Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: „13, ledig, jung, sucht...“

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Predigt „13, ledig, jung, sucht...“

Gehalten von Katharina Hellwig im Kirchsaal Süd am 24. Juni 2010:

'Die Mitgift', 1873, Wassilij Wladimirowitsch Pukirew

Die Art und Weise, wie man einen Partner findet und eine Beziehung beginnt, hat sich in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten verändert: Früher war es in den meisten Kulturen üblich, dass die Eltern für ihre Kinder einen passenden Partner bzw. eine passende Partnerin suchten und auswählten. Dabei kam es weniger auf gegenseitige Sympathien oder den berühmten Funken zwischen den beiden an, sondern vielmehr um pragmatische Abwägungen: Die Eltern der Braut waren bemüht, ihre Tochter in möglichst wirtschaftlich stabile Verhältnisse einzuheiraten, quasi als Lebensversicherung und eigene Altersvorsorge. Dafür waren sie bereit, einen hohen Preis zu zahlen: Die sogenannte Mitgift, die der Familie des Bräutigams bei der Vermählung überreicht oder ausbezahlt wurde, sollte die Wahl der Tochter beschleunigen und sie attraktiver machen. Es ging also hauptsächlich um Geld. Jemand mit 4 Töchtern hatte also ganz schönen Stress, diese auf den Markt zu bringen.

Die Eltern des Bräutigams hatten es da etwas einfacher. Diese suchten eine Braut, je nach finanziellen Verhältnissen oder Schichtzugehörigkeit, mehr nach Belieben aus. Während für den Bauerssohn selbstverständlich eine bodenständige Frau gesucht werden musste, die fähig und bereit war, hart zu arbeiten und einen Hof zu führen, kam es in adeligen Häusern eher darauf an, dass die Damen vorzeigbar waren, eine gewisse Grazie hatten und sich in bestimmten Kreisen zu benehmen wussten.

'Repronegatief. Een Karo-Bataks echtpaar'

Die Eltern entschieden demnach über die Partnerwahl. Wenn man Glück hatte, konnte man sich gut leiden, ansonsten musste man sich eben zusammenreißen und das Beste daraus machen.

In westlichen Kulturkreisen hat sich das sehr verändert, doch auch heute, im 21. Jahrhundert, ist die so negativ betitelte Zwangsheirat durchaus noch üblich. Auf Sri Lanka, in Indien und Pakistan, aber auch teilweise noch in der Türkei oder Tunesien, haben viele nicht die Möglichkeit, ihren Partner selbst zu wählen. Manche, die diese Bevormundung erlebt haben, kennen es auch gar nicht anders und finden es auch gar nicht so schlimm. Ein Bekannter von mir aus Sri Lanka, der vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen ist, bekam vor 17 Jahren von seinen Eltern aus Colombo 3 Fotos geschickt. Er durfte sich (und das war schon sehr fortschrittlich) eine der drei Frauen aussuchen. Mit ihr ist er nun seit 16 Jahren verheiratet. Seine Kinder sind 13 und 10 Jahre alt und er sagt, er habe eine tolle Frau, die ihn zu einem glücklichen Mann macht. Diese Form der Beziehung ist also möglich und gar nicht so weit weg.

Was von damals auch noch übrig ist, ist die Tatsache, dass sich meistens 2 Menschen aus ähnlichem sozialem Umfeld zusammen tun. Selten verliebt sich die Professorentochter in den Bauarbeiter. Zum Einen, weil sie unterbewusst die Erwartungshaltung ihres Umfeldes erfüllt, vor allem aber deshalb, weil sie dem Bauarbeiter in den Restaurants, die sie besucht, in dem Verein, dem sie angehört und auf den Partys, auf denen sie eingeladen ist, gar nicht erst begegnet. Die Heirat in eine völlig andere Schicht kommt selten vor.

Die Generation meiner Eltern hat sich extrem von den konservativen Vorstellungen ihrer Eltern abgegrenzt. Sie ließen sich ihre Partner nicht vorgeben, sondern lernten sie im Studentenwohnheim, auf Demonstrationen oder sonst wo kennen. Es gab häufige Partnerwechsel, es wurde viel ausprobiert, was auch einfacher ging als heute, weil man hunderte von Leuten kannte, zusammen studierte, Urlaub machte oder in riesigen WGs wohnte.

