Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: Letzter Sonntag nach Epiphanias – Johannes 12, 34-36 Mehr Licht!

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Glasfenster im Kirchsaal Süd

Letzter Sonntag nach Epiphanias

Mehr Licht! Johannes 12, 34-36


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 20. Januar 2013 in der Bergkirche

Da antwortete ihm das Volk: Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. Johannes 12, 34-36

Liebe Gemeinde!

Mehr Licht

„Mehr Licht!“, soll der gebürtige Frankfurter und deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe auf seinem Sterbebett als die beiden letzten Worte gesagt haben. Zynische Zungen behaupten, er habe eigentlich im besten Frankfurterisch sagen wollen: „Ma licht hier schlecht“. Doch der Tod habe ihm die Wörter „hier schlecht“ entrissen, so dass nur „ma licht“ übrig blieb.

Weder Welle noch Teilchen

Mehr Licht. Licht ist seit Menschengedenken quer durch Religionen und Kulturen mit Überirdischem, Transzendentem, Göttlichem verbunden. Licht ist da und doch nicht da. Man kann es sehen, man kann seine Wärme spüren, seine Wirkungen auf Pflanzen und Lebewesen beobachten. Aber man kann es nicht greifen oder festhalten. Seine Natur ist bis in die moderne Physik hinein nicht eindeutig zu bestimmen: Auf Albert Einstein geht zurück, dass Licht weder Welle noch Teilchen ist, sondern sich unserer konkreten Anschauung entzieht.

Das Unbeschreibliche beschreiben

Darin gleicht das Licht der menschlichen Erfahrung mit Gott. Gott entzieht sich konkreter Anschauung. Alle Bilder, alle Worte für Gott sind bloße Hilfsmittel und Versuche, das Unbeschreibliche zu beschreiben. Man kann Gott nicht begreifen und doch gibt es die Erfahrung von Gottes Gegenwart, von Gottes Nähe.
Wenn wir uns gegenseitig von Gotteserfahrungen in unserem Leben erzählen, werden diese ganz unterschiedlich ausfallen. Das Erlebnis, dass ich aus großer Gefahr gerettet wurde. Augenblicke, in denen ich das Leben nicht einfach als selbstverständlich gegeben, sondern mit einem Mal licht und klar als ein großes Geschenk erlebe. Momente, in denen ich den großen Zusammenhang des Universums zumindest erahne. Überirdische Freude, bei der ich am liebsten die ganze Welt umarmen würde. Gebet, Gottesdienst, Abendmahl, Segen. Die Erfahrung, dass ich nach langer dunkler Zeit wieder ins Licht zurückgekehrt bin.

Lichtgestalt

Licht vertreibt die Schatten und bringt Klarheit. In unserem Predigttext klärt Jesus die Menge um ihn herum auf. Jesus hat Andeutungen gemacht, dass er geht: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ (Johannes 12, 32) Das macht die Menschen um ihn herum nervös. Was meint Jesus damit, dass er von der Erde erhöht wird? Jesus ist für sie die Lichtgestalt, der ersehnte Messias. Einer, der Wege zum Leben aufzeigt, der klar Licht von Dunkel unterscheiden kann. Ein Mensch, der Licht ins Leben bringt, mehr Licht, als je ein Mensch vorher bringen konnte. So einen will man nicht gehen lassen. Er soll bleiben. Mit ihm soll alles bleibend gut werden.

Oder doch nur Glühwürmchen?

Und nun sagt der, er geht. Ist er doch keine Lichtgestalt, sondern nur ein Glühwürmchen, das zwar ganz zauberhaft leuchtet und ein bisschen herumfliegt, am Ende aber doch von der Schwärze der Nacht verschluckt wird? Eigentlich hoffen sie, dass Jesus der ist, von dem es im Alten Testament heißt: „Seine Macht ist ewig und vergeht nicht und sein Reich hat kein Ende.“ (Daniel 7, 14) Wenn er geht, dann ist Erlösung doch nur wieder eine Episode und keine Ewigkeit.

'A man showing signs of melancholic depression.', 2012, Idontknowtheworldtoday

Enttäuschung

Die Menschen wollen eine Antwort von Jesus: Wer bist du für uns? Jesus antwortet nicht direkt. Er verwandelt die Frage nach dem Messias in die Frage nach dem Licht für jeden einzelnen. Das ist eine Enttäuschung, denn es bleibt schwierig. Das Licht ist doch nur eine kleine Zeit da. Die Finsternis bleibt.

Schwarze Romantik

Was Finsternis bedeuten kann, kann man noch bis heute im Städel in der Ausstellung „Schwarze Romantik“ besichtigen. Die dort gezeigten Gemälde und Filme rücken einem zu Leibe. Die Künstler schauen in die Abgründe der Seele und erzählen von Einsamkeit und Melancholie, von Albträumen und Depression, die einen wie Dämone überfallen, von Todesängsten und Grausamkeiten, die Menschen sich selbst und anderen antun. Die Ausstellung ist im Wortsinn un-heimlich. Die Bilder kommen einem fremd vor und doch decken sie auf, was einem untergründig „heimlich“ ist. Ängste, Unsicherheiten, Brüche in der Seele, die jeder von uns mal tiefer, mal nur andeutungsweise kennenlernt.

