Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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"ABC" des Glaubens

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Die biblische Geschichte als 'Ort', wo Christen ihre eigene Identität in Gott finden

"Weil die Schrift ein Corpus, ein lebendiges Ganzes ist, darum wird für die Schriftlesung der Hausgemeinde vor allem die fortlaufende Lesung in Betracht kommen. Geschichtliche Bücher, Propheten, Evangelien, Briefe und Offenbarung werden im Zusammenhang als Gottes Wort gelesen und gehört.... Die fortlaufende Lesung biblischer Bücher zwingt jeden, der hören will, sich dorthin zu begeben, sich dort finden zu lassen, wo Gott zum Heil der Menschen ein für allemal gehandelt hat.

'... wir ziehen, uns selbst vergessend und verlierend, mit durch das Rote Meer...'

Gerade im gottesdienstlichen Lesen werden uns die geschichtlichen Bücher der Heiligen Schrift ganz neu. Wir bekommen teil an dem, was einst zu unserm Heil geschah, wir ziehen, uns selbst vergessend und verlierend, mit durch das Rote Meer, durch die Wüste, über den Jordan ins gelobte Land, wir fallen mit Israel in Zweifel und Unglauben und erfahren durch Strafe und Buße wieder Gottes Hilfe und Treue; und das alles ist nicht Träumerei, sondern heilige, göttliche Wirklichkeit. Wir werden aus unserer eigenen Existenz herausgerissen und mitten hineinversetzt in die heilige Geschichte Gottes auf Erden. Dort hat Gott an uns gehandelt, und dort handelt er noch heute an uns, an unsern Nöten und Sünden durch Zorn und Gnade. Nicht dass Gott der Zuschauer und Teilnehmer unseres heutigen Lebens ist, sondern dass wir die andächtigen Zuhörer und Teilnehmer an Gottes Handeln in der heiligen Geschichte, an der Geschichte des Christus auf Erden sind, ist wichtig, und nur sofern wir dort dabei sind, ist Gott auch heute bei uns.

Eine völlige Umkehrung tritt hier ein. Nicht in unserm Leben muss sich Gottes Hilfe und Gegenwart erst noch erweisen, sondern im Leben Jesu Christi hat sich Gottes Gegenwart und Hilfe für uns erwiesen. Es ist in der Tat wichtiger für uns zu wissen, was Gott an Israel, was er an seinem Sohn Jesus Christus tat, als zu erforschen, was Gott heute mit mir vorhat. Dass Jesus Christus starb, ist wichtiger, als dass ich sterbe, und dass Jesus Christus von den Toten auferweckt wurde, ist der einzige Grund meiner Hoffnung, dass auch ich auferweckt werde am Jüngsten Tag. Unser Heil ist "außerhalb unser selbst", nicht in meiner Lebensgeschichte, sondern allein in der Geschichte Jesu Christi finde ich es. Nur wer sich in Jesus Christus finden lässt, in seiner Menschwerdung, seinem Kreuz und seiner Auferstehung, der ist bei Gott und Gott bei ihm...

Was wir unser Leben, unsere Nöte, unsere Schuld nennen, ist ja doch gar nicht die Wirklichkeit, sondern dort in der Schrift ist unser Leben, unsere Not, unsere Schuld und unsere Errettung. Weil es Gott gefallen hat, dort an uns zu handeln, darum wird uns nur dort geholfen werden. Nur aus der Heiligen Schrift lernen wir unsere eigene Geschichte kennen. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist der Gott und Vater Jesu Christi und unser Gott.

Wir müssen die Heilige Schrift erst wieder kennen lernen wie die Reformatoren, wie unsere Väter sie kannten. Wir dürfen die Zeit und die Arbeit dafür nicht scheuen. Wir müssen die Schrift kennen lernen zu allererst um unseres Heiles willen. Aber es gibt daneben genug gewichtige Gründe, um uns diese Forderung ganz dringlich zu machen. Wie sollen wir z.B. in unserm persönlichen und kirchlichen Handeln jemals Gewissheit und Zuversicht erlangen, wenn wir nicht auf festem Schriftgrund stehen? Nicht unser Herz entscheidet über unsern Weg, sondern Gottes Wort. Wer aber weiß heute noch etwa rechtes über die Notwendigkeit des Schriftbeweises? Wie oft hören wir zur Begründung wichtigster Entscheidungen ungezählte Argumente "aus dem Leben", aus der "Erfahrung", aber der Schriftbeweis bleibt aus, und gerade er würde vielleicht in genau entgegengesetzter Richtung weisen?

(aus "Gemeinsames Leben", Dietrich Bonhoeffer)

PSch