Meine Generation, damit meine ich die 25-35jährigen, sind die Generation Internet. 25% aller Beziehungen dieser Altersgruppe entstehen inzwischen über das Netz. Man geht nicht mehr einfach nur aus, sondern trifft sich in Chatrooms, bei Flirtlines oder beim sogenannten Speedating.

Man checkt also erst mal ab, ob es gemeinsame Interessen und Vorlieben gibt und entscheidet dann, ob man sich treffen will. Die berühmte rote Nelke als Erkennungszeichen ist dabei völlig veraltet. Man schämt sich nicht mehr für Blinddates, sondern geht selbstbewusst in eine Bar und trifft sich mit Wildfremden, von denen man schon weiß, dass sie gerne nach Spanien in den Urlaub fahren, zwei Kinder haben und Cocktails lieben.

Eine weitere, etwas ältere, aber durchaus noch praktizierte Möglichkeit, einen Partner zu finden, ist eine Kontaktanzeige. Über eine Chiffre können sich Interessenten meist schriftlich melden. Oft schmunzeln wir etwas über diese Weise der Partnersuche. Weiblich, blond, 90-60-90, IQ 132, sucht netten Mann für gemeinsame Unternehmungen, -kommt hier eher selten vor. Viele sehen in der Kontaktanzeige die letzte Chance, jemanden kennenzulernen. Viele Menschen suchen jahrelang den passenden Partner.

'Gemeindesommerfest am 27. Juni 2010'

Auch Ihr seid auf der Suche. Die wenigsten von Euch werden schon auf der Suche nach einem festen Partner sein, aber die meisten von Euch sind auf der Suche nach sich selbst. Die Suche nach sich selbst beinhaltet vor allem Fragen, wie: Wer bin ich? Wer will ich sein? Welche Rollen nehme ich ein, in der Schule, zuhause, in meiner Clique? Was gefällt mir an mir und was kann ich nicht leiden?

Im Zusammenhang mit der Pubertät, also dem qualvollen Weg ins Erwachsenwerden, spricht man häufig von „weder Fisch noch Fleisch“. Damit ist eine Zwischenphase gemeint: Ein Kind ist man eigentlich nicht mehr und möchte es auch nicht mehr sein, aber wirklich erwachsen ist man ja auch noch nicht. In dieser Phase sucht man nach Identifikationsfiguren, nach jemandem, an dem man sich orientieren und messen kann und bei dem man das Gefühl hat, man wäre gerne wie er oder sie. Das können alle möglichen Leute sein: Fußballtrainer, Lehrer, ein älterer Bruder oder ein Star. Diese Suche ist sehr langsam und unglaublich anstrengend und häufig fragt man sich: Bin ich eigentlich normal? Finden andere sich auch hässlich? Haben andere auch so oft Streit mit ihrer Mutter? Sind anderen Mädchen ihre Brüste auch zu klein und warum darf der eigentlich zwei Stunden länger raus als ich?

Ich kann Euch beruhigen: Ja, es ist normal! Jeder in diesem Raum kennt das Gefühl, nicht zu wissen, wo man eigentlich mit sich hin soll. In Eurem Alter hat man seinen Platz in einer Gesellschaft noch nicht richtig definieren können und ist ständig auf der Suche nach dem eigenen Ich. Da hilft leider keine Kontaktanzeige. Da helfen auch keine Eltern oder Lehrer, die einem irgendetwas aufdrücken wollen, was man eigentlich gar nicht ist. Da hilft nur, Erfahrungen sammeln und sich selbst besser kennenlernen. Man führt quasi zum ersten Mal in seinem Leben eine Beziehung - mit sich selbst. Dies ist manchmal schön, meistens jedoch furchtbar. Furchtbar vor allem deshalb, weil man andauernd aneckt: Man hat das Gefühl, man kann eigentlich keinem gerecht werden. Man fühlt sich oft unverstanden und ungerecht behandelt. Da liegt man einfach nur auf seinem Bett und will seine Ruhe haben und dann geht´s los: „Räum dein Zimmer auf! Räum die Geschirrspülmaschine aus! Habt ihr den Test in Mathe zurückbekommen? Die Mutter von der sowieso hat mir im REWE erzählt, ihr schreibt nächste Woche Bio!“ In Null Komma Nix ist der Puls auf 180, das Gesicht legt sich in Falten, man fragt sich, warum man ausgerechnet in diese Familie geboren wurde und zischt: „Oh, man, nerv doch nicht! Und außerdem steht an meiner Tür groß und fett BITTE ANKLOPFEN! –Das gilt auch für dich!“ Zack! Und schon geht es los... Ich weiß nicht, ob Ihr folgenden Satz kennt. Ich habe ihn früher ständig gehört: „Was hast du denn für einen Ton am Leib? –So kannst du mit deinen Freunden reden, aber nicht mit deinen Eltern!!“ Blablabla. In diesen Momenten habe ich mich oft gefragt: Wer spinnt eigentlich jetzt? Ich oder meine Mutter? –Und wieder ist man den Anforderungen, die an einem gestellt wurden, nicht gerecht geworden. Bestimmte Dinge und Verhaltensweisen gehen einfach manchmal nicht. Aber ich kann Euch beruhigen, Ihr werdet es überleben und Eure Eltern auch.

