Predigten im Jugendgottesdienst: Mt 8, 23-27 Junimond
Predigt Mt 8, 23-27 Junimond
Gehalten von Jakob Hellwig im Juni 2009:
Viele Jugendliche fiebern ihrem achtzehnten Geburtstag entgegen, vor allem aus einem Grund: Endlich einen Führerschein haben. Mein Achtzehnter ist jetzt schon eine Weile her und trotzdem besitze ich keinen Führerschein. Ich habe auch nicht versucht, ihn zu machen und bin daran gescheitert. Nein, ich habe für mich bisher keinen Sinn gesehen, warum ich soviel Geld ausgeben sollte für etwas, das mir nicht am Herzen liegt.
Dieser Umstand hat zur Folge, dass ich oft auf Beifahrersitzen Platz nehme. Aber ich glaube, das kennt jeder, dass es Leute gibt, bei denen man sich wohler im Auto fühlt, als bei anderen. Bei mir gibt es zwei Personen, bei denen ich mich völlig entspannen kann, wenn sie am Steuer sitzen. Das eine ist mein Vater und das andere ist meine Freundin Anna. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass die beiden besonders routiniert fahren oder ob es daran liegt, dass ich bei den beiden am häufigsten mitgefahren bin. Objektiv lässt es sich vielleicht gar nicht erklären. Aber das Gefühl ist da. Das Vertrauen darauf, dass sie mich sicher ans Ziel bringen. Dann kann ich auch im Auto schlafen.
Wie wir in der Lesung gehört haben, konnte auch Jesus auf einem Schiff während eines Sturms schlafen. Im Gegensatz zu den Jüngern, die solche Angst hatten, dass sie ihn weckten und um Hilfe baten. Er bezeichnet sie daraufhin als Kleingläubige.
Jesu Vertrauen liegt in diesem Fall sicher nicht bei dem Steuermann des Schiffes. Was soll dieser schon machen, wenn ein richtiger Sturm losbricht? Er vertraut auf Gott und dass dieser dafür sorgen wird, dass ihnen nichts passiert. Die Jünger glauben nicht wirklich daran und werden deshalb als kleingläubig bezeichnet.
Einerseits stimmt das. Sie vertrauen nicht so sehr auf Gott, als dass sie auch während des Sturms ruhig bleiben können. Im Gegensatz zu Jesus, der sich sicher ist, dass ihnen nichts passiert und schläft.
Andererseits sind sie alles andere als kleingläubig. Immerhin wecken sie Jesus und bitten ihn um Hilfe. Das heißt, Glaube und Vertrauen an und auf ihn sind sehr wohl vorhanden. Denn was sollte ein normaler Mensch denn bitte dagegen tun, dass es stürmt? Sie wecken ihn aber im Glauben daran, dass er etwas an dieser prekären Situation ändern kann. Zu Recht, wie sich dann rausstellt. Probleme und Nöte, die sich nicht gerade in Form von lebensbedrohenden Stürmen darstellen, haben wir ja alle hin und wieder.
Noten in der Schule, Streit mit der Freundin, Ärger mit dem Chef und mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch Liebeskummer.
Man müsste ja fast dankbar sein, dass es dieses Gefühl gibt, denn die Welt wäre sonst um einige wunderschöne Lieder ärmer. So auch das vorhin gesungene „Junimond“ von Rio Reiser.
Wenn man sich über dieses Lied Gedanken macht im Hinblick auf eine Predigt, sticht natürlich die Zeile „Ich hab’ getrunken, geraucht und gebetet“ ins Auge. Mich würde der Inhalt der Gebete sehr interessieren. Bittet er Gott darum, dass die angesprochene Frau ihn endlich in der Weise beachtet, wie er es sich wünscht? Bittet er darum sie endlich vergessen zu können? Beschimpft oder zweifelt er sogar an der Existenz Gottes in seinen Gebeten? Oder bittet er einfach nur um Kraft, diese Phase seines Lebens zu überstehen?
