Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Rechtsextremismus, Internationaler Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung.

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Internationaler Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung.

Rechtsextremismus

Predigt gehalten von Bianca Mubiiki-Hörig am 21. März 2013 im Kirchsaal Süd

Heute haben wir den 21. März. Das ist unter anderem der internationale Tag der Wälder, und auch der Welttag des Down-Syndroms und der der Welttag der Poesie, aber er ist auch – passend zu unserem heutigen Thema – der internationale Tag (der Vereinten Nationen) zur Beseitigung der Rassendiskriminierung.

Aus Anlass dieses Gedenktags hat das Bundesjustizministerium im vergangen Jahr einen Schülerwettbewerb gestartet und Jugendliche dazu aufgerufen, ihre Ideen für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit einzureichen. Einen der Siegerbeiträge habt Ihr eben im Video gesehen. Schülerinnen und Schüler zwischen 16 und 18 Jahre einer Oberstufenklasse in Mecklenburg-Vorpommern haben diesen Song komponiert sowie den Text dazu geschrieben und das Musikvideo aufgezeichnet. Im Refrain heißt es: „Werde selbst zum Vorbild, fair zu Ausländern“. Sie haben damit klar und deutlich gegen Rechtsextremismus Position bezogen.

Entschlossen gegen rechts stellen

Wie wichtig und unerlässlich es ist, immer wieder Stellung zu beziehen und sich entschlossen gegen rechts zu stellen, zeigen die aktuellen Themen der Nachrichten nur zu gut: Antrag auf NDP-Verbot – ja oder nein, Gedenkstein in Schlüchtern für das erste NSU-Opfer – ja oder nein? Außerdem finden zurzeit – vom 11. bis 24. März – die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt mit Fortbildungsangeboten für Lehrer und andere Multiplikatoren, Diskussionsrunden, Filmen usw. Selbst beim Ausbildungsradio hier in Frankfurt beschäftigen sich die angehenden Journalisten und Radiomacher derzeit auf ihrer Welle funrock24 mit dem Thema Rassismus. Gut so!

Was ist Rechtsextremismus?

Doch lasst uns mal einen Blick darauf werfen, was Rechtsextremismus eigentlich ist und wo er herkommt:

Als rechtsextrem wird in unserem Land bezeichnet, wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet und dabei – auch unter Anwendung von Gewalt – ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System anstrebt, in dem rassistisches Gedankengut die Grundlage der Gesellschaftsordnung bildet. Was bedeutet das? Es bedeutet, in einem rechtsextremistischen Weltbild.

  • herrscht ein aggressiver Nationalismus, der andere Nationen als „minderwertig“ betrachtet und die Wahrung der Menschenrechte, insbesondere der Gleichheit aller vor dem Gesetz, ignoriert.

  • 'Berlin, Frau mit Judenstern', 1941,  German Federal Archives
  • Es bedeutet, dass das Wunschziel der autoritäre „Führerstaat“ ist, in dem demokratischen Grundprinzipien wie die Volkssouveränität, freie Wahlen oder politische Opposition schlichtweg nicht vorhanden sind.

Völkisches Denken in der Weimarer Republik und im dritten Reich

Die Frage ist, wo kommt denn das völkische Verständnis der rechten Szene her? National-extremistisch Denkende gibt es in Deutschland schon seit der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Menschen, die die Demokratie hassten und sie für die herrschenden Missstände verantwortlich machten, fanden nach Ende des 1. Weltkriegs genügend Anhänger. Und hier liegt auch die Geburtsstunde der NSDAP. Nach den Vorstellungen ihres Parteivorsitzenden Adolf Hitler befand sich die Welt in einem permanenten „Kampf der Völker um Lebensraum“. Ein Volk könne nur dann siegreich sein, wenn seine "Rassereinheit" gewahrt bliebe. Und dies, so meinte er, sei vor allem durch die Juden gefährdet. Die Anhänger dieses Volksdenken hielten sich für höherwertig als andere. Deshalb sei das deutsche Volk vor minderwertigen, ausländischen Rassen und vor einer Völkervermischung zu bewahren. Das manifestierte sich in den Nürnberger Rassegesetzen von 1935: Diese besagten zum Beispiel, dass die Ehe und der außereheliche Sex zwischen Juden und Nichtjuden „zum Schutz der deutschen Rasse und der deutschen Ehre“ verboten war. Sie legten auch fest, dass nur „Staatsangehörige deutschen Blutes“ Bürger des Reiches sein durften und dessen Rechte wie das Wahlrecht oder die Besetzung von öffentlichen Ämtern in Anspruch nehmen konnten. Wohin Hitlers radikaler Judenhass und sein elitäres, nationalistisches Herrschaftsdenken führte, brauche ich wohl nicht näher zu erläutern.

