Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Cantate - Sex and Drugs and Rock `n` Roll. Teil 3: Rock `n` Roll

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'Joan Baez and Bob Dylan, Civil Rights March on Washington, D.C.', 1963, Rowland Scherman, National Archives and Records Administration

Cantate - Sex and Drugs and Rock `n` Roll.

Teil 3: Rock `n` Roll

Predigt gehalten von Bianca Mubiiki-Hörig am 26. Mai 2011 im Kirchsaal Süd

Als ich Konfi war, gab es einen Begriff für die Generation der Jugendlichen, die damals noch ein bisschen älter waren als ich: Die „Null-Bock-Generation“, die Abhänger und Looser, die durch nichts und niemanden zu motivieren waren. Meine Freunde und ich zählten uns schon nicht mehr dazu, denn außer auf Eltern, Lehrer und Schule hatten wir auf ziemlich vieles Bock. Und vor allem hatten wir Bock, alles auszudiskutieren.

Als wir diesen Gottesdienst vorbereitet haben, dachte ich, dass es für die heutige Zeit auch wieder so einen Generationen-Begriff geben könnte. Nämlich: Generation Facebook. Ich habe fast das Gefühl, ohne virtuelle soziale Netzwerke geht beinahe nichts mehr. Ein Gottesdienstvorbereitungstreffen vor 10 Tagen fiel mangels Beteiligung aus und eine E-Mail an alle Teamer blieb nahezu unbeantwortet. Erst eine Veranstaltung auf Facebook brachte dann die erwünschten Reaktionen. Die Posts kamen in Scharen und binnen kurzer Zeit stand der Gottesdienstablauf für heute fest.

Facebook war es dann auch, das mich auf eine Idee für die Predigt brachte. Die Tageschau nämlich – die ich auch in meinem „Gefällt-mir“-Repertoire habe – meldete vorgestern, Bob Dylan sei 70 geworden. Okay, ich befürchte, eine ganze Menge Menschen hier im Saal wissen nicht, wer Bob Dylan ist. Nun ja, lasst es mich mal so sagen: Er ist einer der größten und einflussreisten Musiker unserer Zeit. Und obwohl er immer noch aktiv ist und auf Tour geht, spielt er für die heutige Musikszene keine wirkliche bedeutende Rolle mehr. Deshalb will ich Euch auch nicht mit Details aus seinem Leben langweilen. Trotzdem fasst die Einführung, die vor jedem seiner Auftritte zu hören ist, wunderbar zusammen, warum Bob Dylan so gut zu unserem heutigen Thema passt: „Ladies and Gentlemen; heißt es da „begrüßen sie bitte den Dichterfürsten des Rock 'n' Roll. Die Stimme der Hoffnung für die Gegenbewegung der 60er. Den Kerl, der Folk und Rock zwang, miteinander ins Bett zu steigen, der in den 70ern Make-up auflegte und dann im Nebel des Drogenmissbrauchs verschwand. Der wieder auftauchte, um zu Jesus zu finden. Der am Ende der 80er abgeschrieben und totgesagt war und der plötzlich in den späten 90ern wieder Gas gab, um einige der überzeugendsten Songs seiner Karriere herauszubringen.“

Okay, hier geht es also um ein Lebensgefühl, um das Aufbegehren der jungen Generation, um das sich Nicht-Anpassen an traditionelle Werte, um Rebellion. Es geht um den letzten Teil des Dreiklangs Sex and Drugs and Rock `n` Roll.

