Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: 2. Sonntag in der Osterzeit - Misericordias Domini – Gott ist Licht.
Predigt über das Lichtkunstwerk „Transformation“

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Lichtkunstwerk „Transformation“, 2012, Bianca Mubiiki-Hörig

2. Sonntag in der Osterzeit - Misericordias Domini

Gott ist Licht
Predigt über das Lichtkunstwerk „Transformation“


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 22. April 2012 in der Dreikönigskirche

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

Liebe Gemeinde!

Eine Woche war das Lichtkunstwerk mit Namen „Transformation“ nun in der Dreikönigskirche zu Gast. Wie ein leuchtender Himmelskörper im Kirchenschiff – heute zum letzten Mal. Erlauben Sie, dass ich noch einmal ein paar Predigtgedanken um es herum schweben lasse.

Im 1. Johannesbrief im 1. Kapitel steht: „Gott ist Licht“ (1. Johannes 1, 5). Ein steiler Satz. Wie kann man das sagen, wie und wer Gott ist? Streng genommen gar nicht. Gott ist der völlig Andere, für uns nicht begreifbar. Wir Sterblichen sprechen über den Ewigen. Wir Endlichen machen Aussagen über den Unendlichen. Eigentlich sprechen wir über das Unaussprechliche. Das können wir nur tun in dem Wissen, dass unsere Worte, Gebete, Bekenntnisse, Lieder nur Annäherungen sind, mit denen wir Gott die Ehre geben. Kunst kann eine Sprache für das Unaussprechliche sein. Kunst kann eine Ausdrucksform des Glaubens sein. In gleicher Weise symbolisch wie all unser Reden von Gott.

Symbol war im antiken Griechenland ein Zeichen der Gastfreundschaft: Ein Tonring, der in der Mitte auseinander gebrochen wurde. Gast und Gastgeber behielten je eine Hälfte, die sie beim Wiedersehen zusammengesetzt haben. Ein Symbol weist über sich selbst hinaus auf die fehlende Hälfte, auf das, was jenseits von ihm liegt, was nicht greifbar ist.

So verhält es sich mit Kunst in der Kirche, mit den Ausdrucksweisen unseres Glaubens: Sie weisen über sich selbst hinaus. Wir können nicht sagen: Schaut her, da ist Gott, wir haben ihn in der Hand, wir führen ihn im Mund, wir haben ihn dingfest gemacht. Was wir können: Wir weisen auf Gott hin, wir bleiben in seiner Spur.

Das Lichtkunstwerk nimmt das auf: Es verbindet das Greifbare mit dem Ungreifbaren. Das Grundmaterial sind drei Aluminiumschienen, jede sechs Meter lang, die ein gleichschenkeliges Dreieck bilden. An die Schienen sind ganz normale Wollfäden gespannt, die in die Höhe laufen und sich in einem Punkt treffen. Auf dieses Gebilde aus Aluminium und Wolle, 2,5 Kilo leicht, wird Licht geworfen. Licht in verschiedenen Facetten: als violettes Schwarzlicht, als Lichtspiele, als Videoprojektionen. Licht, das für uns nicht greifbar ist.

Lichtkunstwerk „Transformation“, 2012, Bianca Mubiiki-Hörig

Licht ist eines der Symbole, mit denen die Bibel von Gott spricht. Licht beschreibt das Wirken Gottes. Von der ersten Seite an. „Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht“, heißt es im Schöpfungsbericht. Licht beschreibt nicht nur die Wirkweise Gottes, sondern auch Gott selbst, so wie Christus von sich spricht: „Ich bin das Licht der Welt.“

Was ist Licht? Was will die Bibel damit von Gott sagen? Licht ist das, was Leben hervorbringt. Jeden Frühling können wir das neu erleben. Gott ist der, der Leben schafft. So wirkt Gott: wie Sonnenstrahlen, die die Blüten einer Pflanze zur Entfaltung bringen. Fast jede Kirche beschreibt in ihrer Architektur diese Gotteserfahrung. So wie Sie hier in der Dreikönigskirche sitzen, sind Sie nach Osten ausgerichtet. Die Nacht liegt hinter Ihnen und hat sich in den Westen zurückgezogen. Sie schauen nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen, ins Land der Morgenröte. Die Sonne ist da, ob der Himmel wolkenverhangen oder klar ist. In der Sprache des Glaubens ist es die Sonne der Auferstehung, der wir entgegensehen.

Licht vertreibt Dunkelheit. Eine Kerze anzuzünden ist wie ein Tröster in finsteren Zeiten oder wie eine Inspiration, eine Erleuchtung, wenn man sich gerade einfallslos und leer fühlt. Gott ist Licht. Wie Gott uns begegnet, beschreibt in der Sprache des Glaubens die Trinitätslehre. Wie die drei Seiten eines Dreiecks: Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Gott Vater, der Schöpfer, der uns Leben schenkt und erhält. Gott der Sohn, der Gottes Licht in die Welt gebracht hat. Gott der Heilige Geist, der einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat.

Ich nehme das Lichtkunstwerk gerne als einen Impuls für die eigene Biografie und Gotteserfahrung: Wie erfahre ich Gott? Welche Seite Gottes wendet sich mir zu? Nach welcher Seite sehne ich mich? Nach dem, der mir Lebendigkeit schenkt? Nach dem, der mich erlösen kann von dem, was Leben so dunkel und schwer machen kann? Nach frischem Esprit, nach Trost, nach Geistesgegenwart?

