Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Karin Kehr: Johannes 11, 1-45 Eine Machtdemonstration in Bethanien

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'Die Erweckung des Lazarus', Erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, Saint Catherine's Monastery, Sinai (Egypt) / K. Weitzmann: 'Die Ikone'

16. Sonntag nach Trinitatis

Eine Machtdemonstration in Bethanien Johannes 11, 1-45

Predigt gehalten von Prädikantin Karin Kehr am 27. September 2009

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Amen.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Johannesevangelium im 11. Kapitel:

1 Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. 3 Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank. 4 Als Jesus das hörte, sprach er: Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes dadurch verherrlicht werde. 5 Jesus aber hatte Marta lieb und ihre Schwester und Lazarus.
6 Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er war; 7 danach spricht er zu seinen Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa ziehen!
17 Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. 18 Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. 19 Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders.
20 Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. 21 Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. 23 Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. 25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; 26 und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? 27 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
32 Als nun Maria dahin kam, wo Jesus war, und sah ih n, fiel sie ihm zu Füßen und sprach zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 33 Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, ergrimmte er im Geist und wurde sehr betrübt 34 und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh es! 35 Und Jesus gingen die Augen über. 36 Da sprachen die Juden: Siehe, wie hat er ihn lieb gehabt! 37 Einige aber unter ihnen sprachen: Er hat dem Blinden die Augen aufgetan; konnte er nicht auch machen, dass dieser nicht sterben musste? 38 Da ergrimmte Jesus abermals und kam zum Grab. Es war aber eine Höhle und ein Stein lag davor. 39 Jesus sprach: Hebt den Stein weg! Spricht zu ihm Marta, die Schwester des Verstorbenen: Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen. 40 Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? 41 Da hoben sie den Stein weg.
Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. 42 Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. 43 Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! 44 Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! 45 Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.

Liebe Gemeinde,

Jesus hört von der Erkrankung eines Freundes, den er lieb hat. Und doch wartet er ab, er kommt absichtlich zu spät, so dass er ihn nicht mehr von seiner Krankheit heilen kann. Marta ist die Erste, die Jesus entgegenläuft, sobald sie hört dass er kommt. „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben“ hält sie ihm entgegen. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass Jesus alle Krankheiten dieser Erde bezwingen kann. Und sie ist überzeugt, dass er Gott sehr nahe steht, ein gutes Verhältnis zu ihm hat und ihn daher um alles bitten darf und ihm die Wünsche erfüllt werden. Jesus aber reagiert nicht auf diese Vorhaltung, er rechtfertigt sich nicht für sein Zuspätkommen, sondern er fängt ein Glaubensgespräch mit ihr an: „Dein Bruder wird auferstehen.“ Marta glaubt fest an die herrschende Lehrmeinung von der Auferstehung am jüngsten Tage. So antwortet sie ihm. „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage“ mehr kann sie sich noch nicht vorstellen. Das Leben hier auf der Erde wird durch den Tod beendet, und erst ganz am Ende wird sich daran etwas ändern. Jesus aber macht ihr deutlich, dass er nicht nur ein Mensch mit einem guten Draht zu Gott ist, sondern dass er mehr ist, dass er Gott selbst ist: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ Danach fordert er eine Reaktion von Marta und Marta antwortet mit „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“

Auch ich finde mich manchesmal in der gleichen Situation wie Marta. Theoretisch weiß ich schon, dass Jesus alle Macht gegeben ist, im Himmel und auf Erden, nur manchmal hapert es dann doch im Alltag. Da kann es sein, dass ich auch mal vergesse auf die Allgegenwärtigkeit Gottes zu vertrauen. „Wenn du da gewesen wärest, wäre das nicht passiert“. Sicher kennen auch Sie solche Situationen. Das Tröstliche für mich ist, ich darf dann immer wieder zu Gott laufen und Gott bietet mir dann nicht nur ein Schulterklopfen an, Kopf hoch, das wird schon wieder. Nein er zeigt mir einen größeren Horizont auf, er sagt mir zum Beispiel wie in unserer Geschichte ein „Ich bin“-Wort zu. Dieses Wort erfordert aber immer auch eine Erwiderung von mir, wie bei Marta muss eine „Ich glaube“-Antwort erfolgen. Das ist ein ganz wesentlicher Zug unseres christlichen Glaubens, er ist eine persönliche Beziehung zwischen Gott und dem einzelnen Menschen. Kein anderer Mensch kann stellvertretend für mich meinen Glauben leben. Aus dem Gehörten muss ich für mein Leben, für meinen Glauben, für meine Beziehung zu Gott die Konsequenzen ziehen.

Nicht nur Marta, auch Maria und die anderen Juden sehen im Tod etwas Endgültiges, Unabänderbares an dem kein Mensch etwas ändern kann. Maria wiederholt die Worte ihrer Schwester. „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Aber jetzt ist er tot, alles ist zu Ende und man kann nichts mehr machen, hört man fast in ihren Worten mitschwingen. Jesus ärgert diese Haltung und er möchte Allen ihren Glaubenshorizont erweitern. “Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes“ sagt er, als er von der Erkrankung hört. Auch seine Jünger verstehen ihn erst miß und glauben, dass Lazarus nur schläft, aber Jesus macht deutlich, dass Lazarus wirklich gestorben ist.

