Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Meditation von Prädikantin Karin Kehr: Die Nacht ist vorgedrungen

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'Südfriedhof Frankfurt', 2010, PSch

1. Sonntag im Advent:

Die Nacht ist vorgedrungen

Meditation gehalten von Prädikantin Karin Kehr am 28. November 2010

Wie stellen sie sich die Hölle vor?

Liebe Gemeinde,

Normalerweise gehe ich, typisch Frau, gerne schoppen. In der Adventszeit schränke ich das allerdings auf die notwendigen Lebensmittel ein, denn in den Geschäften ist die Hölle los.

Im Sommer hatte ich manchmal Schwierigkeiten mich zu konzentrieren, denn es waren zum Teil höllische Temperaturen.

In den letzten Wochen waren unsere Arbeitsbedingungen etwas erschwert, denn die Maschinen auf der benachbarten Baustelle haben einen Höllenlärm veranstaltet.

Sicherlich kennen sie solche Beispiele und können sie problemlos ergänzen.

Vor vielen Jahren kamen wir in unserer Jugendgruppe auf unsere Vorstellung von Hölle zu sprechen. Jochen zeichnete ein ganz anderes Bild.

Ich möchte sie mitnehmen. Stellen sie sich einen kahlen Raum vor, ohne Fenster und Türen. Kein rauher Fels ist zu spüren, kein kühler Marmor, keine Maserung von warmen Holz. Nur glatte neutrale Wände kann ich fühlen.

Scheint die Sonne, so grell, dass man die Augen zukneifen muß, oder ist es bedeckt und trübe? Ist es dunkle Nacht, die Sterne funkeln am Himmel und der Mond scheint als Sichel? Ich weiß es nicht, ich kann nichts sehen.

Hört man Autolärm, dröhnen Flugzeuge über der Stadt, lärmen Kinder auf dem Spielplatz? Ist der Wald erfüllt von Vogelgezwitscher und der Bach plätschert in der Wiese? Ich weiß es nicht, ich kann nichts hören.

Stinkt es bestialisch, weil eine Firma ihre Abwässer in den Fluß eingelassen hat? Duftet es verführerisch nach leckerem Essen? Kann ich draussen im Wald nach einem Regenschauer tief durchatmen und die würzige Luft nach Kräutern und Pilzen einatmen? Ich weiß es nicht, ich kann nichts riechen.

Isoliert von anderen Menschen, abgeschnitten vom Leben. Von allen guten Geistern verlassen.

Eine ganz andere Vorstellung von Hölle. Die Nacht ist vorgedrungen.

Was bleibt, wenn der Kontakt nach aussen verwehrt ist? Nur der Blick nach innen.

Ich kann mich auf mich selbst konzentrieren, meine Situation überdenken, wo stehe ich? Welche Pläne, Hoffnungen, Sehnsüchte habe ich?

Wenn wir von anderen Menschen in eine solche isolierte Situation gezwungen werden, ist es äußerst unangenehm.

Wenn wir es hingegen freiwillig, für eine kurze Zeit tun, kann es hilfreich sein.

Für ein paar Minuten andere Menschen aus unserem Blick schieben, von unserem Alltag Abstand nehmen, uns nur auf uns selbst zu konzentrieren, kann wohltuend sein.

Was tun sie, wenn sie lieben Besuch erwarten? Sicherlich freuen sie sich schon Tage vorher darauf. Sie überlegen, womit können sie ihrem Besuch eine Freude machen. Die Wohnung wird geputzt und liebevoll dekoriert.

'The Light of the World', 1827–1910, William Holman Hunt

Die Adventszeit ist die Zeit der Erwartung, nicht nur Kinder warten aufs Christkind, auch wir Erwachsene warten auf die Ankunft Christi bei den Menschen, die wir an Weihnachten dann feiern.

Beim Warten auf Christus können wir nun unsere „innere Wohnung“ aufräumen und putzen. Ballast entfernen und neue Kraft tanken. Es muß ja nicht in völliger Dunkelheit und absoluter Stille geschehen, hilfreich kann es sein eine Kerze anzuzünden oder eine CD aufzulegen.

Sicherlich, bei dem ganzen Stress mit den Vorbereitungen auf Weihnachten hat kaum einer von uns dafür Zeit. Aber ganz ehrlich, - jede von uns, jeder von uns - könnte sich die Zeit dafür nehmen.

Ein Bild möchte ich ihnen noch mitgeben. Jesus Christus steht vor der Tür zu unserer inneren Wohnung, möchte gerne einkehren und klopft an. Nur - die Tür hat von aussen kein Schlüsselloch und keine Türklinke.

Ob die Tür verschlossen bleibt, oder ob wir sie ihm öffnen, ist unsere ganz eigene Entscheidung.

Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.

Feiern wir Advent in der Erwartung auf das Kommen Jesu Christi, jeder für sich und wir alle gemeinsam.

Jochen Klepper fordert uns auf. Die Nacht ist schon im Schwinden, machen wir uns zum Stall auf.

Was Gott uns zumutet, ist niemals größer als der Mut, den Gott uns zuteil werden lässt.

Amen

Das Gemälde 'The Light of the World', 1827–1910, William Holman Hunt, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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