Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigt im Jugendgottesdienst von Gabriele Moog: Josua 5, 13 - 15 Neugierig und unvoreingenommen bleiben

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'Szene der Begegnung Josuas mit dem 'Anführer des Heeres des Herrn', 11th century, anonim

16. Juni 2011

Neugierig und unvoreingenommen bleiben Josua 5, 13 - 15

Predigt gehalten von Gabriele Moog am 16. Juni 2011 im Kirchsaal Süd

Und es begab sich, als Josua bei Jericho war, dass er seine Augen aufhob und gewahr wurde, dass ein Mann ihm gegenüberstand und ein bloßes Schwert in seiner Hand hatte. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden? Er sprach: Nein, sondern ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt gekommen. Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach zu ihm: Was sagt mein Herr seinem Knecht? Und der Fürst über das Heer des HERRN sprach zu Josua: Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig. Und so tat Josua.

Josua 5, 13 - 15

Ein ziemlich merkwürdiger Text, den wir da eben gehört haben. Warum verhält sich Josua so? Was soll das mit dem Schuhe ausziehen? Und wer ist eigentlich dieser Fremde mit dem gezogenen Schwert?

Eine Menge Fragen, nichts scheint klar zu sein. Noch verwirrender wird es, wenn man denen glauben will, die der Meinung sind, der fremde Mann sei Jesus. Dazu muß man wissen: Das kann eigentlich gar nicht sein. Der Text, den wir gehört haben, steht nämlich im Alten Testament, dem Teil der Bibel, in dem von Jesus noch gar nicht die Rede ist. Von Jesus erzählt erst das Neue Testament.

Josua also soll Jesus getroffen haben? Und warum hat Jesus ein „bloßes Schwert“ in der Hand, wenn er es denn ist? Jesus – das war doch der, der von Nächstenliebe gesprochen hat und davon, daß man seine Feinde lieben soll. Jesus, der Friedensfürst mit dem Schwert?

'The Archangel Michael
', 16th-17th century, Tbilisi

Ich sage es ja: alles sehr verwirrend. Noch merkwürdiger ist, wie Josua reagiert. Was würden wir denn tun, wenn jemand mit gezogener Waffe vor uns steht und auf die Frage, ob er zu den eigenen Leuten oder zu den Feinden gehört, unverständliche Antworten gibt? Keiner von uns würde sich jedenfalls zu Boden werfen und auf Befehle warten. Das wäre geradezu leichtsinnig und gefährlich. Josua wirkt regelrecht unvernünftig.

Trotzdem meine ich, daß wir von Josua etwas lernen können: Josua ist offen für Überraschungen. Niemand kann zu seiner Zeit Jesus gerechnet haben oder auch nur von ihm gehört haben. Trotzdem ist seine Reaktion eindeutig. Er zeigt Ehrfurcht, fällt auf die Knie und fragt: „Was sagt mein Herr seinem Knecht?" Und dann, als er hört, er soll seine Schuhe ausziehen, weil er auf heiligem Boden stehe, tut er es einfach. Ohne zum Beispiel zu fragen, was das soll. Josua fragt nach dem Willen Gottes und ist auch bereit, ihn zu erfüllen. Josua hat noch kein fertiges Bild von Gott im Kopf. Er ist nicht festgefahren. Er ist nicht der Meinung, daß er schon weiß, wie Gott aufzutreten hätte oder was Gott mit uns Menschen vorhat. Josua erkennt Gott in einer Situation, mit der niemand rechnen kann.

Was also können wir von Josua lernen? Es ist seine Offenheit. Seine Unvoreingenommenheit. Seine Vorurteilslosigkeit. Er ist offen für seinen Gott, ganz egal wie der beschließt, ihm zu begegnen. Viele Menschen sagen ja, wenn Gott dies oder jenes tue oder sie dieses oder jenes religiöse Erlebnis hätten – dann, ja dann könnten sie auch glauben. Mag sein. Nur funktioniert es so nicht. Gott hat seine eigene Art auf uns Menschen zuzugehen. Und die ist mindestens so vielfältig wie wir unterschiedlichen Menschen es sind. Wenn man Gott begegnen will, muss man also aufpassen, daß man nicht mit zu engen, vorgefaßten Erwartungen unterwegs ist.

Neugierig und unvoreingenommen – das sind die besten Eigenschaften, um Gott kennenlernen zu können. Gerade Ihr neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden seid jetzt auch an so einem Punkt, an dem Ihr Gott begegnen könnt, wenn Ihr offen und neugierig seid. Manche von Euch haben vielleicht schon eine Vorstellung von Gott. Das ist schön. Aber bleibt trotzdem dafür offen, daß alles auch ganz anders sein könnte. Oder daß da noch viel mehr Seiten sind, die Ihr an Gott entdecken könnt. Andere meinen vielleicht, daß es so etwas wie Gott nicht geben kann. Sie gehen vielleicht nur aus Familientradition zur Konfirmation oder weil es Geschenke gibt oder um Freunde zu begleiten. Auch sie haben aber die Möglichkeit, noch einmal ganz neu über die Sache nachzudenken. Wenn sie wollen. Wenn sie neugierig genug sind.

