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1. Sonntag nach Epiphanias: Sind Christen minderwertig? 1. Kor 1, 26-31

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'Early Christians Worship in the Catacombs of Saint Calixtus', end of XIX c., anonimus

1. Sonntag nach Epiphanias

Sind Christen minderwertig? 1. Kor 1, 26-31

Predigt gehalten von Prädikantin Karin Kehr am 08. Januar 2012 in der Bergkirche

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Amen.

Liebe Gemeinde,

Das Thema des heutigen 1. Sonntag nach Epiphanias ist die Taufe, in der Lesung haben wir von der Taufe Jesu gehört. Auf den ersten Blick hat der heutige Predigttext nichts damit zu tun. Er steht im 1. Brief an die Korinther im 1. Kapitel. Paulus schreibt:

Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22.23): «Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!»

Meine erste Reaktion auf diesen Text war ein Stirnrunzeln. Bin ich etwa töricht, schwach und gering? Muß ich so sein, damit ich von Gott auserwählt werde?

Schon gegen Ende des zweiten Jahrhunderts gab es einen Philosophen mit dem Namen Celsus, der ein Gegner der Christen war. Er behauptete, dass die Christen ganz bewusst dumme Leute anziehen wollten, denn er beschrieb das Anliegen der Christenheit mit den folgenden sarkastischen Worten:

„Lass keine gebildeten, keine klugen und einsichtigen Menschen heran; denn alle die Eigenschaften halten wir für böse. Wer dagegen unwissend ist, wem es an Verstand und Bildung gebricht, wer ein Tor ist, der komme nur getrost zu uns.“

Und über die Christen schrieb er:

„In ihren Häusern begegnen wir ihnen als Weber, Schuster und Walker; es sind ungebildete, gewöhnliche Menschen. Sie sind wie Fledermäuse, wie Ameisen, die das Nest verlassen, wie Frösche, die sich im Morast versammeln, wie Würmer im Schmutz“.

'Converts to Christianity', 2010, Mat783

Seither sind mehrere hundert Jahre vergangen, aber irgendwie kommt es mir auch heute noch bekannt vor.

Immer wieder höre ich, dass nur alte Menschen in die Kirche gehen, die wenigstens einmal in der Woche etwas Abwechslung brauchen und mal andere Leute sehen wollen.

Gut die Konfirmanden zählen da nicht dazu, aber die brauchen ja sowieso nur die Unterschrift auf ihren Blättern, echtes Interesse hat da doch keiner und nach der Konfirmation sind sie eh‘ wieder weg.

Wenn ich mich jetzt hier mal so umschaue, sehe ich doch noch ein paar Leute, die in keine der beiden Gruppen passen. Was ist mit denen? Da kriege ich dann zu hören, dass die es ja nötig haben müssen, wenn die mit ihrem Leben alleine nicht klar kommen, müssen sie schauen, wo sie Hilfe herkriegen. Wenn man verzweifelt ist, greift man doch zu jedem Strohhalm.

Hmmmm, also, wenn ich mal bei mir anfange, irgendwie finde ich mich in keiner der beschriebenen Gruppen wieder und wahrscheinlich haben auch sie andere Gründe, am Sonntagmorgen aufzustehen und in die Kirche zu gehen.

Wieso sind dann diese Vorstellungen auch heute noch so weit verbreitet? Woraus resultieren diese Klischees, die ich zwar etwas überzogen habe, die sicherlich aber auch ihnen schon in der ein oder anderen Form begegnet sind?

Es hängt mit dem Bild zusammen, das jeder Mensch in der Gesellschaft von sich den anderen Menschen zeigen möchte. Anerkennung und Akzeptanz erhält heute nur der, der keine Schwäche zeigt. Statussymbole, wie Geld, Haus, Auto und berufliche Stellung sind wichtige Kriterien für die Reihenfolge in der Hierarchie der Gesellschaft.

Gerade auch die Turbulenzen der letzten Wochen und Monate in der Politik haben wieder gezeigt, wie wichtig eine weiße Weste für das Amt eines Politikers ist. In einem Kommentar habe ich gelesen, dass es nicht so klingt, als ob Herr zu Guttenberg seine Taten bereue. Der Titel seines Buches „Vorerst gescheitert“ klänge noch sehr trotzig. Da hätte er noch keine Chance auf eine erneute politische Karriere. Und der Versuch des Herrn Wulff die Pressefreiheit einzuschränken, indem er für ihn ungünstige Berichte zu untersagen versucht, schade dem Amt des Bundespräsidenten. Sicherlich diese Angelegenheiten wären nicht so hoch gekocht, wenn die Personen nicht so hohe Ämter innegehabt hätten. Sie zeigen aber sehr deutlich die Ansprüche der menschlichen Maßstäbe und Wertekriterien.

Gottes Handeln hingegen stellt irgendwie ja alles auf den Kopf, widerspricht allen unseren Erwartungen. Schon im alten Testament fängt es an. Das Volk, das Gott sich auswählt, ist nicht groß und mächtig, beherrscht alle anderen Völker. Nein, klein und schwach ist es, in Gefangenschaft geraten und versklavt. Als Führer dieses Volkes aus der Gefangenschaft holt er sich in Mose einen Hirten von seinem Vieh weg. Auch sein Nachfolger Josua war kein mächtiger Heerführer, sondern ein Diener. Und doch, so klein und schwach das Volk im Vergleich zu anderen Völkern auch ist, es hat bis heute Bestand. Im Gegensatz zu anderen mächtigen und großen Völkern, die auf der Weltgeschichtsbühne gekommen und wieder verschwunden sind, exisitert das Volk Gottes heute noch.