'Gemeindesommerfest am 27. Juni 2010'

Ein Mensch hat viele Rollen. Über viele von ihnen ist man sich gar nicht bewusst. Man ist Sohn oder Tochter, Schwester oder Bruder, Schüler, Mannschaftskollege, Teil eines Orchesters, Freund oder Freundin und steht mit den Menschen in seiner Umgebung in irgendeinem Verhältnis. Überall muss man sich anders verhalten, das ist anstrengend, aber auch bereichernd. Dabei kann man zwar in gewisser Weise immer ein Stück sich selbst sein, verstellen oder sich angepasst verhalten muss man sich jedoch ständig. Zu meinem Bruder kann ich, wenn er mir auf die Nerven geht sagen: „Jakob, halt´s Maul!“. Sage ich das zu meinem Chef, bekomme ich mindestens eine Abmahnung. Zu der Frau in der Bäckerei sage ich: „Auf Wiedersehen!“, sage ich zu meiner besten Freundin beim Abschied dasselbe, fragt sie sich, ob ich noch alle Latten am Zaun habe, Ihr seht also: Wir sind nicht nur eine Person, wir sind viele und in Eurem Alter verliert man sich gerne mal in diesen vielen Rollen.

Warum ich das alles erzähle... Im Zusammehang mit der Suche nach Euch selbst, steht auch Eure Entscheidung, hier her zu kommen, Euch konfirmieren zu lassen. Sich konfirmieren lassen, sich also in seinem Glauben bestärken zu lassen, ist Bestandteil dieser Suche nach sich selbst. Der Glaube kann Teil eines Lebens werden und Ihr seid gerade dabei herauszufinden, ob das bei Euch so sein soll. Manche werden schnell feststellen, dass die Konfizeit zwar nett ist, aber das danach nichts folgen wird. Der Funke bleibt aus, es kommt keine Beziehung zustande zwischen Euch, Gott und Dreikönig. Andere werden in Flammen aufgehen und vielleicht genau wie ich, 15 Jahre nach ihrer Konfirmation, hier oben stehen und 13jährigen etwas erzählen. Aber auch in dieser Zeit findet eine ständige Suche nach sich selbst statt. Welchen Teil der Dreikönigsgemeinde nehme ich ein? Wo gehöre ich hin? Wo kann ich mich einbringen? Was kann ich gut und womit kann ich diese Gemeinde bereichern?

Aber nicht nur Ihr sucht, auch die Gemeinde sucht und deshalb auch der Titel. Die Dreikönigsgemeinde besteht so, wie sie jetzt ist, seit 13 Jahren. Sie ist also 13 Jahre alt, genau wie Ihr! Und auch sie sucht. Sie sucht Euch. Sie möchte mit Euch eine Beziehung führen, die über die Konfirmandenzeit hinausgeht. Sie möchte, wie es sich für eine richtige Liebesbeziehung gehört, ein gegenseitiges Geben und Nehmen erreichen. Ihr sollt Euch einbringen, aber darin auch eine Form von Erfüllung finden.