'Cavenaugh Park in Walnut Ridge, Arkansas‎ Elvis Presley', 2013, Thomas R Machnitzki (thomasmachnitzki.com)

Rock `n` Roll als solches bezeichnet natürlich auch einfach eine Musikrichtung, die in den 50er-Jahren ihren Anfang nahm. Ein unvergesslicher Mythos dieser Zeit – selbst Ihr Konfis werdet schon von ihm gehört haben – war The King of Rock `n` Roll – Elvis Presley. Seine Karriere begann Mitte der 50er und er war einer der Ersten in Amerika, der das damals völlig Undenkbare wagte und sogenannte „weiße“ Country-Music mit sogenanntem „schwarzem“ Rhythm & Blues vermischte und so den Rock `n` Roll prägte und zu einer Identifikationsfigur wurde. Aber nicht nur seine Musik sorgte für Aufregung im Establishment, sein ganzes Auftreten war für die konservative Gesellschaft ein Skandal. Mit langen Haaren, provokanten Gesten auf der Bühne und dem anzüglichen hüftschwingenden Tanzstil brach er mit allen bis dahin gekannten gesellschaftlichen Normen. „Elvis the Pelvis“ schockte die Alten und wurde dafür von den Jungen geliebt.

Rock `n` Roll war also eine Strömung der Zeit, eine Möglichkeit, aufzubegehren, sich lebendig zu fühlen. Und wenn wir weiter in der Geschichte gehen und die folgenden Jahrzehnte betrachten, war, ist und bleibt Musik immer ein wichtiges Medium, politische und sozialkritische Themen zu besprechen und einem gewissen Befinden Ausdruck zu verleihen.

In den 60-ern zum Beispiel hörte man Folkrock, der damals vor allem die Bürgerrechtsbewegung in den USA rund um Martin Luther King thematisierte. Und auch die Hippies, deren Botschaft „Love, Peace and Happiness“ war, gehören in diese Zeit. „Live fast, love hard, die young“ war die Parole. Das Leben als eine einzige Party, freie Liebe und Drogen als Mittel zum Zweck.

In den 70-er-Jahren etablierte sich die Reggae-Szene und auch hier hörte man wieder viel Sozialkritisches und wieder wurde Liebe, Friede und Einigkeit besungen. Aber auch ordentliche Rockmusik war weiter angesagt.

In den 80ern – und ab hier kann ich langsam mitreden – rebellierten wir mit Punkrock. Ich kann mich noch gut erinnern, dass die Texte von den Ärzten oder den Toten Hosen so manchem Lehrer oder den Eltern die Zornesröte ins Gesicht trieb.

Naja und ab dann brauch ich Euch nicht mehr erzählen, welche Musik dann gerade angesagt war oder ist, um aufzubegehren. Hip-Hop, Rap, Rave, etc. etc.

Fest steht, Musik hat starken Einfluss auf uns. Gesungene Texte bleiben leichter im Gedächtnis. Alte Kinderlieder können wir im Zweifel alle noch auswendig, aber in der Schule auswendig gelernte Gedichte sind meist längst wieder vergessen. Musik transportiert Worte in unsere Herzen. Musik begeistert und reißt mit. Und das natürlich nicht nur im Kontext des Protests.

Musik umfasst viele Bereiche des Lebens. Es gibt sie schon, solange es auch Menschen gibt. Das erste Musikinstrument ist immerhin auch schon 35.000 Jahre alt. Musik begleitet Menschen in vielen Situationen. Denkt an romantische Liebeslieder. An klagende Balladen, die den Liebeskummer besänftigen. An schnelle Beats zum Abfeiern – oder zum Joggen. An ängstlich gesungenen Kinderlieder, wenn wir uns, als wir klein waren, allein im Dunkeln gefürchtet haben. An Jubelhymnen im Stadion (okay oder aus gegebenem Anlass auch an Klagelieder). An militärische Märsche. An anfeuernde, mitreißende Einpeitschersongs. An emotionale Kirchenlieder und nicht zuletzt an gesungene Elemente unserer Gottesdienstliturgie. Die Kraft des Liedes verbindet. Gemeinsames Singen stiftet Zusammenhalt.

