Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: Epiphanias / Dreikönigstag – Jesaja 60, 1-6 Gottes Licht entgegen

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Wegkreuzung - Ausschnitt aus Nordfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

Epiphanias / Dreikönigstag

Gottes Licht entgegen Jesaja 60, 1-6


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 06. Januar 2013 in der Dreikönigskirche

Liebe dreikönigliche Gemeinde!

Zwiespältiger Januar

Januar ist schon vom Namen her ein ambivalenter, ein zwiespältiger Monat. Der Name leitet sich ab vom römischen Gott Janus. Janus war zuständig für Anfang und Ende, Ausgang und Eingang. Er wurde dargestellt als ein Kopf mit zwei Gesichtern: Ein Gesicht schaut zurück auf das eben noch Gewesene, das andere schaut nach vorn auf das, was kommt.

So doppelgesichtig, ambivalent können die ersten Januartage sein. Wir stehen auf der Schwelle zwischen Ausgang und Eingang. Das alte Jahr ist eben erst vergangen und wirkt noch nach. Das neue ist schon da und will angegangen sein. Das Feuerwerk von Silvester ist verraucht, Weihnachten verklingt.

Christbaumweitwurf oder bis Lichtmess

Die einen üben sich schon im Christbaumweitwurf. Ausrangierte Tannen säumen die Straßen. Die anderen wollen die Glanzlichter der Weihnachtszeit noch weiter leuchten lassen – mindestens bis zum Ende der Winterferien oder gar bis Mariä Lichtmess am 2. Februar. Eine Zeit janusköpfig, doppelgesichtig zwischen Nicht mehr und noch nicht. Nicht einmal der Himmel scheint sich in diesen Tagen entscheiden zu können: Er ist den ganzen Tag einfach nur grau, weder dunkel noch hell.

Lichte Klarheit als Reiseaufruf

Im Unterschied zu solch ambivalenter Jahreszeit und Stimmungslage ist der Predigttext für den heutigen Sonntag von großer Eindeutigkeit. Er lässt jedes Zwielicht hinter sich und überführt in lichte Klarheit. Er liest sich wie der alttestamentliche Reiseaufruf an die Weisen aus dem Morgenland im Neuen Testament.

Die Drei Könige in Bethlehem - Ausschnitt aus Nordfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.“ Jesaja 60, 1-6

Erste Adresse: Israel

Die Worte des Propheten Jesaja klingen wie für Weihnachten, wie für die drei Könige geschrieben. Erste Adresse aber war Israel in der Zeit des zu Ende gehenden Exils in Babylon. Es ist der bekannte, große Wendepunkt in der Glaubensgeschichte Israels: Das Land war von der Hegemonialmacht Babylon überrannt. Jerusalem mit dem Tempel ist zerstört. Zu den Schrecken des Krieges kommt die innere Zerstörung: Gott hat uns im Stich gelassen. Wir sind verloren.

Ganz schwarz sieht es im 60. Kapitel des Prophetenbuchs Jesaja nicht mehr aus. Es gibt Silberstreifen am Horizont, dass die Macht Babylons gebrochen wird. Dass die Exilanten heimkehren dürfen, dass Israel das Gelobte Land wieder aufbauen kann, und vor allem: dass Gott sich seinem Volk wieder zuwendet. Die Zukunft sieht nicht mehr völlig düster aus, aber auch noch nicht hell.

Zwischen Hoffen und Bangen

Israel befindet sich sozusagen janusköpfig, doppelgesichtig zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Noch ist nicht entschieden, wie die Sache ausgeht. So wie Situationen in unserem Leben, in unserer Zeit zwischen Hoffen und Bangen schweben. Man weiß nicht, was man glauben kann: Soll man mit dem Schlimmsten rechnen oder darf man sich Hoffnung machen?

In dieser Lage beziehen die Worte des Prophetenbuchs Jesaja eine überaus klare Position:

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt!“

Ja, es gibt Finsternis auf der Erde und Dunkel unter den Völkern. Aber darüber geht auf die Herrlichkeit Gottes. Keine niedergeschlagenen Augen mehr, keine vor Angst verkrampften Herzen, sondern erhobene Augen und weite Herzen!

Aufbauanleitung für die Krippe

Der Evangelist Matthäus hat diese alten Prophetenworte im Blick auf Jesus gelesen. Die Verheißungen des Alten Testaments haben den ersten Christen die Augen geöffnet für das, was sie in Jesus Christus erfüllt gefunden haben. So sind die Worte von Jesaja wie eine Aufbauanleitung für die Krippe. Maria und Josef, das Kind, der Engel, die Hirten – die waren schon an Heiligabend an ihrem Platz.

Jetzt kommt der Stern dazu.

„Dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“

Das ist wie die prophetisch-poetische Beschreibung des Sterns, den die Weisen gesehen haben und den sie als Zeichen für die Geburt eines besonderen Königs gedeutet haben.

