Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: CHRISTMETTE - Uns ist ein Kind geboren

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Anonym, Neujahrsglückwunsch, um 1490, Holzschnitt, Paris, Louvre

Christmette

Uns ist ein Kind geboren


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 24. Dezember 2011 um 23.00 Uhr in der Dreikönigskirche

Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.

So hat es der Prophet Jesaja vorausgesagt – wir haben es in der Lesung aus dem Alten Testament gehört. Uns ist ein Kind geboren. Da ist es, dieses Kind, dessen Geburt wir heute Nacht feiern. Sie sehen es auf Ihrem Liedblatt dargestellt.

Nackedei mit wehendem Mäntelchen

Ein Nackedei mit wehendem Mäntelchen. Er sieht aus wie manche Kinder, die die Eltern frisch aus der Badewanne gehoben haben und mit einem großen Badetuch wohlig trocken rubbeln. Ein kleines Kind, ein junger Gott. Er marschiert, der Jesusknabe, von einer großen Rose getragen mit tänzelnden Schritten herab. Vom Himmel hoch, da komm ich her. Die linke Hand hält er fast ein wenig keck neben der Hüfte. Mit der Rechten macht er eine spielerische und doch feierliche Segensgeste. Mopsfidel sieht er aus, dieser holde Knabe im lockigen Haar. Er hat etwas von einem kleinen Amor an sich, wie er so auf seiner Wolkenrose dahinschreitet.

Weihnachtswünsche rund um den Erdball

Ein gutes, seliges Jahr wünscht das flatternde Spruchband, das er wie nebenbei in seiner Linken hält. Dieses Bild ist ein Neujahrsglückwunsch aus dem Jahr 1490. Ein Holzschnitt, der verschenkt wurde so um die Weihnachtszeit herum. So wie viele von uns heute Karten mit guten Wünschen zu Weihnachten und Neujahr in alle Welt verschicken: An Freunde, Verwandte, Kollegen und Geschäftspartner in nah und fern. Per Post oder E-Mail oder gepostet auf Facebook.

Glaube und Liebe

Der Holzschnitt damals war sehr wertvoll und wurde nicht in großer Anzahl verschickt. Man schenkte ihn Menschen, die einem besonders lieb und teuer waren. Wer weiß: Vielleicht überbrachte ein Verlobter seiner Braut diesen Gruß. Oder eine Frau schenkte ihrem Liebsten dieses Bild, versehen auf der Rückseite mit zärtlichen Zeilen. Das wäre ein passende Verbindung: Eine fromme Karte als Liebesbrief. Da käme zusammen, was zusammengehört: Glaube und Liebe.

'The Love Letter
', Raimundo Madrazo (1841–1920)

Jesus als Rosenkavalier

Der Herr Jesus als Rosenkavalier, der Liebesgrüße überbringt. Ich glaube, das würde ihm gefallen. Nichts anderes tut er nämlich an Weihnachten: Er überbringt uns Menschen Gottes Liebesgrüße. Das Weihnachtsevangelium von Jesu Geburt in Bethlehem ist die zärtliche Liebeserklärung Gottes an die Welt und an uns Menschen. Denn wir gefallen ihm wohl, auch wenn wir es selbst manchmal nicht glauben können, so sehr sind wir von anderen und von uns selbst entnervt. Und doch verkünden es die Engel: „Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Wohlgefallen

Die Menschen von Gottes Wohlgefallen. Die ursprünglichen Worte aus der Bibel kann man unterschiedlich übersetzen: Wir sind Menschen von Gottes Wohlgefallen. So wie wir sind, liebt Gott uns, will mitten unter uns sein. Es kann auch heißen: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Gottes Wohlgefallen breitet sich unter uns aus, so dass wir uns immer mehr so sehen, wie Gott uns sieht: Wohlgefällig Wohlwollend. Mich selbst und die Menschen um mich herum.

Das kann ich mir gefallen lassen

Das klingt so klein und ist doch so groß. Mich selbst nicht mit Unzufriedenheit anschauen, was ich alles nicht bin, was mir nicht gelingt, was mich an mir stört, was ich mir anders wünsche in meinem Leben. Gott hat Wohlgefallen an mir. Das kann ich mir gefallen lassen. Er hat nicht nur Wohlgefallen an mir, sondern auch an den anderen. An meinen Liebsten und Nächsten, die mir manchmal gerade an Weihnachten mit ihren Marotten den letzten Nerv rauben und die trotzdem oder gerade mit ihren Eigenheiten unendlich liebenswürdig sind.