'Representation of 'Humility' in a stained-glass window designed by Edward Burne-Jones.', 2011, Phillip Medhurst

Und als Gott seine Treue und unendliche Liebe zu den Menschen auf alle Menschen ausweiten wollte, kam sein Sohn Jesus Christus auch nicht mit großem Pomp und Getöse in die Welt, dass jeder es sofort mitbekam. Eine unbedeutende junge Frau, keine Angehörige eines Herrscherhauses, hat Gott auserwählt, dass sie den Sohn Gottes gebären sollte. Vor zwei Wochen haben wir in den Weihnachtsgottesdiensten die Geschichte gehört, dass in derselben Stunde der Geburt, die Hirten zuallererst von der Geburt erfuhren. Das kleine Kind in der Krippe, weitab von jeglichen Herrscherhäusern, wurde zuerst von den Menschen besucht, die in der Hierarchie der damaligen Gesellschaft ganz unten standen. Die Großen, Weisen und Mächtigen kamen erst später dazu.

Auch die Weisen aus dem Morgenland, die zur Krippe kommen, dürfen das Kind anbeten und werden nicht weggeschickt.

Wie soll ich dann den folgenden Satz aus dem Predigttext verstehen?

Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme.

Gleich dreimal erwähnt Paulus hier, dass Gott etwas zuschanden oder zunichte mache. Weisheit, Reichtum und Stärke sind doch keine unguten oder schädlichen Eigenschaften, die zerstört werden müssen. Ohne weise oder starke Menschen ist kein Volk überlebensfähig. Wie meint Paulus das?

Es ist hier nicht gemeint, dass Gott die einen Menschen benutzt, um andere Menschen zu demütigen. Gott benutzt weder Menschen, noch demütigt er Menschen. Vielmehr ist damit gemeint, dass Gott falsche Sichtweisen oder falsche Vorstellungen von der Wirklichkeit zunichte macht. Schonungslos deckt er auch auf, wenn jemand die Arbeit eines anderen als seine eigene ausgibt.

Gegen Weisheit, Reichtum und Stärke hat Gott nichts einzuwenden, wenn der Mensch sich darüber klar ist, wem er diese Gaben zu verdanken hat und wie er sie einsetzt. Sind mir diese Talente gegeben, können sie für andere Menschen ein Segen sein, wenn ich sie im Dienst für Gott und andere Menschen einsetze. Wichtig ist das Ziel, warum ich etwas tue.

Ist jemand davon überzeugt, alles im Leben alleine erreicht zu haben, muß er niemandem dankbar sein, er stellt es vor anderen zur Schau. Diese Art der Weisheit meint Paulus, die Weisheit der Welt, die Gott zuschanden machen wird. Auch Reichtum an sich ist nichts Schlechtes. Es wird dann zum Schlechten, wenn ein Mensch sich davon vereinnahmen läßt, und sich nur noch um die Pflege und Vermehrung des Geldes kümmert. Luther spricht vom daran Hangen. Wenn der Mensch nur noch dem Geld dient, das meint Paulus, das wird von Gott zunichte gemacht.

Für mich ist die Taufe das erste Mal, dass Gott sich zu Jesus Christus bekennt. Öffentlich erklärt er, dass er diesen jungen Mann erwählt hat, seine Botschaft zu verkünden. Dieser junge Mann aus ärmlichen Verhältnissen mahnt uns, die kleinen und schwachen Dinge und Menschen nicht zu verachten. Er preist selig, was nach menschlichen Maßstäben nicht beachtet oder sogar verachtet wird. Er wendet sich Kranken und Aussenseitern zu. Jesus reflektiert sich dabei nicht auf sich selbst, immer wieder reflektiert er sich auf Gott. Alles was er ist, was er hat, hat er von Gott. Das soll unser Vorbild sein, diesem sollen wir folgen.

Die diesjährige Jahreslosung aus dem 2. Korintherbrief passt in diesem Kontext sehr gut dazu.

Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider hat in seiner Neujahrspredigt davon gesprochen, dass erst wenn ich erkannt habe, dass ich mit leeren Händen vor Gott stehe, er sie mir füllen kann.

'Therefore with joy you will draw water from the wells of salvation (Isaiah 12:3) A seagull resting in a fountain in downtown Sausalito, California, USA.', 2009, Wingchi Poon

Mir gefällt das Bild der Brunnenschale, die aus sich heraus kein Wasser hervorbringen kann, wenn sie aber gefüllt wird hat sie soviel, dass es überfließen kann.

Erst wenn ich begriffen habe, dass aus eigener Kraft nichts erreichen kann, dass ich töricht, schwach und gering vor Gott bin, dann kann Gott wirken.

Dann kann ich mit Maria jubeln, meine Seele preist den Herrn, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.

Wie die Brunnenschale kann auch bei mir Weisheit, Reichtum und Stärke überfliessen. Sie wird mir von Gott gegeben und wenn ich mich rühme, kann ich mich rühmen des Herrn.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Amen

'Representation of 'Humility' in a stained-glass window designed by Edward Burne-Jones. (In Rochdale (Clover Street) Unitarian Church. Manufactured by Morris &Co, Morton Abbey, Manchester, England.)', 2011, Phillip Medhurst, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Das Bild 'Early Christians Worship in the Catacombs of Saint Calixtus' (From image: "Fig 8: 'Divine Service in the Catacombs of St. Calixtus, A.D. 50."), end of XIX c., anonimus, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Bildzusammenstellung 'Converts to Christianity', 2010, Mat783, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license
'Therefore with joy you will draw water from the wells of salvation (Isaiah 12:3) A seagull resting in a fountain in downtown Sausalito, California, USA.', 2009, Wingchi Poon, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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