Martin Luther sprach von dem zugewandten, offenbaren Gott, der uns als Licht und Liebe begegnet. Der „deus revelatus“. Aber auch das gehört zur Gotteserfahrung: Dass Gott abgewandt sein kann – ein „deus absconditus“.Dass man sich unendlich fern fühlen kann von Sinn und Erfüllung. Dass Gott nur dunkel und verborgen erscheint, unverständlich, unerreichbar wie die abgewandte Seite des Dreiecks.

Gott ist Licht, das Leben schafft. Gott ist auch selbst der Lebendige. Gott lebt. Und Leben bedeutet Beziehung, in Verbindung sein. Leben ist Dynamik. Jede Ecke des Dreiecks verweist auf die zwei anderen. Jede Seite ist mit den beiden anderen in Verbindung. Die Personen der Trinität verweisen aufeinander. Die Stimme vom Himmel spricht bei Jesu Taufe im Jordan: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Der Sohn wiederum verweist auf den himmlischen Vater und verheißt den Heiligen Geist, der vom Himmel herabkommt und die Menschen mit Gottes Gegenwart erfüllt. Vom Himmel zur Erde und wieder zurück. Gott bleibt nicht für sich. Gottes Sein ist im Werden. Gott ist Gott für uns. Gott ist der Ewige und zugleich der, der sich in unsere Zeit, in unser Leben, in unsere Endlichkeit hinein begeben hat. Ein Symbol für Gott ist das Dreieck mit einem Auge darin. In Bewegung, in Verbindung und doch in sich ruhend.

Lichtkunstwerk „Transformation“, 2012, Bianca Mubiiki-Hörig

Das Dreieck hat nicht nur horizontale Dimension. Es steigt auf in die Höhe. Die Wollfäden laufen nach oben und treffen sich in einem Punkt. Sie zeichnen die Aufwärtsbewegung nach, die der Neugotik unserer Kirche innewohnt. Die Säulen, das Gewölbe streben nach oben und verleihen uns ein Gefühl von Aufwärtsbewegung, von Erhebung. „God lifts us up where we belong.“ Gott erhebt uns in die himmlischen Höhen, für die wir bestimmt sind.

So geradlinig wie die Fäden nach oben verläuft Leben nach aller Erfahrung nicht. Unser Leben ist meist eher ein Kuddelmuddel, ein Gewirr an losen Fäden und Enden. Oftmals auch ziemlich fadenscheinig. Ein roter Faden? Schwer zu erkennen! Letztlich aber ist uns verheißen: Ihr seid unterwegs zum Licht. Unter den Irrungen und Wirrungen, die Ihr erleidet oder die Ihr selbst verursacht, darunter läuft Gottes Bewegung für Euch ab und zieht Euch empor. Letztlich seid Ihr auf dem Weg zum Licht. Denn Christus ist euer Licht.

So lose und verknotet unser Lebensfaden sein kann, Gott wäre nicht der Schöpfer der Welt, wenn er nicht unseren Faden aus dem Staub erheben könnte und mit behutsamer Hand nach oben, zum Himmel führt. Unser irdischer, dreckverkrustete Faden kann einmal der Stoff werden, auf dem Licht und Schatten nicht mehr im Streit miteinander liegen, sondern sich zu einem Bild fügen. Die Stränge unseres Lebens als Projektionsfläche für himmlische Lichtspiele. Und nicht allein unser Faden. Es sind viele Linien, die aus den verschiedenen Ecken nach oben laufen und sich schließlich in einem Punkt treffen. „Vergesst nicht, Freunde: Wir reisen gemeinsam“, dichtete Rose Ausländer. Wir im Ensemble, so verschieden wir sind, dürfen mit unserem Leben einen Widerschein von Gottes Licht geben.

Nicht erst dereinst in Ewigkeit, sondern schon jetzt. Denn, so schreibt der Apostel Paulus: „Ihr seid Kinder des Lichts. (1. Thess. 5, 5) Wir können wie Licht für andere sein: Wärme in kalten Zeiten, sanft wie Frühlingssonne, so dass ein Mensch neu auflebt, Lichtstärke, so dass ein anderer seine Kräfte wieder sammeln und sich entfalten kann.

„Transformation“ nennt der Künstler Markus Jordan sein Lichtobjekt. Verwandlung. Die Verwandlung vom Irdischen zum Himmlischen. Wandlungen durchlaufen wir viele. An den Kindern kann man es nahezu täglich mitverfolgen, wie sie sich wandeln und wachsen. An uns erwachsen geworden, älter werdend sehen wir Wandlungen am eigenen Leib, spüren sie an unseren Kräften und Nervenkostüm, in Geist und Seele. Manche Wandlungen, die Entwicklung und Zugewinn bedeuten. Andere Wandlungen, die uns zwingen, die Dinge der Jugend mit Grazie zu verabschieden. Irgendwann steht uns die eine große Wandlung bevor von diesem Leben in den Tod und, wie wir glauben, über den Tod hinaus.

Wie das sein wird, kann auch nur symbolisch beschrieben werden, in Worten, die über sich selbst hinausweisen. Der Apostel Paulus schreibt: „Wir werden alle verwandelt werden.“ (1. Kor 15, 51) Wie eine Vorwegnahme der Wandlung in Ewigkeit ist das Abendmahl, das wir feiern. Wir selbst werden verwandelt, weil Gott sich uns in Brot und Wein schenkt, uns mit seiner Gegenwart erfüllt. Schon jetzt und dann in Ewigkeit werden wir erhoben und in Gottes Licht gezogen. Viele Fäden, Lebenslinien, die sich im höchsten Punkt, in Gott finden. „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit.“ (Römer 11, 36)
Amen.

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