'икона 15 века, новгородская школа, Новгород, Музей истории и искусства', XVc, ruwiki (Shakko, 2008)

Jesus befiehlt den Menschen, den Stein von der Höhle wegzunehmen. Nicht nur Marta ist entsetzt: „Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen.“ In diesem Satz schwingt noch mehr mit. Es geht hier nicht nur um den Gestank, den ein verwesender Körper in diesen Ländern schon nach ein paar Tagen verströmte, sondern es war auch ein grober Verstoß gegen die jüdischen Gesetze. Wer ein Grab öffnete, wurde unrein bis zu seinem Lebensende. Jesus aber erinnert Marta an ihr Glaubenszeugnis: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ Ein „Ich glaube“-Wort darf nie nur ein Lippenbekenntnis sein, Jesus fordert damit das vollständige Vertrauen jedes einzelnen Menschen.

Danach ruft er Lazarus heraus und Lazarus erscheint, er ist noch an Füßen und Händen gebunden mit den Grabtüchern, auch sein Gesicht ist noch mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus befiehlt den anderen Menschen ihn loszubinden.

Der Tod in dieser Geschichte hat zwei Dimensionen. Zum Einen ist er das Ende des Lebens hier auf der Erde, zum Anderen hat er auch noch eine andere Bedeutung. Tod meint hier auch das Fehlen jeglichen Kontaktes eines Menschen zu anderen Menschen, oder keine Verbundenheit mit Gott zu haben. Das kann auch mitten im Leben passieren. Gibt es vielleicht in ihrer Nachbarschaft oder auch hier in unserer Gemeinde Menschen, die ihnen und vielleicht auch anderen noch gar nicht aufgefallen sind? Von denen keiner etwas weiß? Dabei sind sie schon seit einigen Monaten, vielleicht Jahren hier. Auch jeder selbst kennt sicher Situationen, in denen er sich wie tot fühlt, man vegetiert nur noch dahin, Leben kann man das nicht mehr nennen. Irgendwie ist man in eine Sackgasse geraten und kommt nicht mehr weiter. In solchen Situationen ruft Gott mich an, „Lazarus, komm heraus“ heißt es im Text. Das ist aber noch nicht alles, es kann noch nicht gleich lebenswert weitergehen. Die Hilfe von anderen Menschen ist oft notwendig, um die Banden des Todes loszuwerden. Und wie im Predigttext fordert Jesus auch uns dazu auf, anderen in das Leben, in die Gemeinschaft mit den Menschen und in die Verbundenheit mit Gott zurückzuhelfen.

Ich wünsche uns allen wache Augen und offene Ohren, dass wir solche Situationen erkennen und helfen können.

Unser Predigttext endet damit, dass viele an ihn glaubten, aber diese Tat Jesu besiegelte auch sein Todesurteil. Er liebt nicht nur Lazarus, sondern jeden Menschen so sehr, dass er mit seinem Leben das unsere erkauft.

Am Ostermorgen hat er mit seiner Auferstehung den Sieg über den Tod gefeiert. Sicher auch heute noch gibt es Tod, Gewalt und Schrecken in unserer Welt. Jemand sagte einmal, es erinnere ihn an ein Schachspiel. Die Dame ist die mächtigste Figur im Spiel und wenn sie gefallen ist, gibt jeder erfahrene Spieler meist sofort auf, da das Spiel nicht mehr zu gewinnen ist. Jeder der versucht weiterzuspielen, kann vielleicht noch einige Züge machen, das Spiel aber hat er verloren.

Uns bewusst ins Gedächtnis zu holen, dass Jesus den Tod überwunden hat, dass der Tod keine Macht mehr über uns hat, sondern Jesus sagt uns „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ das ist nicht nur unsere Aufgabe für den Morgen des Ostersonntag. Daher ist auch für diesen Sonntag das Wochenlied das Osterlied „O Tod wo ist dein Stachel nun, wo ist dein Sieg o Hölle“. Lassen Sie es uns nun gemeinsam singen und ich wünsche jedem von uns, dass er auf Jesu Ich bin-Wort antworten kann „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“

Amen

'Photo of a statue of an angel', Louise Docker from sydney, Australia', 2006

Fürbitten

Himmlischer Vater, du hast uns zum Leben berufen. Dafür danken wir dir. Wir bitten dich: Sende deinen Engel zu uns, damit er uns befreit aus der Gefangenschaft des Todes.

Menschen sind im Tod gefangen, weil sie nicht mehr teilen können, sondern mehr und mehr für sich haben wollen. Wir bitten dich: erwecke sie zum Leben. Mache sie bereit, von ihrem Überfluss abzugeben. Hilf uns, aufmerksam zu machen auf die Not der Armen in dieser Welt.

Menschen sind im Tod gefangen, weil sie nicht mehr Liebe weitergeben können, sondern nur sich selbst lieben. Wir bitten dich: erwecke sie zum Leben. Lass sie deine Liebe erkennen, damit sie selbst fähig werden, zu lieben. Hilf uns, zu Boten deiner Liebe zu werden.

Menschen sind im Tod gefangen, weil sie Dich nicht erkennen, sondern unter den Schmerzen dieser Welt leiden. Wir bitten dich: erwecke sie zum Leben. Tröste, die einen lieben Menschen verloren haben, und segne die Sterbenden. Mache den Kranken Mut und gib ihnen Kraft, in allem deinen guten Willen zu erkennen. Hilf uns, zu trösten, wo der Tod übermächtig geworden ist.

Dir vertrauen wir uns an, Gott, bei allen Mühen und allen Freuden, die uns das Leben schenkt. Durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen

(Quelle unbekannt)

Die Ikonen 'Die Erweckung des Lazarus', Erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, Saint Catherine's Monastery, Sinai (Egypt) / K. Weitzmann: 'Die Ikone', sowie 'икона 15 века, новгородская школа, Новгород, Музей истории и искусства', XVc, ruwiki (Shakko, 2008), sind im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Photo of a statue of an angel', Louise Docker from sydney, Australia', 2006, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

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