Nach 1945

Doch auch nach 1945 hörte dieses braune Denken nicht auf: Ende der 60er Jahre feierte die NDP erste Wahlerfolge. Ende der 80er traten dann DVU und die Republikaner auf den Plan und offenbarten, dass rechte politische Tendenzen noch immer nicht aus Deutschland verschwunden waren.

Ausländerhass nach der Wiedervereinigung

Mit der Wiedervereinigung wandelte sich der Rechtsextremismus und artete in einer Welle fremdenfeindlicher Gewalt aus. Die Anschläge in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen sind nur vier Höhepunkte kaltblütiger, tödlicher Gewalt gegenüber Ausländern. Aus dieser Szene und dieser Zeit stammen auch die drei Neonazis, die dem Nationalsozialistischen Untergrund, kurz NSU, angehörten. Sie bestimmten vor etwas mehr als einem Jahr die Schlagzeilen und versetzten Deutschland in fassungslose Erschütterung, als herauskam, dass sie zwischen 2000 und 2006 neun türkisch- bzw. griechischstämmige Mitbürger ermordet hatten. Eben jene Mordserie, die in den Medien als die Döner-Morde oder auch NSU-Morde bekannt wurden. Alle Opfer waren voll in der Gesellschaft integrierte Mitbürger, die jeweils ihr eigenes Business betrieben, beispielsweise als Blumenhändler, als Änderungsschneider, als Gemüsehändler oder eben als Dönerbudenbesitzer.

'Demonstration gegen Rechtsextremismus und zur Erinnerung an die NSU-Opfer, am 13. April 2013', 2013, linksfraktion

Unerträglicher brauner Sumpf

Nationalistisches Gedankengut ist scheinbar nicht auszurotten aus unserer Gesellschaft. Und ob da beispielsweise ein NPD-Verbot hilft oder kontraproduktiv ist, wird uns weiterhin beschäftigen. Fest steht jedenfalls, dass der braune Sumpf unerträglich ist. Mir persönlich fehlen die Worte um zu beschreiben, wie widerlich, ekelhaft, unhaltbar ich diese menschen-verachtende Rassenlehre finde.

Fremdenhass absurd: Fremde sind Mit-Menschen

Man muss gewiss kein Christ sein, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Doch in dem Moment wo wir uns mit unserer christlichen Überzeugung der Thematik nähern, wird jeder Rechtsextremismus, jeder Fremdenhass ad absurdum geführt. Da braucht Ihr nur mal die erste Seite in der Bibel aufzuschlagen. Da steht: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ Ja, den Menschen! Nicht den Deutschen, den Weißen, nicht diese oder jene Rasse. Sondern den Menschen, jeden Menschen. Aha! Das heißt also, dass ich und dass ihr (und ihr …) und all die Leute um uns herum, die unsere Mit-Menschen sind, dass wir alle von Gott geschaffene Wesen sind. Ohne Unterscheidung.

Glaube verbietet es, andere gering zu schätzen

Die logische Konsequenz daraus ist: Der Glaube an Gott als unseren Schöpfer verbietet es uns, andere gering zu schätzen und zu verachten. Der Gott, der sich für die Schwachen und die Ausgegrenzten einsetzt, der sich mit Sündern und Fremden solidarisch erklärt, zeigt uns, dass all diese genauso von ihm geschaffene Menschen und wir alle ein Teil dieser Schöpfung sind. Der Gott, der die Menschen in ihrer Unvollkommenheit und in ihrem Unterschiedlich-Sein annimmt und uns Vergebung zusagt, zeigt uns, dass Barmherzigkeit der einzig gangbare Weg ist, der Vielfalt der Menschen zu begegnen.

Wie kann es sein?

