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Predigten von Pfarrer Andreas Klein: Pfingsten - Johannes 14, 22-27

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'beaches of Fuerteventura', 2012,Hansueli Krapf. Creative-Commons-Lizenz

Pfingsten

You'll never walk alone Johannes 14, 22-27


Predigt gehalten von Pfarrer Andreas Klein am 24. Mai 2015 in der Bergkirche

Liebe Gemeinde,

als ich ein junger Student war, da habe ich mich einmal getraut nach der Vorlesung den alten, ehrwürdigen Professor mit einer Frage anzusprechen. Im ersten oder zweiten Semester kommen einem ja alle Professoren alt und ehrwürdig und alle eigenen Fragen merkwürdig dumm vor und man traut sich nicht recht. So kostete das auch mich einigen Mut.
Der Professor war außerordentlich freundlich, redete kurz mit mir – ich war aufgeregt und kann heute weder Frage noch Antwort wiedergeben. Doch eines weiß ich noch:
In der nächsten Vorlesung mitten in Lauf der Dinge traute ich meinen Ohren nicht, als der Professor auf einmal meine Frage laut werden ließ. Er sei nach dem letzten Mal etwas gefragt worden. Ich saß da mit roten Backen und stolz wie Oskar – kann wiederum nicht mehr sagen, was Frage und Antwort war, aber das ist nicht entscheidend: Meine Frage war offensichtlich gar nicht dumm, sondern der Rede Wert.

Haben Sie vielleicht auch eine dumme Frage? Ich kann nicht pauschal garantieren, dass alle dummen Fragen klug sind, aber wenn dahinter ein Anliegen steckt, ist es der Rede wert! Der Predigttext von heute beginnt mit eben einer solchen Frage eines Jüngers an Jesus. Und diese Frage war es wert, viele Jahre später, da lebte dieser Jünger gar nicht mehr, im Johannesevangelium aufgeführt zu werden. Als Glaubensfrage, als Lebensfrage, als ein echtes Anliegen. Gestellt von Judas, nicht der Judas Iskariot, der Jesus verraten hat, sondern der andere Judas.

Bevor ich Frage von Judas und Antwort von Jesus vorlese, die Frage an Sie: Überlegen Sie doch mal: Wenn Sie Jesus heute eine Frage stellen könnten, was würden Sie fragen?

  • Vielleicht, warum es so viele Kriege in Gottes Namen gibt?
  • Warum das nötig war mit dem Kreuz?
  • Warum Menschen so leiden müssen, wie die Flüchtlinge aus Syrien und die Erdbebenopfer in Nepal?
Halten Sie Ihre Frage im Herzen. Sie ist es wert, gefragt zu werden.

Wir hören auf die Frage von Judas und die Antwort von Jesus.

22 Da fragte ihn Judas (der andere Judas, nicht Judas Iskariot): »Herr, wie kommt es denn, dass du dich nur uns zu erkennen geben willst und nicht der Welt?«
23 Jesus gab ihm zur Antwort: »Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.
24 Wer mich nicht liebt, richtet sich nicht nach meinen Worten. Und was ich euch sage, ist nicht mein Wort; ihr hört das Wort des Vaters, der mich gesandt hat.
25 Diese Dinge sage ich euch, solange ich noch bei euch bin.
26 Der Helfer, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles ´Weitere` lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Was ich euch zurücklasse, ist Frieden: Ich gebe euch meinen Frieden – einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann. Lasst euch durch nichts ´in eurem Glauben` erschüttern, und lasst euch nicht entmutigen! erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Johannes 14 22

Nun möchte ich dreierlei:

  • zuerst der Frage nachgehen
  • und dann die Antwort von Jesus verstehen
  • und zuletzt Ihnen ein Lied mitgeben

Ich möchte der Frage von Judas nachgehen:

22 Da fragte ihn Judas (der andere Judas, nicht Judas Iskariot): »Herr, wie kommt es denn, dass du dich nur uns zu erkennen geben willst und nicht der Welt?«

Judas fragt: Jesus, warum so exklusiv? Die ganze Welt, der Kosmos, so heißt das im Johannesevangelium müsste dich erkennen: Deine Wahrheit, deine Liebe, dein Leben für uns! Warum gibst du dich nur uns zu erkennen und nicht den Vielen?

Vergleichen Sie doch mal die Frage von Judas mit der Frage, die Sie auf dem Herzen haben, die Sie Jesus stellen möchten? Könnte es sein, dass es in die gleiche Richtung geht?

  • Jesus, wenn du doch auferstanden bist, warum gibt es immer noch so viel Leid und Tod?
  • Gott, wenn deine Liebe so stark ist, warum wirken Macht und Gewalt und Waffen in unseren Augen oft so viel stärker?
  • Warum dauert es so lang? Warum machst du es so spannend, bis alle sehen, wer du bist?

Vielleicht haben Sie auch ganz andere Fragen – und wir könnten nach dem Gottesdienst noch gut miteinander reden – aber es könnte sein, dass es in die gleiche Richtung geht. Warum ist das Glück so exklusiv?

Die Antwort von Jesus hat wiederum drei Teile und der erste Teil spielt den Ball zurück!

An Judas, den Fragesteller, an uns mit unseren Fragen. Keine wirkliche Antwort auf die Frage, aber eine indirekte sehr klare Antwort: Ihr seid dran. Wer mich lieb hat, wer in Verbindung steht mit mir, der – so hat es Luther es übersetzt – hält mein Wort, der – so die Neue Genfer Übersetzung – richtet sich nach mir.