Wegkreuzung - Ausschnitt aus Nordfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

Finsternis und Dunkel

„Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.“

Das Evangelium macht Finsternis und Dunkel konkret: Die Weisen aus dem Morgenland geraten erst einmal an den falschen König, den finsteren Herodes, der gute Miene zum bösen Spiel macht. Er gibt vor, dem neugeborenen König ebenfalls huldigen zu wollen. Er will die fremden Weisen zu seinen unwissentlichen Handlangern machen. Im Schilde führt er jetzt schon die Absicht, das Kind zu ermorden, ehe es ihm gefährlich werden kann.

Das Evangelium schaut hinter diese scheinheilige Fassade auf die dunkle Seite der Macht. Mitten in der Heilsgeschichte Gottes notiert das Evangelium, was Menschen an Unheil anrichten. Josef und Maria mit dem Jesuskind fliehen nach Ägypten. Gerade noch rechtzeitig, bevor Herodes alle Kinder unter zwei Jahren in Bethlehem töten lässt.

Damals und heute

Im Evangelium wird das Leid über dieses Verbrechen wieder mit einem Prophetenwort aus dem Alten Testament beschrieben: „In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.“ (Matthäus 2, 18 / Jeremia 31, 15) Erschreckend, wie sich die unheilvollen Taten von damals und heute gleichen. Herrscher, die für ihren Machterhalt über Leichen gehen und das eigene Volk niedermetzeln.

Abhängigkeiten

Ein Freund von mir kommt ursprünglich aus Syrien. Er kam zum Studium nach Europa und arbeitet hier seit vielen Jahren als Ingenieur. Er schrieb mir in diesen Tagen:

„Wenn ich sehe, wie viel unsere Wirtschaft vom Waffenverkauf abhängig ist, wird mir ganz anders. Ich habe versucht, einen Job in der High-Tech-Branche zu finden, wo man weder direkt noch indirekt mit der Waffenindustrie zu tun hat. Vergeblich.

Jetzt arbeite ich in einer Firma, die Sensoren baut. Ein Teil dieser Sensoren wird in der Kriegsindustrie eingesetzt. Jede Chipfirma macht einen Teil der Chips, die in Raketen eingesetzt wird. Jede Autofirma macht irgendwelche Teile, die auch für Rüstung verwendet werden. Und so weiter… Trotzdem hoffe ich, dass wir unsere Wirtschaft langsam, aber sicher weniger abhängig machen von diesem Geschäft, denn sonst werden wir zu Mittätern.“

Bei Lebensmitteln oder Kleidern ist es etwas anders, aber oft nicht besser. Immer wieder wird aufgedeckt, unter welchen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in anderen Ländern hergestellt wird, was wir hier kaufen. Wir sind wissentlich oder unwissentlich in diese Produktionskette verwickelt. Ich habe für mich noch kein Patenrezept als Lösung aus diesem Dilemma gefunden. „Hebe deine Augen auf und sieh umher“, heißt es beim Propheten Jesaja (Jesaja 60, 4). Wacher Blick, Aufmerksamkeit für Zusammenhänge und Hintergründe ist ein erster Schritt. Im Evangelium leitet der Stern die Weisen weg vom zwielichtigen Herodes, der sie zu Handlangern machen will, hin zum Kind in der Krippe. Solches Geleit aus wissentlichen und unwissentlichen Verwicklungen heraus brauchen wir auch heute.

Obere Südfenster: Reisevorbereitungen - Ausschnitt aus Glasfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

Kamele an die Krippe!

Die Weisen bringen dem Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gold und Weihrauch stehen schon im Prophetenbuch Jesaja in unserem Predigttext: „Die Menge der Kamele wird dich bedecken. (…) Sie werden kommen und Gold und Weihrauch bringen.“ (Jesaja 60, 6) So kommen die Kamelfiguren an unsere Krippe. Jesaja hat’s vorausgesehen… Kamel steht damals für etwas ganz Anderes als heute. Ein Spruch von heutzutage lautet: „Wer arbeitet wie ein Pferd, fleißig ist wie eine Biene und abends müde wie ein Hund, sollte zum Tierarzt gehen: Vielleicht ist er ein Kamel.“

Damit hat das biblische Kamel wenig zu tun. Ein Kamel oder gar die Menge der Kamele, wie es bei Jesaja heißt, stehen für Reichtum. Kamel/Jamil bezeichnet in semitischen Sprachen das Tier und Schönheit. Das Kamel ist ein hochgeschätztes Lebewesen – das Wüstenschiff, trag- und durchhaltefähig. Noch heute heißt es im Arabischen: Der Mensch kennt die 99 Namen Gottes, aber das Kamel kennt auch den 100. Deshalb grinst es immer so hintergründig.