Daraus ergibt sich dann die Frage, wie der Sänger die Gebete im Nachhinein bewertet. Als gescheiterte Bitten, oder als etwas, das ihn durch das Tief gerettet hat.
Ich glaube, dass es Variante zwei ist. Denn das Lied gibt ja einen Rückblick auf eine überstandene Krise. Es ist vorbei. Das ist kein resigniertes „Es ist vorbei“, im Sinne von „Es ist alles aus, mein Leben hat keinen Sinn mehr“. Es drückt aus, dass etwas überstanden ist und es jetzt weitergeht. Eine Art Neuanfang. Ganz deutlich hört man dies vor dem Refrain, wo es heißt „Jetzt tut’s nicht mehr weh und alles bleibt stumm und kein Sturm kommt auf wenn ich dich seh’“.
Es kommt zu keinen Gefühlsausbrüchen mehr, wenn er mit seiner gescheiterten Liebe konfrontiert wird, weil er darüber hinweg ist. Um an diesen Punkt zu gelangen, brauchte er 83 Tage, viele Zigaretten, den ein oder anderen Schluck Alkohol und Gebete, die Gewissheit gegeben haben, dass bessere Zeiten auf ihn warten.
Das geht bei Jesus und seinen Jüngern etwas schneller, denn Jesus beruhigt den Sturm ja umgehend, nachdem er geweckt wurde. Eigentlich hätte er sie, in der Gewissheit, dass nichts passieren wird, noch ein wenig zappeln lassen können. Quasi als Strafe dafür, dass sie so wenig Vertrauen in Gott haben. Er tut ihnen aber den Gefallen und stillt den Sturm. Wohl aus dem Grund, dass sie noch nicht bereit sind, bedrohliche Situationen allein mit ihrem Glauben zu überstehen. Dafür sind sie noch zu kleingläubig.
Und so ist es auch keine Schande für unsereins in Nöten, neben unserem Glauben, auch nach anderen Auswegen zu suchen. Vertrauen muss erarbeitet und von dem der vertrauen soll, gelernt werden.
Und so verhält es sich dann auch mit unserem Glauben. Mit der Zeit, wenn man merkt, dass man nicht enttäuscht wird, entwickelt sich dieser und kann vielleicht irgendwann eine solch gefestigte Stufe erreichen, dass man auf einem Schiff in Seenot ruhig schlafen kann. Dass mit so einem Glauben niemand geboren wird und er erst im Laufe eines Lebens entsteht, ist klar.
Die Geschichte der Sturmstillung teilt einem also mit, dass jeder Sturm gestillt werden kann, jede Krise vorübergeht, jedes Tief einmal vorbei ist und dass man genau diese Situationen mit einem starken Glauben überstehen kann.
Gleichzeitig rechtfertigt sie aber auch diejenigen, die sich nicht in dem Stadium des absoluten Vertrauens befinden, sondern erst auf dem Weg dorthin. Das finde ich eine sehr beruhigende Botschaft. Denn hat man häufig das Gefühl die Bibel stellt hohe Ansprüche an einen von jetzt auf gleich, wird einem hier eine Entwicklungsphase zugebilligt. Und vielleicht könnt auch ihr irgendwann in jedem Auto schlafen, egal wer am Steuer sitzt.
Amen
Die Photographie 'Mammatus clouds', 1977 (Hobart, Oklahoma, NOAA Photo Library, NOAA Central Library; OAR/ERL/National Severe Storms Laboratory (NSSL)), ist gemeinfrei (public domain) weil sie Material enthält, dass von einem Angestellten des National Oceanic and Atmospheric Administration im Verlaufe seiner offiziellen Arbeit erstellt wurde.
Das Gemälde 'Christ in the Storm on the Sea of Galilee', 1695, Ludolf Bakhuysen, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
'Wild Side Story cast', 1977, Lars Jacob. Die Freigabe zur Nutzung dieses Werks wurde im Wikimedia-OTRS-System archiviert; dort kann die Konversation von Nutzern mit OTRS-Zugang eingesehen werden.