Das ist gar nicht so langweilig, wie Ihr Euch es vielleicht vorstellt. Ganz im Gegenteil, es ist frisch und fröhlich und macht Spaß. Die Freude, die Ihr daran haben könnt, ein bißchen Dreikönig zu sein, hängt jedoch ganz davon ab, wie offen Ihr für eine Beziehung seid! Wenn man sich entscheidet, gläubig zu sein, dann ist das ein bißchen, wie eine Eheschließung mit Gott. Diese Beziehung zwischen Euch und ihm, die muss gepflegt werden. Beide Seiten müssen sich Mühe geben, damit es länger funktioniert. Erst, wenn man sein Herz öffnet und ehrlich und aufrichtig ist, kann eine tragfeste Beziehung entstehen. Manchmal hält sie ein ganzes Leben lang.

In unserem Anspiel haben wir eine junge Frau gesehen, die auch auf der Suche war. Sie suchte einen Partner, der sie erfüllt. Er sollte zu ihr und ihren Interessen passen und dabei nicht langweilig und oberflächlich sein. Am Ende hat sie sich für eine Beziehung mit der Dreikönigsgemeinde entschieden. Das mag Euch vielleicht etwas komisch vorkommen, denn irgendwie hat Kirche, Gemeinde und Glauben ja auch immer etwas Uncooles. Wenn Ihr morgen in die Schule geht und Euch erzählt, was Ihr heute Abend gemacht habt, dann kommt es bei Euren Klassenkameraden sicherlich besser an, wenn Ihr sagt, Ihr ward Wakeboarden, im Kino oder auf einer Grillparty bei Freunden. Die wenigsten werden sich hinstellen und sagen: „Also ich war gestern in einem Jugendgottesdienst und das war voll cool!“ –Das macht auch nichts. Die Zeit, in der Ihr so etwas mit Selbstbewusstsein und stolz vortragen könnt, wird noch kommen.

'Konfirmandenseminar vom 15. - 18. April 2010 im Haus Heliand'

Basti und ich suchen gerade einen neuen Job. Besonders gut bei Vorstellungsgesprächen kommt die Bestätigung der Gemeinde, dass wir seit vielen Jahren dort ehrenamtlich tätig sind, die wir unserer Bewerbung beigefügt haben. Menschen, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen, sind hoch angesehen und begehrt. Es ist also irgendwann nicht mehr uncool und peinlich einer Gemeinde anzugehören, sondern ein Privileg!

Auf Eurem ersten Konfiseminar im August werden wir uns genau mit diesem Thema beschäftigen: Wer bin ich? Was kann ich und wo ist mein Platz in der Gemeinde? Wo kann mein Platz in dieser Gemeinde sein? Ihr habt also noch genügend Zeit, um Euch mit diesem Gedanken auseinander zu setzten. Einige von Euch haben Ihr Gemeindepraktikum bereits gemacht. Andere haben an anderer Stelle noch die Chance, die vielen Angebote und Gruppen unserer Gemeinde kennenzulernen. Sie ist nicht nur einfach groß. Sie ist vor allem auch unglaublich vielfältig. Wenn Ihr am Sonntag zum Gemeindesommerfest in die Bergkirche kommt, könnt Ihr schon mal einen kleinen Eindruck gewinnen, was hier alles so los ist! Besonders zu empfehlen ist dabei der Beach-Cocktail-Stand von uns, an dem wir stehen und uns freuen, wenn Ihr vorbeischaut und ein wenig bei uns chillt.

Was ich Euch heute mit auf den Weg geben will, ist: Öffnet Eure Herzen für Gott! Gebt ihm eine Chance, eine Beziehung mit Euch aufzubauen. Nicht im Sinne einer Zwangsheirat, weil es Eure Eltern so möchten. Nicht, weil es Euch finanziell absichert, sondern weil es eine Bereicherung für ein ganzes Leben sein kann, eine Beziehung mit Gott zu führen. Werdet ein bißchen Dreikönig und findet in dieser Gemeinde mit 6500 Mitgliedern Euren persönlichen Platz, an dem Ihr Euch wohlfühlt und an dem Ihr ganz Ihr selbst sein könnt. Denn so haben wir Euch am Liebsten.

Amen.

Das Gemälde 'Die Mitgift', 1873, Wassilij Wladimirowitsch Pukirew, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Die Photographie 'Repronegatief. Een Karo-Bataks echtpaar', wurde Wikimedia Commons durch das Tropenmuseum als Teil einer Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt. Das Tropenmuseum, Teil des Königlichen Tropeninstituts, stellt ausschließlich durch ihr Personal erstellte oder anderweitig freie Bilder zur Verfügung.

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