Kameleigenschaften können gute Qualitäten fürs neue Jahr sein: Geduld, Durchhaltekraft für Durststrecken, Lasten tragen können und andere entlasten. Und manchmal freundlich lächeln, wenn alle wie aufgescheuchte Hühner großes Gewese um 99 Dinge machen und dabei das entscheidende Eine aus dem Blick verlieren.

Leerstellen zum Weitererzählen

Aus den biblischen Weisen aus dem Morgenland wurden beim christlichen Weitererzählen die drei Könige. In der Bibel steht nicht, dass sie Könige waren und auch nicht, wie viele. Auf die Könige und die Dreizahl kam man aufgrund der Kostbarkeit der drei Geschenke. Gold wie für einen König, Weihrauch wie für einen Priester. Myrrhe war das Aspirin des Alten Orients: gegen alle möglichen Krankheiten gut. Es war auch ein Mittel beim Einbalsamieren von Leichnamen, so wie die Frauen am Ostermorgen den Leichnam des gekreuzigten Jesus salben wollen. Myrrhe für das Jesuskind in der Krippe. Von Geburt an der Gesalbte, hebräisch der Messias, auf Griechisch der Christus.

Die Bibel lässt vieles über die Weisen aus dem Morgenland offen. Wer waren sie? Wie ging ihr Weg weiter, nachdem sie aus Bethlehem heimgekehrt waren? Diese Leerstellen in der Bibel haben gereizt, ihre Geschichte weiterzuerzählen. Sie bekamen Namen, Caspar, Melchior und Balthasar. Man stellte sich vor, sie wären aus verschiedenen Erdteilen gekommen, Asien, Europa und Afrika. Die damals bekannte Welt. Zeichen dafür, dass Weihnachten kein abgeschiedenes Ereignis ist, sondern die ganze Welt bewegt.

Man deutete die drei als verschiedene Lebensstufen: junger Mann, Mann in der Mitte des Lebens, alter Mann. Drei Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters sind miteinander unterwegs und folgen dem Stern. Sie erleben, wie Gott sie leitet durch Widrigkeiten hindurch, über Umwege, bis sie finden, was sie selig macht.

Dreikönigliche Glaubensreise

Sie hier in der Dreikönigskirche sitzen mittendrin in ihrer Geschichte. Die Bilder in den seitlichen Kirchenfenstern ringsum zeigen in zwanzig Szenen den Weg der drei Könige. Sie können sie, wenn Sie mögen, nach dem Gottesdienst von der Empore aus betrachten. Es geht im südlichen Seitenschiff los: Ein König tritt aus seinem Zelt. Der Stern leuchtet über ihm, aber er scheint die Strahlen noch gar nicht zu sehen. Jeder der drei startet seine Reise zunächst allein. Aber dann treffen sie sich an einer Kreuzung und reisen nun gemeinsam.

Peacocks - Ausschnitt aus Nordfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

Die Fenster sind unterbrochen und durchzogen von Bändern aus weißem oder gelbem Glas. Wie verschlungene Wege und Lebenslinien. Eines dieser Bänder könnte unser Weg sein. Die Wege sind nicht einfach. Sie sind gesäumt von Kreuzen. Oben auf der Nordempore kommen die drei in Bethlehem an: Das Fenster zeigt Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm. Man sieht das Staunen in den Gesichtern der drei Könige. Das Jesuskind hat die Hände wie zum Segen gehoben. Darüber ist eine Gruppe von Pfauen abgebildet, Symbol für das verlorene und wiedergeschenkte Paradies. Das ist das Ziel.

Freie Fläche

Auffällig ist, dass der Künstler Charles Crodel so viel leeren Raum zwischen den Stationen gelassen hat. Für die freien Flächen hat er keine besondere Farbe gewählt. Sie sind einfach grau. Unentschieden zwischen hell und dunkel so wie der Januar-Himmel. Ungestaltet, noch unbestimmt, so wie die Wege, die im neuen Jahr vor uns liegen. Doch in dieser grauen Fläche gibt es leuchtende Stationen: Kreuzungen im Leben, an denen man Weggefährten trifft. Kamele, die die Reise erleichtern und Lasten tragen. Engel, Eingebungen, Träume, die Botschaften von Gott überbringen und einem durch das Grau hindurch den Weg weisen. Gottes Stern, der am Ende dahin leitet, wo wir Seligkeit finden können.

Gottes Licht entgegen

Es ist nicht mit einem Schritt getan. Es ist eine Reise von zwanzig Stationen, so wie wir Station um Station in unserem Leben unterwegs sind, in unserem Glauben unterschiedliche Stellen passieren. In all den Bildern der Kirchenfenster ist Bewegung, Aufbruch zu entdecken. Wie der ins Bild gesetzte Aufruf aus dem Prophetenbuch Jesaja: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt.“ So unbestimmt die Zukunft vor uns liegt, darum geht es: Sich aufmachen. Selbst licht werden. Gottes Licht entgegen. Amen.

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