Vielleicht kommt die Antwort auf die Frage, warum es denn so ist, auf die Theodizee-Frage spürbar zu kurz, aber die Blickrichtung wird gewendet: Wir sind dran! Es kommt darauf an, was wir tun, mit unserer Liebe, mit der Kraft unseres Lebens!

„Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten.“

, so Jesus. Ein Bedingungs- und ein Folgesatz und wir müssen beides anschauen:

Die Bedingung lautet nicht: Wer keine Zweifel kennt und über alle Zweifel erhaben ist. Die Bedingung lautet nicht: Wer in besonderer Weise auserwählt wurde. Die Bedingung lautet nur:

„Wenn mich jemand liebt“.

Ganz schlicht.

Und der Folgesatz:

„Wenn mich jemand liebt - wird er sich nach meinem Wort richten.“

Man könnte auch sagen. Der richtet sich nach mir aus. Dessen Blickrichtung wird verändert. Dessen Lebensruder wird neu justiert. Dessen Wertekatalog neu aufgeschlagen.

Ja, wer fragt, kriegt Antworten. Warum ist denn alles noch nicht fertig? – Das ist nun euer Job! Ihr seid dran. Wir sind dran.
Wir mit unserer kleinen Kraft?

Teil 2 der Antwort von Jesus lässt uns nicht allein.

Der Helfer, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles ´Weitere` lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Weite Teile des Johannesevangeliums – 100 Jahre nach Jesu Geburt geschrieben – berichten von diesen Abschiedsgesprächen Jesu mit seinen Jüngern. Wie wird es sein, wenn ich nicht mehr da bin? Die Lebenssituation wird in das Evangelium hineingeschrieben. Ihre Fragen werden dort beantwortet. So wie meine Frage vom Professor in der Vorlesung.

Der zweite Teil der Antwort heißt. Ich bin bei euch. Neu und anders. In ganz enger Verbindung von Vater und Sohn und Heiligem Geist – ein trinitarischer Schlüsseltext ist das – wird das Kommen des Geistes Gottes angekündigt: Der Helfer, der Heilige Geist, wird uns an alles erinnern, was Jesus gesagt hat.

Dort steht für Helfer im Griechischen „Paraklet“, das ist „der, der angerufen wird“. Die Palette der Übersetzungen für dieses Wort ist riesig und jede Übersetzung trägt einen Teil der Bedeutung bei.
Bei Luther ist es der Tröster.
In der Genfer Übersetzung der Helfer.
In der King James Bibel. The comforter.
In einer französischen Übersetzung: Le defenseur (der Verteidiger).
Andere übersetzen: Beistand oder Ratgeber.

Und Teil 3 der Antwort sagt es im Bild:

Meinen Frieden lasse ich euch. Nicht der Frieden der Welt. Nicht die pax romana, wenn alle Waffen schweigen, sondern der Friede, vom siebten Schöpfungstag. Der Friede vom Ostermorgen. Das lasse ich euch.

Die Ausgangsfrage war ja: Warum ist das Heil nicht fertig und umfänglich? Warum erkennt nicht die ganze Welt? Warum sind wir so wenig. Die
Antwort 1 war: Ihr seid dran. Wer mich liebt, richtet sich nach mir aus.
Die Antwort 2 war Pfingsten. Ich bin nicht weg. Ich bin im Gegenteil ganz nah bei euch. Ihr müsst nur noch die richtige Übersetzung für meine Anwesenheit suchen. Ich bin da.
Antwort 3: Meinen Frieden gebe ich euch.

Wir stehen nicht mit zurückgespieltem Ball auf dem Feld und müssen allein alles tun, was nicht getan ist.

Apropos Ball. Ich erzähle Ihnen noch eine Geschichte. In den 60er Jahren begann man damit im Stadion an der Anfield Road, wo der FC Liverpool seine Spiele spielt, vor den Spielen Musik zu spielen und das Publikum zu unterhalten.
Dazu gehörte ab 1963 auch ein Musical-Song in der Version von Gerry & the Pacemakers. Der Legende nach fiel vor einem Spiel die Soundanlage des Stadions aus, während der Song lief.
Der Fan-Block intonierte das Lied daraufhin selbst. Seit diesem Tag wird vor Spielbeginn in Liverpool das Lied vom Publikum geschlossen angestimmt – und mittlerweile auch in vielen anderen Stadien. Bei der Trauerfeier für den durch Suizid gestorbenen Torwart Robert Enke wurde es gesungen und es ist merkwürdig, warum dieses schlichte Lied so viele Menschen anspricht:

Walk on through the wind
Walk on through the rain
Though your dreams be tossed and blown
Walk on walk on with hope in your heart
And you'll never walk alone
you'll never walk alone

Warum ist alles so unfertig? Warum gibt es so wenig Hoffnung und so viel Dunkel. Spielt uns Gott einfach den Ball zurück und sagt: Nun seid ihr dran? Nein, Pfingsten sagt: In dieser Aufgabe sind wir nicht allein. Der Tröster und Helfer, der Beistand und Ratgeber, the comforter, le defenseur, wird uns versprochen. Gott ist nicht fern, Gott ist ganz nah.

Amen.

'beaches of Fuerteventura', 2012,Hansueli Krapf. Creative-Commons-Lizenz

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