Licht-Übung

Jesus sagt: „Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Glaubt an das Licht, solange ihr’s habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“ (Johannes 12, 35+36) Sprach’s und ging weg und verbarg sich. Es ist, als würde Jesus die Menschen wieder auf sich selbst verweisen. Ich bringe euch Licht, aber nicht zu dem Zweck, dass ich als überragende Lichtgestalt im Rampenlicht stehe. Ihr selbst sollt Kinder des Lichts werden. Die Zeitgenossen Jesu sind in derselben Situation wie wir heute: Sie haben eine Ahnung von, eine Sehnsucht nach Licht. Doch der, der verheißt „Ich bin das Licht der Welt“, ist gegangen und hat den Auftrag hinterlassen: Werdet selbst Kinder des Lichts. Abwesenheit als eine Licht-Übung für alle, die ihm nachfolgen.

'Jesus healing the demon-possessed', Strasbourg Cathedral - Stained glass windows - Detail, 2012, Playing Futures: Applied Nomadology

Im finstern Tal

Im hebräischen Sprachraum steht „Kind von“, „Ben“ für eine unauflösliche Zugehörigkeit. Auch wenn Finsternis kommt, bleibt man ein Kind des Lichts. Gott hat Licht in dich und mich gelegt. Das bleibt, das leuchtet, wenn auch nicht immer sichtbar. Das ist wie ein Heiligenschein, der mit mir geht. Nicht weil ich selbst mich so besonders heilig verhalte. Sondern weil ich in die Heiligkeit Gottes hineingenommen bin. Wie werde ich ein Kind des Lichts? Indem ich mich an meine Zugehörigkeit zu Gott, zum Licht meines Lebens erinnere, auch wenn einmal die Schatten fallen. So wie sich der Beter des Psalm 23 an seine Zugehörigkeit zu Gott erinnert: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“

Finsternis bannen

Kind des Lichts zu sein heißt, der Finsternis nicht die letzte Macht zu lassen. In der Bibel wird das beschrieben als Dämonen austreiben. Das wirkt auf uns archaisch. Doch ehrlich gesagt ist diese konkrete Vorstellung manchmal heilsam: Ängste und Albträume, Aufgaben, die so groß werden wie Ungeheuer, in ihre Schranken verweisen: Zurück mit euch! Ihr mögt euren Anlass und eure Berechtigung haben. Das kann ich mir anschauen: Wovor habe ich Angst? Kriege ich das irgendwie portioniert, kann mir jemand dabei helfen? Ja, es gibt Finsternis. Doch im Namen Jesu Christi: Sie hat nicht die letzte Macht über uns.

Kind des Lichts – ein Auftrag

Kind des Lichts zu sein ist nicht nur auf mich selbst bezogen. Kind des Lichts zu sein ist ein Auftrag: Wir sollen und können anderen Licht, Wärme, Klarheit bringen. Mutter Teresa wird der Satz zugeschrieben: „Lasse nie zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist.“ Das gelingt nicht immer. Es kann auch zur Überforderung werden. Manchmal braucht es das Streitgespräch, so wie Jesus Streitgespräche um der Liebe und Wahrheit willen geführt hat. Und doch liegt in dem Satz eine Erinnerung und Ermunterung, es wenigstens zu versuchen. „Mehr Licht!“ Dazu kann jede und jeder mit eigener Leuchtkraft beitragen.

'St Mary's church - view east', 2009, Evelyn Simak

Die Seele in die Sonne halten

Kinder des Lichts. Ein Pfarrer wunderte sich über den Küster. Der saß oft, nachdem er den Blumenschmuck auf dem Altar gerichtet und die Lieder angesteckt hatte, immer noch ein paar Minuten in der Kirche, hatte die Augen geschlossen und hielt mit einem Lächeln das Gesicht leicht nach oben gewandt. Irgendwann fragte der Pfarrer ihn vorsichtig: „Was machst du da?“ Der Küster antwortete: „Ich halte meine Seele in die Sonne.“ Das möge unser Gottesdienst und das Abendmahl, das wir feiern, für uns sein: Ein Seele in die Sonne halten. Amen.

Die Photographie 'A man showing signs of melancholic depression.', 2012, Idontknowtheworldtoday, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Der Ausschnitt des Glasfensters 'Jesus healing the demon-possessed', Strasbourg Cathedral - Stained glass windows - Detail, 2012, Playing Futures: Applied Nomadology, ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.
Die Photographie 'St Mary's church - view east', 2009, Evelyn Simak, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.

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