'David playing the harp.', 1881, Ludwik Wiesiołowski, (BurgererSF)

Im Kirchenkalender war der vergangene Sonntag der Sonntag Kantate. Das kommt vom lateinischen cantare und heißt nichts anderes als singen. Als wir Termin und Thema für heute ausgesucht haben, war uns das nicht bewusst. Umso netter ist aber dieser Zufall. Ich habe mich also mal auf die Suche gemacht und geschaut, wo überall in der Bibel gesungen wird. Die Fundstellen sind unzählig. Ein paar sind mir aber nennenswert erschienen:

  • Mose zum Beispiel: Nachdem er erfolgreich sein Volk aus Ägypten geführt hatte und die Verfolger am Schilfmeer abschütteln konnten, stimmte er einen Lobgesang auf Gott an, und alle Männer sangen mit. Seine Schwester Mirjam griff zur Pauke und führte tanzend und singend die Frauen an.

  • Oder ein anderer Lobgesang, noch viel bekannter und berühmter: Maria, schwanger mit Jesus, erwiderte den Gruß ihrer Kusine Elisabeth mit einem demütigen und Gott preisenden Lied.

  • Aber auch Lieder zu anderen Zwecken habe ich gefunden: David, als er noch ein kleiner Hirtenjunge war, konnte begnadet gut Harfe spielen. König Saul, so berichtet die Bibel, war zeitweise von einem bösen Geist besessen und es stellte sich heraus, dass Davids Harfenspiel Saul Erleichterung verschaffte und den bösen Geist vertrieb.

  • Dass gemeinsamer Gesang in Zeiten der Not und Bedrängnis hilft, den Mut nicht zu verlieren, haben sicher auch Paulus und Silas erfahren, die im Gefängnis einsaßen. Als sie zur dunkelsten Stunde – im wörtlichen und übertragenen Sinne – Lobgesänge zur Ehre Gottes anstimmten, hatten sie die Aufmerksamkeit aller Gefangenen. Was nun folgte, war die Geschichte mit dem Erdbeben, das die Gefängnismauern einstürzen lies und die Häftlinge freigab.

Paulus war es auch, der den Text, den wir vorhin als Lesung gehört haben, verfasst hat. Er schrieb an die Gemeinde der Kolosser und ermahnte sie, nicht nach Irdischem zu trachten, Bosheit, Zorn und Lüge abzulegen und einander mit Sanftmut und Geduld zu begegnen. Der Friede Christi solle ihr Herz regieren. Paulus schreibt weiter, ich zitiere noch einmal:

„Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“

Ich fasse also noch einmal zusammen: Musik, gemeinsam gesungene Lieder verbinden und schaffen Gemeinschaft. Musik kann aber auch polarisieren und Aufmerksamkeit erregen. Musik verleiht Worten den passenden Rahmen und transportiert die Botschaft in unsere Herzen und in unseren Verstand. Musik ist immer Ausdruck eines Gefühls. Sei es Freude und Jubel, sei es Trauer und Anklage, sei es Angst und Verzweiflung, sei es Protest und Auflehnung gegen die Autoritäten oder sei es Dankbarkeit und Anbetung. Musik ist aus dem Leben eines Menschen nicht wegzudenken. Und Musik erreicht Gott. Auch dann, wenn uns die richigen Worte zum Gebet fehlen.

Amen.

Die Photographie 'Joan Baez and Bob Dylan, Civil Rights March on Washington, D.C.', 1963, Rowland Scherman, National Archives and Records Administration, ist im public domain in den Vereinigten Staaten, weil es eine Arbeit des United States Federal Government ist unter den Bedingungen von 17 U.S.C. § 105..
Die Photographie 'Cavenaugh Park in Walnut Ridge, Arkansas‎ Elvis Presley', 2013, Thomas R Machnitzki (thomasmachnitzki.com), ist lizensiert unter der is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Unported license.
Das Gemälde 'David playing the harp.', 1881, Ludwik Wiesiołowski, (BurgererSF), ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.

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