Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: Misericordias Domini - Johannes 21, 15-19 „Hast du mich lieb?“

« Predigten Home

'Leucanthemum vulgare', 2010, C T Johansson

Misericordias Domini

„Hast du mich lieb?“
Johannes 21, 15-19


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 14. April 2013 in der Bergkirche

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Johannes im 21. Kapitel:

Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!

Gott segne unser Hören und Reden. Amen.

Liebe Gemeinde!

'Margerite', 2012, böhringer friedrich

Liebst du mich wirklich?

„Er liebt mich, er liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht...“
Der Frühling kehrt wieder und mit ihm das locker leichte Spiel mit Blumenblättern, bei dem Verliebte hoffen, am Ende möge das letzte Blättchen sicher sagen, dass man tatsächlich geliebt wird.
„Sag: Liebst du mich?“ – „Wie sehr liebst du mich?“
oder gar
„liebst du mich noch?“.
Wenn ich diese Fragen laut spreche und höre, dann wird’s mir enger ums Herz. Vom neckischen Spiel mit Blüten und Blättern entfernen wir uns. Es wird ernst.

Bruch in der Liebe

Bei solchen Fragen ist zu spüren, dass es in der Liebe, in der Freundschaft einen Bruch gegeben hat. Jemand will sich vergewissern: Bist du noch mein Freund, stehst du noch auf meiner Seite? Hast du mich lieb? Wie auch immer der andere reagiert, jedes Wort, jede Geste gibt Antwort. Weicht er aus, sagt sie nichts, fühlt er sich in die Ecke gedrängt und wird wütend, gibt sie ein Bekenntnis ihrer Liebe? Alles ist aufschlussreich.

Ernstes Gespräch am Kohlefeuer

Die Liebe ist kein seltsames Spiel, sie ist eine ernste lebenswichtige Sache. Ernst liegt auch über der Szene am See Genezareth. Nach außen ein einfaches Gespräch im Kreis von Freunden am Kohlenfeuer, nach dem Frühstück.

Die Apostel, jetzt plötzlich wieder als Fischer zurückgekehrt in ihre Heimat Galiläa, hatten einen überraschenden, ja wunderbar guten Fang gemacht. Ein Unbekannter hatte sie aufgefordert, noch einmal hinaus zu fahren, obwohl sie schon die ganze Nacht vergeblich gefischt hatten.

Déjà vu

Ein Déjà-vu-Erlebnis: Vor drei Jahren, die sich anfühlen wie 30 Jahre her, hatte sie schon einmal ein Fremder aufgefordert, gegen alle Regeln der Fischkunst am helllichten Tag, wenn die Fische in unerreichbarer Tiefe schwimmen, die Netze auszuwerfen. Und nun auf Geheiß des Fremden fangen sie so viele Fische, dass sie das Netz kaum mehr ziehen können.

Da erkennen sie den auferstandenen Jesus. Keiner wagt, ihn zu fragen: Wer bist du? Gemeinsam halten sie das Mahl: Gebratene Fische und geröstetes Brot.

Die Sache mit Petrus

Am Kohlenfeuer steht Simon Petrus. Dreimal fragt Jesus ihn vor allen anderen:
„Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? – Hast du mich lieb? – Hast du mich lieb?“
Beim dritten Mal wird Petrus traurig. Zwischen den beiden ist noch eine Sache offen. Die Sache mit dem Verrat.

'Fire fire flames', 2013, Jon Sullivan

Jesus nennt ihn wieder bei seinem richtigen Namen, Simon. Vom Petrus, dem Fels in der Brandung, dem mutigen Bekenner, der gesprochen hatte
„Du bist Christus, der Messias“,
dem Kämpfer, der noch bei der Verhaftung Jesu am Ölberg sein verstecktes Schwert gezogen hatte, der geschworen hatte, er würde Jesus niemals verlassen, selbst wenn er dafür ins Gefängnis oder in den Tod gehen müsste - von diesem Petrus war nicht viel übrig geblieben.

Wenig felsenhaft

Nur ein paar Kapitel zuvor stand Simon Petrus auch schon an einem Kohlenfeuer, in der Nacht, als Jesus der Prozess gemacht wurde. Dreimal war er auch da gefragt worden:
„Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Jesus? Sah ich dich nicht bei ihm?“
Dreimal leugnete er und sprach:
„Ich bin’s nicht!“ (Johannes 18, 17-25)

Petrus steht nicht bei Jesus unterm Kreuz – da steht nur ein anderer Jünger, der Lieblingsjünger, und die Mutter Jesu. Petrus ist nicht der erste am leeren Grab – das sind Maria von Magdala und dann schneller als Petrus, der Lieblingsjünger. Petrus glaubt nicht als erster an die Auferweckung – das ist der Lieblingsjünger. Auch jetzt beim Fischfang am See ist er nicht der erste, der in dem Unbekannten am Ufer den auferstandenen Herrn erkennt – das ist, wir ahnen es, der Jünger, den Jesus liebte.

Als wäre nichts gewesen?