Wie kommen also bitteschön die Nationalsozialisten im dritten Reich, die Neonazis, die NSU-Terroristen, die pöbelnden Skinheads dazu anzunehmen, sei seien etwas Besseres, und Andere hätten in ihrem Umfeld keine Daseinsberechtigung? Wie kann es sein, dass seit Menschengedenken Unterschiede gemacht werden, und die einen versuchen, die anderen auszurotten? Wie kann es sein, dass es zum Völkermord in Armenien kam? Zur Rassendiskriminierung in den USA? Wie kann es sein, dass es zur Apartheid in Südafrika kam? Zum Genozid in Ruanda, um nur mal vier Beispiele aus dem letzten Jahrhundert zu nennen? Oder – auch völlig unfassbar: Wie kann es sein, dass im Sommer 2011 auf Utøya ein kom-plett Irrer 77 Menschen auf einen Schlag umbringt, nur weil er der sozialdemokratischen Regierung Norwegens einen Denkzettel verpassen wollte, da diese seiner Meinung nach zu viele Muslime im Land dulde?

'Church of Saint-Eutrope in Clermont-Ferrand, stained glasses', 2010, Cl-Fd_Saint-Eutrope-vitrail1

Höchstes Gebot: Nächstenliebe

Wir haben vorhin in der Lesung gehört, dass ein Schriftgelehrter zu Jesus kam und ihn nach dem wichtigsten aller Gebote fragte. Die Antwort lautete:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“

Und als Beispiel erzählt er die Geschichte vom barmherzigen Samariter: Ein Jude, der unter die Räuber gefallen war, lag hilflos am Straßenrand. Ein Priester und ein Levit, also ein Tempeldiener, kamen nacheinander vorüber. Beides Gleichgesinnte, jüdische Volks- und Glaubensgenossen. Doch beide gingen vorüber, ohne sich zu kümmern. Dann kam ein Samaritaner. Einer, der kein Glaubensbruder war, der von den Juden gering geschätzt wurde. Aber er dachte nicht lange nach. Er half dem Verletzten und kümmerte sich aufopferungsvoll und ließ ihn erst zurück, als er ihn gut versorgt wusste. Der Samaritaner brauchte nicht zu überlegen oder zu zögern. Für ihn war klar, dass dieser Mensch seine Hilfe brauchte. Hier wurde also der Ausgestoßene und Verachtete zum Retter und zum Nächsten des Verwundeten. Da hat einer ohne Ansehen von Volks- oder Glaubenszugehörigkeit gehandelt und den Menschen vor ihm einfach als Menschen behandelt.

Offen sein für Aussteiger

Es geht in dieser Predigt nicht darum, die Ecken und Kanten und Stolperfallen, die es im Zusammenspiel vieler Kulturen und Nationen immer geben wird, zu bagatellisieren. Kulturelle und menschliche Vielfalt ist beileibe nicht immer unproblematisch, aber sicherlich immer eine große Bereicherung. Und doch – wenn man den Gedanken der Ebenbürtigkeit aller Menschen weiterdenkt, dann gilt dies natürlich auch für jene, die sich von der Ideologie der rechtsextremistischen Gruppen haben verführen lassen. Wer sich besinnt und erkennt, dass die Achtung der Würde des Anderen ohne Alternative ist, dem gebühren eine offene Tür bei uns und ein fundiertes Hilfsangebot wie beispielsweise das Aussteigerprogramm Exit.

Wer im Gegenüber den Mit-Menschen sieht, hat‘s kapiert

Denn wer im Fremden seinen Nächsten sieht – egal ob der Christ ist oder Muslim oder Jude oder Atheist, egal ob schwarz oder weiß – wer in dem Gegenüber einen Mit-Menschen sieht, der hat das wichtiges Gebot Gottes verstanden:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“

Amen.

Die Photographie 'Berlin, Frau mit Judenstern', 1941, German Federal Archives, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license.
Die Photographie 'Demonstration gegen Rechtsextremismus und zur Erinnerung an die NSU-Opfer, am 13. April 2013', 2013, linksfraktion, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Das Kirchenfesnter 'Church of Saint-Eutrope in Clermont-Ferrand, stained glasses', 2010, Cl-Fd_Saint-Eutrope-vitrail1, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 France license.

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