit seinen Kräften, auch mit seiner Kraft zu glauben am Ende ist, spricht Gott:

„Du bist in meinen Augen wertgeachtet und auch herrlich. Dich habe ich lieb.“

Gott verheißt, dass die Zerstreuten aus allen Himmelsrichtungen wieder zusammenkommen werden.

Zuspruch auf Kosten anderer?

Irritierend, dass dieser Zuspruch Gottes auf Kosten anderer geht. So heißt es:

„Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt (…) Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.“

'Jesus Mocked by the Soldiers', 1865, Édouard Manet

Für die Gedemütigten und Hoffnungslosen im Volk Israel damals mag das ein starker Trost und Zuspruch gewesen sein. Die Supermächte um Israel herum sind nicht mächtiger als unser Gott.

Trotzdem: Müssen erst andere niedergetreten werden, damit man selbst wieder auf die Beine kommt? Das Neue Testament setzt andere Akzente, es dreht diese Aussage sozusagen um: Da lässt sich Gott lieber selber verspotten und verhöhnen, als anderen zu schaden. Er gibt sich selbst als Lösegeld hin, um Leben möglich zu machen.

Weil ich dich lieb habe


„Ich habe dich erwählt, weil ich dich lieb habe.“

Bedingungslose, voraussetzungsfreie Liebe ist der Grund. Vor Gott muss ich kein Selbstdarsteller sein, um etwas darzustellen. Bei Gott muss ich mir nicht erst einen Namen machen, damit er mich kennt. Gott ruft mich bei meinem Namen.

Das ist in den Worten des Propheten Jesaja dem Volk Israel, das ist uns mit der Taufe verheißen. Ich muss nicht - ich darf, ich kann, in Gottes Namen und dann los! Mich daran festzuhalten, hilft besonders, wenn ich mich mickrig fühle, unansehnlich, unausstehlich oder von Sorgen überrannt, von übermächtigen Ängsten zu Boden gedrückt. Jeder kennt solche Situationen.

Bewährung

In größter Angst und Not hat mir geholfen, mich und Gott daran zu erinnern: „Du, Gott, hast versprochen, dass du mich bei meinem Namen rufst. Du sprichst: Fürchte dich nicht. Wenn das wahr ist, dann brauche ich dich jetzt!“

So verstehe ich Gottes Wort, dass ich mich daran festhalten darf, ja soll, dass es zur Wahrheit meines Lebens wird:

„Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Amen.

Die Photographie 'The Afon Glaslyn at Aberglaslyn', 2009, mattbuck, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.
Die Photographie 'brown bear in Alaska.', 2006, Jim Chapman, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Das Gemälde 'Baptism of Christ. Jesus is baptized in the Jordan River by John.', 2005, Davezelenka, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Das Gemälde 'Jesus Mocked by the Soldiers', 1865, Édouard Manet, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.

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