Das alles steht zwischen Simon und dem auferstandenen Jesus, als sie an diesem Morgen am See Genezareth miteinander essen und sprechen. Kann Simon Petrus einfach wieder so zu Jesus gehören und mit ihm am Kohlenfeuer stehen, als wäre nichts gewesen? Dreimal fragt Jesus ihn:
„Hast du mich lieb?“
Dreimal bekennt Petrus:
„Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Beim dritten Mal wird er traurig. Glaubt Jesus ihm nicht? Was kann er noch sagen oder tun? Was hilft, um eine verletzte Liebe wieder zu heilen, eine zerbrochene Freundschaft wieder zu versöhnen?

Innerer Dialog

Er hört die Frage:
„Liebst du mich Simon, Sohn des Johannes?“
Er hatte es doch so sehr gewollt, trotz aller Angst. Hat ihm und sich treu bleiben wollen bis in den Tod. Und ließest du deinen Leib verbrennen, Simon, und hättest die Liebe nicht, was wäre es dir nütze?
„Sag: Liebst du mich? Liebst du mich nicht nur jetzt, wenn alles gut ist? Liebst du mich auch, wenn ich schwach bin, von allen anderen verachtet, verloren, dem Tod geweiht? Hast du mich lieb? Ja?"

'Feed My Lambs', between 1886 and 1894, James Tissot

Das neue Gebot

Ohne Liebe ist alles nichts. Deswegen hatte Jesus bei seinem Abschied seinen Jüngern das neue Gebot mitgegeben:
„Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,34f)

Wer aus dieser Liebe lebt, wird nicht immer felsenhaft und fehlerfrei sein. Der macht nicht alles richtig. Der kann anspruchsvoll und ambitioniert sein und zugleich Versager und Gescheiterter, liebenswürdig und nervend, schnell und langsam, töricht und weise, eifersüchtig und großherzig – so wie du und ich, so wie Simon Petrus.

Der Fels mit Fehlern wird zum Hirten

Der biblische Petrus ist ein Fels mit Einschlägen und Splittern. Er wird weiterhin mit seinem stürmischen Temperament mitunter über das Ziel hinausschießen. Er wird manchen Streit in der jungen Christenheit vom Zaun brechen, seinen eigenen Kopf und seine eigenen Schwächen haben. Er ist nicht in dem Sinne Fels, dass sein Wort unverrückbar oder gar unfehlbar gilt. Die Apostelgeschichte erzählt, wie Petrus, der Fels weiter dazulernt und immer wieder von Gottes Geist auf den Weg der Liebe geführt wird.

Und gerade diesem Fels mit Fehlern vertraut Jesus. Ihm vertraut er die Seinen an.
„Weide meine Schafe!“
Was dazu nötig ist, ist allein die Liebe. Petrus wird nicht zum Hirten, weil er so vorbildlich war. Er wird nicht zum Hirten, weil er Jesus so nahe stand. Da gab es, so sagt das Johannesevangelium, andere, wie Maria von Magdala und den Lieblingsjünger.

Er wird zum Hirten, weil er einfach, so fehlerhaft und begabt wie er ist, zu diesem Jesus von Nazareth gehören möchte. Ein liebender und geliebter Fels mit Fehlern. Und genau so kann er anderen Halt und festen Boden geben, weil er Zeuge dafür ist, dass Gottes Liebe unverbrüchlich gilt.

Märtyrertod

Jesus sagt ihm voraus:
„Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.“ (Johannes 21, 18)
Fast klingt der Vers wie eine Beschreibung für das, was im Alter vor uns liegen könnte, was manche, alt geworden, erleben: nicht mehr Herr seiner selbst sein können, angewiesen sein auf andere, das sich manchmal anfühlt wie ausgeliefert an andere.

Das Johannesevangelium versteht das als Hinweis auf den Märtyrertod des Petrus, seine Kreuzigung, von der in der Bibel aber nicht berichtet wird.

'True Love', 2007, Louise Docker

Am Ende – die Liebe

„Er liebt mich, er liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht...“
Am Ende dieses Spiels liegen die Blüten und Blätter im Gras. Der Frühlingswind verweht sie. Am Ende des Gesprächs am Kohlenfeuer, am Ende des Lebens dieses Petrus bleibt der, von dem wir Christen sagen:
„Er ist die Liebe.“ (nach 1. Joh 4,16)

Der nimmt die Teile und Bruchstücke unseres Lebens, die verwehten Blütenblätter unserer Liebe wohl in Acht. Er will keine anderen. Er will uns. Und unsere Antwort auf seine Frage:
„Hast du mich lieb?“
Amen.

Die Photographie 'Leucanthemum vulgare', 2010, C T Johansson, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 3.0 Unported license.
Die Photographie 'Margerite', 2012, böhringer friedrich, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic license.
Die Photographie 'Fire fire flames', 2013, Jon Sullivan, wurde von seinem Urheber Jon Sullivan als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.
Die Photographie 'True Love' On Black', 2007, Louise Docker, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Das Gemälde 'Feed My Lambs', between 1886 and 1894, James Tissot, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.

^ Zum Seitenanfang