Es liegt jetzt ein ganzes Jahr voller Möglichkeiten vor Euch, Gott zu entdecken. Ihr könnt Eure ganze Neugier loswerden. Pfarrer und Ehrenamtliche, unser ganzes Team steht bereit, um Euch dabei zu begleiten. Nutzt diese Zeit! Stellt alle Eure Fragen. Bohrt nach, wenn Ihr etwas nicht versteht. Diskutiert, wenn Ihr etwas anders seht. Aber vor allem: Bleibt offen! Im Glauben stößt man immer wieder auf Neues, immer wieder auch auf Widersprüche. Man kann immer wieder etwas lernen. Man muß es sogar. Das geht nicht nur Konfirmanden so. Auch Leuten, die schon lange glauben. Auch Pfarrern. Immer wieder muß man etwas in Frage stellen können, worüber man eigentlich schon sicher war. Glaube entwickelt sich über das ganze Leben hinweg.

Dann hilft es natürlich, wenn man ein bißchen ist wie Josua: Ohne festgefahrene Vorstellungen kann er akzeptieren, daß da ein Mensch mit Schwert vor ihm steht, in dem ihm Gott begegnet. Gott als Mensch: Jesus. Josua läßt sich ohne Vorbehalte auf ihn ein. Es ist immer gut, wenn man das kann.

Manchmal hat man ja die besten Begegnungen und interessantesten Gespräche, wenn man alte Vorurteile und Zweifel über Bord werfen konnte.

'Jesus Smiling At His Father' - Heather M Taiwo, California, USA (Jesus - Kalifornien, USA)

Josua geht noch weiter: Er tut, was Gott ihm sagt. Das heißt, er hört nicht nur unbeteiligt zu. Er läßt sich auf die Botschaft ein, die Gott ihm bringt. Und das, obwohl es schon reichlich merkwürdig klingt, daß er erst mal seine Schuhe ausziehen soll. Josua akzeptiert es einfach. Er hält sich an Formalien gar nicht erst auf. Vielleicht gelingt Euch das auch, wenn Ihr das vor Euch liegende Jahr im Konfi-Unterricht nutzt, um zu erfahren, was Gott gerade von Euch wollen könnte.

Das ist dann auch eine Erklärung dafür, was es mit diesem Schwert auf sich haben könnte: Jesus trägt das Schwert desjenigen, der anführt. Er ist ja nach eigener Aussage weder Freund noch Feind. Er will also nicht bloß verteidigen oder angreifen. Er ist aber derjenige, dem wir folgen sollen. Josua versteht das sofort. Er fragt, was Gott will und handelt dann auch danach. Auch wir als Gemeinde, als Team von Pfarrern und Ehrenamtlichen und auch Ihr Konfis sollten nicht nur fragen, was Gott vorhat, sondern bereit sein, das dann letztlich auch zu tun. Was nutzt es auch, wenn ich glauben kann, sich das auf mein Leben aber gar nicht auswirkt?

Einen ersten Schritt habt Ihr neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden sogar schon getan, schließlich habt Ihr Euch entschieden, ein ganzes Jahr dafür zu investieren, Euch mit Gott und Jesus zu beschäftigen. Aus welchen Gründen Ihr auch immer Euch dafür entschieden habt – ein paar Möglichkeiten haben wir aus dem Anspiel ja noch vor Augen – es ist schon eine ganze Menge Aktivität damit verbunden, das ein ganzes Jahr lang durchzuziehen. Zwar habt Ihr mit Team, Pfarrern und Gemeinde auch viele, die Euch auf dem Weg helfen. Aber mitgehen müßt Ihr selbst. Wie Josua müßt Ihr selbst entscheiden, wie Ihr auf die Begegnung mit Gott reagieren wollt: Nehmt Ihr sie an? In aller Konsequenz? Auch wenn es dann heißt, dem „Anführer mit dem Schwert“ tatsächlich zu folgen? Sich wirklich auf ihn einzulassen?

Ich meine: Es lohnt sich, das zu tun. Nehmt Euch die Zeit, ihm zuzuhören und dann vielleicht, ihm zu folgen. In diesem Sinne denke ich, wir sollten uns wünschen, alle ein bißchen wie Josua zu sein!

Die Abbildung 'Szene der Begegnung Josuas mit dem 'Anführer des Heeres des Herrn', 11th century, anonim, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'The Archangel Michael', 16th-17th century, Tbilisi, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Wir danken Major Issues & Theology Centre Inc in Australien (http://www.miat.org.au/index.html) für die freundliche Erlaubnis, Bilder von der Ausstellung "Jesus Laughing and Loving" auf unserer Website kostenlos zu zeigen.
Die fast vollständige Ausstellung - mit Erläuterungen der Künstler (in Englisch) - ist auf der folgenden Website zu sehen: http://www.miat.org.au/page/jesus_laughing_exhibition.html.

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