Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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"ABC" des Glaubens: Warum der Auferstandene noch Kreuzigungsnarben hatte - eine atemberaubende Offenbarung

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Thomas will die Narben sehen

'Zeige Deine Wunden', 1984 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Zeige Deine Wunden', 1984 - Walter Habdank
© Galerie Habdank

„Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20, 24 - 29)

Jüdische Erwartung: Auferstehungsleib ist unversehrt

Zur Zeit Jesu gab es im Judentum eine ausgeprägte Auferstehungserwartung. Es wurde erwartet, dass die Toten am Ende der Zeit leibhaftig auferstehen würden, und dass die Auferstehungsleiber ohne Narben wären. Alle Verletzungen, alle Entstellungen, alle Verstümmelungen sollten bei dem Auferstehungsleib nicht mehr zu sehen sein.

Rechnete Thomas mit Wiederbelebung?

Das heißt: Thomas hatte offenbar nicht mit Auferstehung gerechnet, sondern mit Wiederbelebung, sonst hätte er nicht darauf bestanden, die Kreuzigungsnarben zu sehen. Aber als Jesus erschien und Thomas dazu aufforderte, seine Narben zu betasten, passierte etwas Unerwartetes. Thomas war vor dieser Begegnung wie ein Wissenschaftler: er war nur bereit, das zu akzeptieren, was er empirisch bestätigen konnte. Als nüchtern denkender Mensch hätte er zu Jesus sagen müssen: Ja, es stimmt, du bist tatsächlich wieder am Leben. Aber anstatt dessen sagte er etwas, was den Rahmen völlig sprengte. Er sagte: „Mein Herr und mein Gott“. Mit diesem Bekenntnis hatte er entweder eine Gotteslästerung begangen oder die Wahrheit bezeugt. Thomas hatte mit seinem Bekenntnis beglaubigt, dass die Begegnung mit dem Auferstandenen die unmittelbare Begegnung mit Gott ist.

Wieso „mein Herr und mein Gott“?

Aber wie kommt Thomas dazu, so etwas zu sagen? Es hängt offenbar mit den Kreuzigungsnarben zusammen. Thomas hatte damit gerechnet – anhand dessen, was die anderen Jünger berichteten – dass Jesus von den Toten zurückgekehrt war. Denn sie hatten nur gesagt: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Um diese Behauptung zu akzeptieren, musste er die Narben sehen und spüren. Aber als er Jesus mit eigenen Augen sah, hat er gemerkt, dass Jesus nicht bloß wiederbelebt war, sondern auferstanden ist. Das heißt: er ist nicht zum Leben zurückgekehrt, sondern er ist durch den Tod hindurch gegangen, er ist verwandelt worden, er gehört nicht mehr der Vergänglichkeit an. Aber wenn er auferstanden ist, warum hat er noch Narben?

Leid wird nicht einfach ausgelöscht, sondern einbezogen

Thomas hat gemerkt, dass etwas eingetreten ist, was ihn maßlos überwältigte. Es gibt hier eine Verbindung zwischen Kreuzigung und Auferstehung, die atemberaubend ist: die Kreuzigung ist durch die Auferstehung nicht ausgelöscht worden, sondern ist in der Auferstehung einbegriffen.

Hier zeigt sich eine Betrachtungsweise, die für das Johannesevangelium charakteristisch ist. Johannes betont immer wieder, dass die Kreuzigung gleichzeitig die Verherrlichung ist. In der Kreuzigung offenbart sich die göttliche Herrlichkeit Jesu Christi. Kreuzigung und Auferstehung gehören deshalb untrennbar zusammen. Mit der Kreuzigung fängt die Auferstehung an und die Auferstehung vollendet die Kreuzigung.

Der Auferstandene trägt die Narben der Kreuzigung, damit man „sehen“ kann, dass auch das schlimmste Leid nicht einfach ausgelöscht, sondern zu der vollendeten Identität eines Menschen beitragen wird. In den Kreuzigungsnarben des Auferstandenen wurde sichtbar gemacht, dass Gott sinnloses, unschuldiges Leiden so aufgreifen und verarbeiten kann, dass es der Herrlichkeit dienen wird, für die wir Menschen in Ewigkeit vorgesehen sind. Und wer diese Realität erkannt hat, kann wie Thomas nur mit Ehrfurcht und Anbetung reagieren.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de.

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