Allnacht wird zur Weihnacht

Gott hat Wohlgefallen auch an den mir Unbekannten, Fernen, die mir fremd sein mögen, doch genauso zur Familie Gottes gehören wie ich selbst. Misstrauen und Hass verbreiten andere genug. Deutlich mehr Wohlwollen untereinander, und die Welt sieht anders aus. Den Menschen ein Wohlgefallen und Alltag und Allnacht werden zur Weihnacht, zu geweihten Tagen und Nächten.

Gut und tröstlich, Mensch zu sein

Gerade in einer der längsten Nächte wird Gott Mensch. Gott wird ein kleines Kind in einem windigen Stall. Unbehaust, wie jeder Mensch sich immer wieder ganz auf sich zurückgeworfen und allein der Kälte der Welt ausgesetzt fühlt. Der Schöpfer aller Ding hilflos wie ein Baby ausgesetzt allen Widrigkeiten.

Seit dieser Nacht kann jede und jeder von sich sagen: Wenn der Gott des Himmels wirklich eingetaucht ist in ein kleines Kind, in einen Menschen aus Fleisch und Blut, dann ist es gut und tröstlich, Mensch zu sein. Mein Erdenkostüm, das mich manchmal zwickt und zwackt, zu groß oder zu eng ist, war gut genug für Gott. Ein aufwachsender und vergehender Körper wie meiner ist schön genug, um einmal das Gefäß des Höchsten gewesen zu sein. Meine Hände sind geschickt genug, um alle nötigen Werke der Liebe tun zu können. Eine Stimme wie meine hat einmal ausgereicht, die Wahrheit zu verkünden. Wenn Gott Mensch wurde, kann es um uns nicht so schlecht bestellt sein. Dann können wir uns überraschen lassen, was für Weihnachtswunder in jedem Einzelnen von uns stecken.

Jesus und der Todesengel

Immanuel, ein Junge aus meinem Freundeskreis, sechs Jahre alt, hat vor Weihnachten Bilder gemalt: Jesus und das Gespenst. Jesus und der Dinosaurier. Jesus und der Todesengel. Dem Todesengel hat Immanuel ein flammendes Schwert in die Hand gemalt. „Warum ein Todesengel?“, frage ich. „Der Todesengel beschützt Jesus“, antwortet der kleine Immanuel.

'Cross of Roses',  1861-1897, Whitney, Olive E. (artist); L. Prang & Co. (publisher)

Kreuz hinter der Rose

Ähnlich, wie Immanuel es malt, drückt es der Holzschnitt aus: Hinter dem tänzelnden Jesusknaben auf der Rose steht das Kreuz, zwei Holzbalken. Gott wird Mensch aus lauter Liebe. Liebe macht verletzbar. Liebende lassen den anderen an sich heran. Sie geben ihre Unnahbarkeit auf. Das macht verletzlich. Zu Weihnachten gehören nicht nur glückselige Gefühle, sondern auch Trauer und Schmerz. An Weihnachten, diesem gefühlsbetonten und aufgeladenen Fest kann aufbrechen, was uns fehlt und Leid tut.

Fürchtet euch nicht!

Wir dürfen das alte Wort des Engels an die Hirten neu hören: Fürchtet euch nicht! Fürchtet euch nicht, wenn euch das Alleinsein schwer wird. Fürchtet euch nicht, wenn euch quält, was ihr versäumt und falsch gemacht habt. Fürchtet euch nicht, wenn ihr um einen Menschen trauert. Fürchtet euch nicht, wenn ihr in Liebe, Ehe, Beziehungen und Freundschaften nicht weiter wisst. Fürchtet euch nicht, wenn die Zukunft ungewiss und dunkel vor euch liegt.

Die Rose trägt sie beide

Fürchtet euch nicht, denn mit den widersprüchlichen Gefühlen, den seligen und den schmerzhaften habt ihr euren Platz an der Krippe. Deswegen steht das Kreuz da hinter dem Jesuskind, ganz selbstverständlich. Unsere Freude und Zuversicht sollen nicht zusammenbrechen, auch angesichts der Kreuze nicht, die wir zu tragen haben. Die Rose trägt sie beide, Kind und Kreuz. Die Rose, Zeichen für die Liebe, Zeichen für die Hingabe Gottes an uns. Gott schenkt uns von neuem, was wir verloren haben. Die Liebe Gottes taucht immer wieder auf, tänzerisch und doch ernst, neugeboren wie ein Kind. Das feiern wir in dieser Heiligen Nacht: Uns ist ein Kind geboren. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Amen.

Der Holzschnitt 'Neujahrsglückwunsch', Anonym, um 1490, (Paris, Louvre),
Das Gemälde 'The Love Letter', Raimundo Madrazo (1841–1920), ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Cross of Roses', 1861-1897, Whitney, Olive E. (artist); L. Prang & Co. (publisher), ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license

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